Spiegelbericht: Unternehmensberater sehen Milliardengrab durch Bürokratie im gesetzlichen Gesundheitssystem

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Laut einer Studie der Unternehmensberatungsgesellschaft A.T. Kearney sind die Verwaltungskosten des deutschen Gesundheitssystem weitaus höher als bislang angenommen. Milliarden werden für bürokratische Aufgaben ausgeben, die nach Meinung von Experten nicht sein müssten. Das berichtet das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ und beruft sich dabei auf vorliegende Studienergebnisse der Unternehmensberatung.

Milliarden könnten eingespart werden

Die gesetzlichen Krankenkassen könnten Milliardenausgaben einsparen und damit für stabilere Beitagessätze sorgen. Bei den Gesamtausgaben der Kassen im letzten Jahr entfielen 23 Prozent auf verwaltungstechnische Ausgaben. Somit wurden rund 40,8 Milliarden der 176 Milliarden Euro Gesamtausgaben allein für Bürokratie ausgegeben. Zum Vergleich: In der Privatwirtschaft wie der Industrie beträgt der Ausgabenanteil für Verwaltungsaufgaben gerade einmal 6,1 Prozent, wie es in der Studie hieß.

Weiter steht im Spiegel-Bericht, dass die Kosten nicht nur für Unternehmensinterne Aufgaben der Krankenkassen verursacht werden, sondern auch in der gesamten Gesundheitsbranche wie Kliniken, Apotheken oder Arztpraxen. Offiziell geben die Krankenkassen einen Verwaltungsaufwand von 9,5 Milliarden Euro an. A.T. Kearney publizierte, weitere 18 Milliarden Euro, die bislang in keiner offiziellen Auswertung ausgewiesen sind, entfielen auf bürokratische Aufwendungen. Ärzte in Krankenhäusern müssen allein aufgrund der strengen Vorgaben 37 Prozent ihrer Dienstzeit für Verwaltungstätigkeiten aufwenden. Ebenso komplex und Zeitintensiv sind die Abrechnungsverfahren von Medizinern in niedergelassenen Arztpraxen. Ein Kostentreiber sind nach Meinung der Unternehmensberater die Praxisgebühren. Krankenkassen beziffern die Einnahmen durch Quartalsgebühren mit rund 2,0 Milliarden Euro jährlich.

Deutsches Gesundheitssystem zu komplex

Das bundesdeutsche Gesundheitssystem hat eine „Komplexität erreicht, der nicht mehr angemessen beherrschbar ist“, schreiben die Experten in dem Blatt. Würden die Strukturen schlanker gestaltet werden, könnte der gesetzliche Kassenbeitragssatz von 15,5 auf 14,2 Prozent gesenkt werden. Mindestens aber könnte dafür gesorgt werden, den Beitragssatz zukünftig stabil zuhalten.

Nach Berechnungen der Berater könnten mindestens 13 Milliarden Euro im Gesundheitswesen gespart werden, wenn die Umstrukturierungen durchführten. Für die Studie wurden rund 6000 Klinikärzte, ambulante Arztpraxen, Apotheken und Sanitätshäuser befragt.

Im Gegensatz hierzu bemängeln die Krankenkassen die rasant steigende Ausgabenseite bei den Arzneimitteln. Allein 2010 wurden Medikamente im Wert von 34 Milliarden Euro durch Praxisärzte verordnet. Das hatten Analysen des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherungen ergeben. Die Ausgaben für Medikamente steigen seit Jahren kontinuierlich an.

In den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres 2011 konnten die gesetzlichen Krankenkassen einen Milliardenüberschuss von 3,9 Milliarden Euro erwirtschaften. Hauptverantwortlich für die Mehreinnahmen waren kaum Strukturreformen sondern die konjunkturelle Belebung am Arbeitsmarkt. Gesundheitsökonomen rechnen mit einem maximalen Einnahmen-Überschuss von acht Milliarden Euro. Kassenbeiträge sollen dennoch nicht gesenkt werden.

(sb)