Christian Wulff bleibt auch nach seinem TV-Interview unter Druck. Vehement wehrt er sich gegen den Wunsch von „Bild“-Chef Diekmann, ein Protokoll des Wut-Anrufs zu veröffentlichen. Politikberater Spreng spricht von einem Showdown: Colt gegen Wasserpistole.


Ein Befreiungsschlag sieht anders aus. Wenn Christian Wulff am Mittwoch gehofft hatte, sein Fernsehauftritt würde ihm in der Kredit- und Medienaffäre Luft verschaffen, dann wurde er nur wenige Stunden später enttäuscht. Das lag weniger an der Reaktion der Berliner Politik und der Bürger auf seine TV-Zerknirschung - die war zurückhaltend, aber nicht vernichtend. Doch noch in der Nacht legte die Bild-Zeitung nach und bezichtigte den Bundespräsidenten, bei ARD und ZDF nicht ganz die Wahrheit gesagt zu haben.

Damit geht das Duell zwischen dem Staatsoberhaupt und der größten deutschen Boulevardzeitung in die nächste Runde. Der Präsident ist angeschlagen, die Zeitung in der Offensive. Der Politikberater Michael Spreng sagt der Tageszeitung: „Wir erleben einen echten Western-Showdown.“ Aber es sei ein Duell von „Wasserpistole gegen scharf geladenen Colt“.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hält sich aus dem Konflikt heraus: Sie absolvierte am Donnerstag ihren ersten öffentlichen Termin des neuen Jahres, den traditionellen Empfang der Sternsinger im Kanzleramt.

In Regierungskreisen wurde die Zurückhaltung der Kanzlerin damit begründet, Merkel habe die Arbeit des Bundespräsidenten schon aus Respekt vor dem Amt nicht jeden Tag neu zu bewerten. Aus der CSU war am Rande der Klausur in Wildbad Kreuth die Einschätzung zu hören, Wulff gehe aus seinem Auftritt bei ARD und ZDF zwar nicht gerade gestärkt hervor. Nachdem er aber auf menschlicher Ebene reagiert habe, werde er die Affäre wohl politisch überstehen. Viele Bürger hätten jetzt genug von den Details, glauben einige Christsoziale.

Kauder: „Er hat sich entschuldigt. Das sollte man akzeptieren“

Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Wulffs Krisenmanagement sei „wirklich nicht optimal“ gewesen. Er hätte aus seiner Sicht sofort reinen Tisch machen sollen. „Dann mag es am nächsten Tag eine schlechte Presse geben. Aber dann ist der Fall erledigt. Das wäre auch im konkreten Fall hilfreich gewesen.“ Wulff habe in seinem TV-Interview am Mittwoch von schweren Fehlern gesprochen, fügte Kauder hinzu. „Er hat sich entschuldigt. Das sollte man akzeptieren.“

Mit erheblicher Sorge wird aber in der Union die sich zuspitzende Auseinandersetzung zwischen Wulff und der Bild-Zeitung gesehen. Beide Seiten schonten sich am Donnerstag nicht. Bild warf Wulff vor, er habe im Gegensatz zu seinem TV-Statement ganz klar das Ziel gehabt, die Berichterstattung über seinen Hauskredit zu verhindern.

Wenig später kündigte die Redaktion den Wunsch nach Veröffentlichung der Telefonaufzeichnung auf der Mailbox von Chefredakteur Kai Diekmann an. Zunächst bat Diekmann aber höflich den Bundespräsidenten um Erlaubnis. Wulff lehnte ab. War dies eine kluge Entscheidung, fragten sich Beobachter. Entsprach der Inhalt doch nicht ganz dem, was Wulff vor den Kameras beteuert hatte?

Wulff: „Außergewöhnlich emotionale Situation“

„Die in einer außergewöhnlich emotionalen Situation gesprochenen Worte waren ausschließlich für Sie und für sonst niemanden bestimmt“, erklärt das Staatsoberhaupt in seinem offenen Brief an Diekmann. „Ich habe mich Ihnen gegenüber kurz darauf persönlich entschuldigt. Sie haben diese Entschuldigung dankenswerterweise angenommen. Damit war die Sache zwischen uns erledigt.“ Dabei solle es aus seiner Sicht bleiben, schreibt Wulff.

Wulff zeigt sich in dem Brief erstaunt, dass Teile seiner Nachricht „über andere Presseorgane den Weg in die Öffentlichkeit gefunden hätten. „Es stellen sich grundsätzliche Fragen zur Vertraulichkeit von Telefonaten und Gesprächen. Hier haben die Medien ihre eigene Verantwortung wahrzunehmen“, so Wulff.


Inzwischen gibt es in der Republik eine Menge Leute, die die Abschrift der Telefonansage kennen. Der Bild-Kolumnist Hugo Müller-Vogg etwa bestätigt im Sender hr1, dass Wulff tatsächlich um Aufschub der Berichterstattung gebeten habe. Aber auch die Drohung Wulffs mit juristischen Schritten hat er gehört. So könnte sich wohl jede der beiden Seiten ihre Interpretation der Wulff-Ansage herauspicken.

Darf das Protokoll veröffentlicht werden?

Unterdessen entspinnt sich eine Debatte unter Experten, ob die Veröffentlichung des Wortlauts rechtlich möglich sei. Der Medienrechtler Rolf Schwartmann, Leiter und Gründer der Forschungsstelle für Medienrecht an der Fachhochschule Köln, hält eine Veröffentlichung für rechtlich sehr bedenklich. Dies gelte auch bei Amtsträgern wie dem Bundespräsidenten. Diese Regel gelte verschärft, nachdem Christian Wulff der Bitte der Bild-Zeitung nicht zugestimmt hatte, seine Nachricht auf der Mailbox von Chefredakteur Kai Diekmann zu veröffentlichen. Schwartmann argumentiert, dass eine „Mailbox ein sehr privater Ort ist, von dem auch jeder weiß, dass er privat ist.“ Und Äußerungen an privaten Orten seien geschützt.

Der Rechtsexperte des Deutschen Journalistenverband (djv) hält dagegen eine Veröffentlichung des Anrufs von Wulff rechtlich zumindest in Teilen für möglich. „Ich neige dazu, den Anruf als nicht privat einzuordnen“, sagte Justiziar Benno Pöppelmann. Damit könnten vermutlich zumindest Teile der Nachricht Wulffs auf der Mailbox von Bild-Chefredakteur Kai Diekmann auch ohne Zustimmung des Bundespräsidenten als Abschrift veröffentlicht werden. „Herr Wulff wollte wohl kein Privatgespräch führen, sondern sprach als betroffene Person der Berichterstattung.“

flf/dpa