Altkleiderspenden aus Deutschland werden in Afrika gut vermarktet

Afrikanische Märkte werden von Textilien aus Europa überschwemmt. Auf den Märkten in Kamerun beispielsweise finden sich jede Menge solcher Kleidungsstücke. Es sind meist recht billige Klamotten, die wohl auch in Deutschland in die Spendencontainer gewerblicher und auch gemeinnütziger Kleidersammler geworfen wurden. Und oft fragt sich der europäische Besucher in Kamerun, wie jene Kleidungsstücke eigentlich auf diese Märkte kommen.

Die Spender meinen oft, etwas Gutes zu tun, denn sie glauben, dass ihre Kleidung direkt zu den Armen nach Afrika kommt und dort unentgeltlich verteilt wird. Man muss sich eines Besseren belehren lassen. In einer Reportage des NDR-Fernsehens vom 4. November 2011 mit dem Titel „Die Altkleider-Lüge“ wurde am Beispiel Tansanias die gesamtafrikanische Situation deutlich vor Augen geführt.

Die meisten Menschen im alten Europa glauben wohl, dass die hier gesammelten Altkleiderspenden direkt in die Katastrophengebiete der Welt gehen. Weit gefehlt: Der größte Teil der gespendeten Bekleidung wird weiterverkauft. Deutsche Firmen machen damit ordentlich Reibach. Die meisten der in Deutschland gespendeten Altkleider werden in gewaltigen, computergesteuerten Sortieranlagen „bearbeitet“. Im mitteldeutschen Wolfen steht die größte derartige Anlage der Welt.

Nur ein geringer Teil der Kleidung wird direkt an Bedürftige in Deutschland ausgegeben. Die besten noch übrigen brauchbaren Sachen gehen dann nach Osteuropa und in die arabischen Staaten. Sie werden dort in Second-Hand-Läden verkauft. Alles Minderwertige (dritte oder vierte Wahl) geht nach Afrika, immerhin noch rund 60 Prozent der tragbaren Kleidung. Was wirklich nicht mehr zu gebrauchen ist, muss nach deutschem Gesetz recycelt werden. Das sind jedoch nur etwa 15 Prozent der Ware.

Hunderttausende von Tonnen Altkleidern gelangen also nach Afrika. Doch was passiert dort mit den Altkleidern? Journalisten des NDR haben in Tansania nach Antworten gesucht. Ihr Fazit: Nicht nur deutsche Firmen und einige große Hilfsorganisationen verdienen gut an den Kleiderspenden. Auch für viele kleine Händler in Afrika sind Altkleiderspenden inzwischen ein Geschäft geworden. Bitter für die dortigen Arbeiter, denn etwa 80 000 Arbeitsplätze gingen dadurch allein der tansanischen Textilindustrie verloren.

Umsonst ist auch in Afrika nichts. Selbst die Ärmsten der Armen müssen bezahlen. Die Billigbekleidung überschwemmt die Märkte dieses Kontinents und zwingt die afrikanische Textilbranche in die Knie. Auf heimischen Märkten Afrikas boomt der Verkauf von Altkleidern aus Europa. Die eigene Produktion kommt dabei immer mehr zum Erliegen.

Zurzeit sind es runde fünf Cent pro Kilo, welche von den Vermarktungsfirmen in Europa an die Sammler bezahlt werden. Und in Afrika erzielt der Importeur, die deutsche Firma also, immerhin schon etwa 1,20 Euro pro Kilogramm Ware. Kleinhändler holen sich die Sachen ab und verkaufen sie auf allen Märkten in Afrika. Gespendet und geschenkt wird da nichts. Wäre dem jedoch so, dass kleine Kontingente in Kleiderkammern unentgeltlich für die wirklich Bedürftigen vor Ort in Afrika vorrätig gehalten würden, niemand könnte dagegen etwas einwenden.

Die spendenbereiten Deutschen stecken folglich in einer Zwickmühle. Soll man weiterhin Altkleider spenden, die noch lange nicht verbrauchten Sachen also wieder ihrem vorgesehenen Zweck zuführen? Oder soll man die Spendencontainer außer Acht lassen und die noch verwertbaren Kleidungsstücke in den Müll werfen, um der afrikanischen Textilindustrie nicht ganz den Garaus zu machen? Die Kleidung selbst aufzutragen erlaubt bei vielen das konsumorientierte Modediktat nicht. Es bleibt eine Gewissensentscheidung.

Gernot Göller ist einer der Initiatoren des deutsch-afrikanischen Freundeskreises, der Bedürftige in Makak in Kamerun unterstützt. Kürzlich sind gesammelte Hilfsgüter, vom Rollstuhl über Rollatoren bis zu Bügeleisen und Küchengeräten, sowie Kleidungsstücke von Mellrichstadt nach Afrika geliefert worden. Dort soll Zug um Zug eine kleine Kleiderkammer eingerichtet werden, aus der Bedürftige künftig Kleidung ohne Bezahlung in Empfang nehmen können.