Geimpft und trotzdem erkrankt? Eine aktuelle Studie legt nahe, dass eine Gruppe von Chemikalien das Immunsystem deutlich beeinträchtigt. Der Einsatz der Substanzen ist zwar zum Teil schon verboten - doch aus der Welt sind sie leider noch lange nicht.

Manche Chemikalien haben sich in der Umwelt so weit ausgebreitet, dass praktisch jeder Mensch geringe Spuren davon in sich trägt. Dazu zählen auch sogenannte perfluorierte Tenside (PFT). Sie machen Textilien wasserabweisend, sorgen dafür, dass am Pfannenboden nichts mehr kleben bleibt und sind auch als Bestandteil von Löschschäumen zum Einsatz gekommen.

Dass diese Substanzen alles andere als gesund sind, war bereits seit einigen Jahren bekannt. Sie stehen unter dem Verdacht Krebs auszulösen und schädigen die Leber. Zum Teil wurde ihr Einsatz eingeschränkt oder verboten. Trotzdem werden PFT noch länger ein Problem darstellen. Denn die Substanzen haben sich in der Umwelt angesammelt - und weil sie gegen Hitze, Kälte und UV-Strahlung weitgehend unempfindlich sind, bleiben sie dort auch lange. Was sie gesundheitlich besonders bedenklich macht: Nimmt ein Mensch die Chemikalien auf, findet sich nach mehr als vier Jahren immer noch die Hälfte davon im Körper.

Ein internationales Forscherteam ist jetzt dem Verdacht nachgegangen, dass PFT das Immunsystem schwächen können - frühere Versuche an Zellkulturen und Mäusen hatten das nahegelegt. Im Journal of the American Medical Association berichten die Wissenschaftler nun, dass Schutzimpfungen bei Kindern weniger gut wirkten, die vergleichsweise viel PFT im Blut hatten.

Die Wissenschaftler um Philippe Grandjean von der Harvard School of Public Health untersuchten 656 Kinder, die zwischen 1999 und 2001 im Nationalkrankenhaus in Tórshavn auf den Färöer-Inseln zur Welt gekommen waren. Über eine Blutprobe der Mütter ermittelten sie, wie stark die Kinder im Mutterleib den Chemikalien ausgesetzt waren; PFT können von der Schwangern aufs Ungeborene übergehen. Zusätzlich analysierten die Wissenschaftler eine Blutprobe der Kinder, als diese fünf Jahre alt waren. Sie konzentrierten sich dabei auf die zwei häufigsten Substanzen: Perfluoroctansäure (PFOA) und Perfluoroctansulfonat (PFOS).

Die Belastung mit PFT unterscheidet sich auf den Färöer-Inseln etwas von der in Deutschland, wenn man die Daten der aktuellen Studie zugrunde legt. Demnach waren sowohl Mütter als auch Kinder auf den Färörer-Inseln allgemein stärker mit PFOS belastet als Frauen und Kinder in Deutschland. Die PFOA-Konzentrationen waren im konkreten Fall bei den Insulanern dagegen geringer.

Mehr Chemikalien - weniger Antikörper

Alle Kinder wurden, wie auf den zu Dänemark zählenden Färöer-Inseln üblich, unter anderem gegen Tetanus und Diphterie geimpft. Die Forscher ermittelten dann, wie viele vor den Krankheiten schützende Antikörper die Kinder im Alter von fünf und sieben Jahren im Blut hatten - mehr als 70 Prozent der Kinder nahmen an der letzten Untersuchung teil.

Durch die Impfung wird das Immunsystem angeregt, effektive Antikörper gegen die Erreger zu bilden, so dass diese, falls sich das Kind später damit ansteckt, sofort vernichtet werden. Die Messungen zeigten nun: Mit steigender PFT-Konzentration sank die Menge der Antikörper. Ein Kind mit der doppelten Menge der Chemikalien im Blut hatte rund 50 Prozent weniger Antikörper. Damit stieg also das Risiko, dass die Kinder trotz der Impfungen nicht mehr ausreichend vor den Krankheiten geschützt waren, weil zum Teil ein kritischer Grenzwert an Antikörpern unterschritten wurde.
Dass tatsächlich die steigende Chemikalienbelastung das Immunsystem gedämpft hat, können die Forscher mit dieser Art von Studie nicht beweisen. Allerdings zogen sie bei ihrer Analyse auch weitere Faktoren in Betracht, die ebenfalls das Immunsystem hätten stören können und rechneten sie heraus. Dazu zählten sowohl die Belastung mit einer anderen Chemikaliengruppe, den polychlorierten Biphenylen, als auch ob die Mutter während der Schwangerschaft rauchte, wie lange das Kind gestillt wurde und wie viel es bei der Geburt wog.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung hat schon früher darauf hingewiesen, dass PFOS und PFOA möglicherweise das Immunsystem beeinträchtigen. Die aktuelle Studie zeige auf, dass solche Effekte bereits bei Konzentrationen der Chemikalien im Blut auftreten, wie sie in der Bevölkerung gemessen werden können, teilte die Behörde auf Anfrage mit. Eine abschließende Bewertung stehe jedoch noch aus.