Schwangere
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Perth/Melbourne. Wissenschaftler der University of Western Australia fanden in einer Studie heraus, dass hohe Testosteronwerte im Mutterleib bei Jungen zu Entwicklungsverzögerungen führen können. Bei Mädchen scheint das Hormon hingegen eher förderlich zu wirken.

Ein Übermaß des Geschlechtshormons Testosteron im Mutterleib ist wahrscheinlich schuld daran, wenn Jungen erst sehr spät und langsam beginnen zu sprechen. Das zeigt eine Studie australischer Forscher. Männliche Kleinkinder, bei deren Geburt besonders hohe Testosteronwerte im Nabelschnurblut gemessen wurden, hatten zwei- bis dreimal so häufig Probleme beim Sprechenlernen wie Jungen mit niedrigeren Werten.

Bei Mädchen scheint das männliche Geschlechtshormon dagegen eher fördernd zu wirken. Bei ihnen habe ein hoher Testosteronwert das Risiko für eine verzögerte Sprachentwicklung gesenkt, berichten die Forscher im Fachmagazin Child Psychology and Psychiatry.

Geschlechtsspezifische Wirkung

"Unsere Daten liefern klare Belege dafür, dass Testosteron im Mutterleib geschlechtsspezifische Wirkungen auf die Sprachentwicklung von Kindern hat", schreiben Andrew Whitehouse von der University of Western Australia in Perth und seine Kollegen. Rund zwölf Prozent der Kleinkinder zeigen eine verzögerte Sprachenentwicklung: Sie beginnen deutlich später zu sprechen als ihre Altersgenossen.

Jungen sind ohnehin meist etwas später dran als Mädchen. Bei ihnen kommt aber auch die starke Verzögerung häufiger vor. Weil männliche Föten im Mutterleib etwa der zehnfachen Menge an Testosteron ausgesetzt sind wie weibliche, vermuteten die Forscher einen Zusammenhang. Dies habe sich in der Studie bestätigt, sagen die Wissenschaftler.

Möglicher Einfluss auf Arbeitsteilung im Gehirn

Der Hormongehalt im Nabelschnurblut gibt vor allem Auskunft über die Testosteronwerte im letzten Schwangerschaftsdrittel. Daher gehen die Forscher davon aus, dass das Hormon in dieser Phase wichtige Schaltkreise für die Sprachfähigkeit im Gehirn beeinflusst. Möglicherweise verändere das Hormon das Ausmaß der Arbeitsteilung zwischen den Gehirnhälften. Dies könnte sich auf das Sprechen auswirken, da die Sprachzentren bei Rechtshändern in der Regel nur in der linken Gehirnhälfte liegen.

"Diese Ergebnisse helfen uns dabei, die biologische Mechanismen zu verstehen, die zu einem verzögerten Sprechen, aber auch zu einer normalen Sprachentwicklung führen", sagt Whitehouse. Welchen genauen Effekt das Hormon im Mutterleib auf die Sprachzentren des Gehirns habe, müsse man nun weiter untersuchen. Für ihre Studie hatten die Wissenschaftler den Testosteronwert im Nabelschnurblut von 767 Neugeborenen gemessen. Die Hälfte der Säuglinge waren Jungen, die andere Mädchen.

Mädchen profitieren von hohem Testosteronwert

Die Kinder hatten sie zufällig aus einer größeren Anzahl von Geburten ausgewählt, die im Rahmen einer Bevölkerungsstudie untersucht wurden. Im Alter von einem, zwei und drei Jahren testeten die Forscher die Sprachfähigkeit der Kinder. Bei 89 Kindern fanden die Forscher Hinweise auf eine verzögerte Sprachentwicklung, 53 davon waren Jungen. "Interessanterweise scheint es hier eine Art Schwelleneffekt zu geben, bei dem nur Jungen im obersten Viertel der Testosteronwerte die Sprachverzögerung zeigten", schreiben die Forscher.

Die betroffenen Mädchen hatten dagegen vorgeburtlich eher weniger Testosteron als der Durchschnitt ihrer Geschlechtsgenossinnen erhalten. Bei ihnen wirkte sich ein Überangebot des Geschlechtshormons offenbar eher fördernd für die Sprachentwicklung aus.

dapd