heilige kuh, milch
Immer mehr Menschen stellen fest, dass sie keine Laktose vertragen. Wieso die Laktoseintoleranz erkannt werden sollte und worauf Betroffene achten sollten.

Hannover. Der amerikanische Schauspieler Dustin Nguyen fand bereits in seiner Kindheit in Vietnam heraus, dass er laktoseintolerant ist - und zwar auf die „harte Tour“ wie er dem US-Internetportal „Health“ sagte. Jedes Mal, wenn bei der Schulspeisung die in Vietnam als luxuriös geltende Milch verteilt wurde, litt Nguyen unter Übelkeit, Magenkrämpfen und Durchfall. Bis er dazu überging, nur so zu tun als ob er tränke, und die Milch in den Müll warf. „Ich wusste einfach, dass mein Körper das nicht mochte“, erinnert sich der 49-jährige Schauspieler, der seit 1975 in den USA lebt.

Heute ist Laktoseintoleranz nicht nur in Asien, wo traditionell kaum Milch getrunken wird, ein Thema. Weltweit gibt es immer mehr Menschen, deren Körper schon auf kleine Mengen Milchzucker mit heftiger Gegenwehr reagiert. Der hannoversche Internist Ulrich von Sassen schätzt die Zahl der Betroffenen allein in Deutschland auf rund zehn Millionen. „Die Leute merken zunehmend, dass sie Laktose nicht vertragen“, sagt er. Auch Prominenten wie Jessica Alba und Orlando Bloom wird in Internetforen eine Laktoseintoleranz nachgesagt.

Ursache der Beschwerden ist die mangelnde Fähigkeit der Betroffenen, den komplexen Milchzucker im Dünndarm in seine Einzelbausteine Glukose und Galaktose zu zerlegen. Dadurch gelangt das komplette Laktosemolekül in den Dickdarm, wo es von Bakterien zu Fettsäuren wie Milchsäure und Gasen wie Kohlendioxid und Wasserstoff abgebaut wird. Diese notdürftige Spaltung führt kurz nach dem Essen laktosehaltiger Lebensmittel zu Blähungen, Durchfall und weiteren Beschwerden - was im Alltag extrem belastend sein kann. „Ich muss immer hundertmal überlegen, ob ich das essen darf und manchmal kommen die Beschwerden trotzdem“, schreibt eine Betroffene unter dem Pseudonym „Depri“ im Diskussionsforum auf Laktose.net.

Bei den meisten Betroffenen beruht die Laktoseintoleranz auf einer genetischen Veranlagung. Dadurch nimmt ihre Fähigkeit, Milchzucker zu verdauen, im Laufe des Lebens immer mehr ab. „Unverträglichkeitsreaktionen durch Nahrungsmittel und Nahrungsmittelbestandteile stellen zweifellos ein zunehmendes Problem im allergologischen Klinik- und Praxisalltag dar“, sagt Prof. Werner Aberer von der Universitätsklinik Graz in der Österreichischen Ärzte Zeitung. Warum das so ist, sei letztlich unbekannt. Als einen Faktor sieht Aberer aber das große Angebot von früher nicht üblichen Nahrungsmitteln. Sein Kollege Prof. Reinhart Jarisch, vom Allergiezentrum Floridsdorf in Wien macht dagegen das gestiegene Patienteninteresse für die zunehmende Bekanntheit der Laktoseintoleranz verantwortlich. Prof. Thomas Fuchs von der Klinik für Allergologie am Universitätsklinikum Göttingen bemängelt dennoch, dass Nahrungsmittelunverträglichkeiten immer noch zu häufig mit Allergien verwechselt würden.

Um zu klären, ob tatsächlich eine Laktoseintoleranz vorliegt, sind nach Auskunft des Internisten von Sassen zwei Testverfahren gängig: Beide Male erhält der Patient eine definierte Laktoselösung. Anschließend wird in halbstündigen Abständen der Wasserstoffgehalt im Atem gemessen oder die Glukosemenge im Blut bestimmt. Beides zeigt, wie gut der Milchzucker verdaut werden kann.

Weil auch der Test selbst Bauchschmerzen hervorruft, ist von Sassen allerdings zurückhaltend mit der Anwendung. „Ich würde das nur empfehlen, wenn jemand entsprechende Beschwerden hat und es darum geht, eine Laktoseintoleranz gegen andere Probleme wie die Unverträglichkeit von Fruchtzucker (Fruktose) oder Klebereiweiß (Gluten) abzugrenzen“, sagt er. Häufig würden mehrere Lebensmittelunverträglichkeiten zusammen auftreten, sodass es ohne den Test kaum möglich sei, die eigentliche Ursache der Beschwerden herauszufinden. Reagiert jemand nur bei Nahrungsmitteln mit Milchzucker empfindlich, reicht dagegen meist ein Ernährungs- und Symptomtagebuch über einige Tage. Mit dieser Methode lässt sich auch feststellen, wie viel Laktose noch vertragen wird.

Bestätigt sich der Verdacht einer Laktoseintoleranz, sollten Lebensmittel, die Laktose enthalten, je nach dem Grad der Verträglichkeit mehr oder weniger vollständig vom Speisezettel verschwinden. Das sind vor allem Milch und Milchprodukte. Aber auch viele Fertigprodukte von Kartoffelpüree bis zu Salatdressing, Backwaren oder Süßigkeiten enthalten Milchzucker. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt daher, beim Einkauf auf die Zutatenliste zu schauen. Dort verbirgt sich zum Beispiel hinter Begriffen wie „Molkepulver“ oder „Magermilch“ Laktose.

Besonders problematisch kann für Laktoseintolerante das Essen außer Haus werden. Denn in der Kantine, bei Freunden oder im Restaurant gibt es meist keine exakte Zutatenliste. In solchen Fällen können Tabletten mit dem laktosespaltenden Enzym Laktase helfen. Die in der Apotheke erhältlichen Präparate übernehmen den Laktoseabbau und ermöglichen Menschen mit Intoleranz damit, auch dann auswärts zu essen, wenn die Gerichte Milchzucker enthalten.

Eine weitere Alternative sind Restaurants mit laktosefreiem Angebot. In Hannover bietet beispielsweise das „Bell’ Arte“ im Sprengelmuseum seit November eine spezielle Speisekarte mit gluten- und/oder laktosefreien Gerichten an. Restaurantchef Christian Stöver waren vor allem die relativ vielen Gäste mit Glutenunverträglichkeit aufgefallen, weil auch eine Freundin von ihm darunter leidet. „Wir haben immer wieder Nachfragen nach den Inhaltsstoffen gehabt und möchten den Betroffenen jetzt ermöglichen, mit einem sicheren Gefühl essen zu gehen“, sagt er. Bei den Gästen des „Bell’ Arte“ kommt das neue Angebot gut an. „Manche hatten vorher eine gewisse Scheu, beim Servicepersonal nachzufragen. Jetzt sind sie ganz entspannt“, berichtet Stöver.

Listen mit Laktosengehalten unterschiedlicher Lebensmittel gibt es unter anderem in dem neuen Infoheft „Essen und Trinken bei Laktoseintoleranz“, das für einen Euro plus drei Euro Versandgebühr bei der DGE, Telefon (02 28) 9 09 26 26, bestellt werden kann. Das Buch „Richtig einkaufen bei Laktose-Intoleranz“ (Trias Verlag, 9,95 Euro) hat auch Fertigprodukte auf ihren Laktosegehalt hin untersucht. Kostenlose Lebensmittellisten und Tipps für Betroffene bieten zudem Internetforen wie www.laktose.net oder www.nahrungsmittel-intoleranz.com.