Während die UN den diplomatischen Druck auf Damaskus verstärkt, setzt sich die Führungsschicht in Syrien offenbar ins Ausland ab. Der Bürgerkrieg im Land geht unterdessen unvermindert weiter.

Die Welt will das Morden in Syrien nicht mehr länger tatenlos hinnehmen. Ein militärisches Eingreifen wie in Libyen ist offiziell noch nicht geplant, aber die Staatengemeinschaft verstärkt den diplomatischen Druck - auf Syrien und auch auf China und Russland, die eine UN-Resolution gegen das Regime von Präsident Baschar al-Assad bisher im Weltsicherheitsrat blockieren.

Die UN-Vollversammlung wird sich am Montag mit der Lage in Syrien befassen. Wie der US-Fernsehsender CNN berichtete, will Saudi-Arabien dem Gremium ein ähnlich formuliertes Dokument vorlegen, wie im Weltsicherheitsrat diskutiert wurde. Der saudische Entwurf verurteilt die Verletzung von Menschenrechten durch das syrische Regime in aller Schärfe. In dem Papier ist die Rede von Gewalt gegen Zivilisten, willkürlichen Hinrichtungen sowie der Tötung und Verfolgung von Protestierenden. Die Vollversammlung kann verurteilen, allerdings keine Sanktionen beschließen. Das ist dem Sicherheitsrat vorbehalten. Anders als im Sicherheitsrat gibt es in der UN-Vollversammlung aber kein Vetorecht. Wenn eine Mehrheit aller Staaten Syrien verurteilte, stiege der Druck auf Präsident Assad stark.

Zur Sondersitzung in New York lud der Präsident der UN-Vollversammlung, Nassir Abdulaziz al-Nasser aus Katar, die Menschenrechtskommissarin Navi Pillay ein, das Gremium über die Situation in Syrien zu unterrichten. Die Südafrikanerin ist dabei auf Berichte aus zweiter Hand angewiesen. Offiziell sind keine UN-Beobachter in dem Land, es gibt dort nur noch wenige Journalisten, die verdeckt arbeiten und die Außenwelt mit Nachrichten versorgen. Unabhängig nachprüfbar sind sämtliche Informationen, die nach draußen dringen, nicht.

Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton forderte Assad zum Rücktritt auf. „Ich bin über die Massaker der syrischen Armee an der eigenen Bevölkerung in Homs zutiefst erschüttert. Ich verurteile dieses abscheuliche Vorgehen“, sagte Ashton. „Diese extreme Gewalt ist nicht hinnehmbar. Führung verlangt, dass man geht, wenn man das Problem und nicht die Lösung ist. Präsident Assad sollte genau das tun und zurücktreten.“ Ashton betonte, dass die EU eng mit der Arabischen Liga zusammenarbeiten werde. Die Liga trifft sich an diesem Sonntag in Kairo.

General getötet

Die Gefechte zwischen Gegnern und Anhängern von Präsident Assad näherten sich Oppositionellen zufolge immer mehr dem Zentrum von Damaskus. Mitglieder der Syrischen Befreiungsarmee und Soldaten hätten sich rund anderthalb Kilometer nördlich eines zentralen Platzes vier Stunden lang beschossen. Die Vereinten Nationen schätzen, dass etwa 6000 Syrer in dem fast einjährigen Konflikt ums Leben gekommen sind. Örtliche Koordinierungskomitees gehen dagegen von mehr als 7300 Toten aus.

Als weiteres Anzeichen dafür, dass der Konflikt nun auch die bislang ruhige, weil Assad-hörige Hauptstadt heimsucht, mag die Meldung gelten, dass die Aufständischen offenbar den ersten hohen Offizier der Assad-Truppen in Damaskus getötet haben. Brigadegeneral Issa al-Chuli sei erschossen worden, als er am Morgen sein Haus im Stadtteil Rukneddine in Damaskus verlassen habe, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Sana. Al-Chuli war Arzt und leitete das Militärkrankenhaus der syrischen Hauptstadt.

Der Bürgerkrieg erfasste auch Aleppo, die zweitgrößte Stadt des Landes. Bei zwei Bombenanschlägen vor Einrichtungen der syrischen Sicherheitskräfte in der Millionenmetropole starben am Freitag nach Angaben von Ärzten mindestens 30 Menschen, etwa 200 weitere wurden verletzt. Staatliche Medien berichteten, zwei Selbstmordattentäter hätten die Sprengsätze gezündet.

Das syrische Staatsfernsehen beschuldigte Oppositionelle, Aktivisten machten dagegen das Regime von Machthaber Assad für die Anschläge verantwortlich. Ein Sprecher der sogenannten Revolutionskomitees sagte, vermutlich habe es sich um ein Komplott von Angehörigen des Regimes gehandelt. Diese wollten durch inszenierte Terroranschläge die Bevölkerung von Aleppo auf ihre Seite ziehen. Es gibt auch die Version, dass das islamistische Terrornetzwerk al-Qaida auf direkten Befehl seines Führers Aiman al-Sawahiri hinter den Anschlägen steckt, um den Aufstand für sich zu nutzen.

Asyl-Angebot für Assad?

Die Freie Syrische Armee aus Deserteuren wies Spekulationen zurück, sie sei an den Anschlägen beteiligt gewesen. Sie ist eine von zwei größeren Vereinigungen fahnenflüchtiger Soldaten der syrischen Armee. Ihre Führung operiert von der türkischen Provinz Hatay aus.

Allem Druck zum Trotz bleibt Russland bei seinem Kurs im Syrien-Konflikt: Das Parlament unterstützte das Veto Moskaus gegen die Syrien-Resolution. Der Resolutionsentwurf sei einseitig gewesen, hieß es. Russland ist enger Partner und Waffenlieferant Syriens. Moskau selbst hat immer wieder betont, es wolle mit Syrien im Gespräch bleiben, die Verabschiedung der UN-Resolution hätte alle Kontakte abgebrochen. Außenminister Sergej Lawrow war gemeinsam mit Geheimdienstchef Fradkow nach Damaskus gereist, um nach Möglichkeiten zu suchen, den Konflikt zu beenden. Es kursieren Gerüchte, Lawrow habe Assad nur besucht, um ihm Asyl in Russland anzubieten.

Dass sich das Assad-Regime auflöst, will das US-Außenministerium erfahren haben. Man habe Informationen darüber, dass Mitglieder der Führungsschicht den oppositionellen Syrischen Nationalrat um Hilfe gebeten haben, um Geld und Verwandte aus dem Land zu schaffen, hieß es aus dem State Departement. Ein Mitglied der Assad-Familie habe große Summen aus dem Land geschafft, und ein hochrangiges Mitglied aus Assads Nationalem Sicherheitskreis habe sich offenbar im Ausland niedergelassen.