Wenn Kinder misshandelt werden, hat das auch Auswirkungen auf das Gehirn. Das könnte ein Grund dafür sein, warum solche Menschen überdurchschnittlich häufig an psychischen Krankheiten leiden.
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© dpaMütterliche Unterstützung in jungen Jahren zeigt sich US-Forschern zufolge auch im Gehirn. Der Hippocampus, eine Hirnregion, die wichtig ist für Gedächtnis, Emotionen und Stressbewältigung, ist bei Schulkindern größer wenn diese als Kleinkind von der Mutter stark unterstützt wurden.

Misshandlungen während der Kindheit können die Hirnentwicklung stören. Das haben US-Forscher in einer Studie nachgewiesen. Das könnte auch Depressionen und Schizophrenie erklären. Eine Studie mit 193 Erwachsenen führte zu diesem Ergebnis.

Erklärung für Depressionen und Schizophrenie?

Teilnehmer, die über Misshandlungen in der Kindheit berichteten, hatten im Vergleich zu anderen Probanden einen verkleinerten Hippocampus.

Diese evolutionär gesehen sehr alte Hirnregion wird unter anderem mit Gefühlen und Gedächtnis in Verbindung gebracht. Die Wissenschaftler um Martin Teicher von der Harvard Medical School (Belmont, Massachusetts) berichten in den Proceedings der US-Akademie der Wissenschaften (PNAS) über ihre Ergebnisse.

Gefühle und Gedächtnis werden verkleinert

Teichers Team untersuchte 73 Männer und 120 Frauen im Alter von 18 bis 25 Jahren. Sie wurden nach Misshandlungen verschiedenster Art gefragt, etwa nach körperlicher Gewalt, sexuellem Missbrauch, Beschimpfungen und emotionaler Vernachlässigung, aber auch nach anderen Stressfaktoren wie Trennungen oder Probleme der Eltern. Von den Befragten hatten 46 Prozent keine Erfahrungen mit Misshandlungen gemacht, während 16 Prozent über drei oder mehr Formen an Gewalt berichteten. Ein Viertel der Studienteilnehmer hatte bereits eine Depression durchgemacht, auch andere psychische Störungen wurden erfasst.

Fast jeder zweite Teilnehmer hatte keine Erfahrung mit Gewalt

Anschließend wurden von den Gehirnen der Probanden Aufnahmen mit einem Kernspin-Gerät gemacht. Die Forscher vermaßen den Hippocampus und betrachteten vor allem drei Schlüsselgebiete. Vorhergehende Studien hatten bereits gezeigt, dass Zellen dort ein Hormon als Reaktion auf Stress ausschütten, wenn das Gehirn noch nicht ganz ausgereift ist. Möglicherweise werde durch ein Übermaß des Stresshormons die Entwicklung der Nervenzellen des Hippocampus gestört, meinen die Forscher. Am anfälligsten sei die Region vermutlich im Alter von drei bis fünf Jahren.

Am anfälligsten im Alter von drei bis fünf Jahren

Veränderungen im Hippocampus wurden laut Studie bereits bei einer ganzen Reihe von psychischen Erkrankungen beobachtet, beispielsweise bei Depressionen, Schizophrenie, Posttraumatischen Belastungsstörungen und Borderline-Störungen. In der aktuellen Studie waren bei Teilnehmern, die in der Kindheit misshandelt wurden, drei Schlüsselbereiche des Hippcampus um 5,8 bis 6,5 Prozent kleiner als bei den anderen Probanden. Teicher arbeitet am der psychiatrischen Klinik McLean Hospital, die zur Harvard Medical School gehört.

Die Studie könnte nach Meinung der Autoren auch zur Klärung eines bestimmten Phänomens beitragen: warum Menschen, die in der Kindheit Gewalt erlebten, leiden häufiger an psychischen Krankheiten wie Depressionen, Sucht oder anderen Störungen. Die Gehirnentwicklung in den ersten Lebensjahren könnte einer der Gründe dafür sein.

AZ/dpa