Die tödlichen Unruhen nach der Koranverbrennung in Afghanistan dauern weiter an. Mindestens neun Menschen starben am Freitag, Demonstrationen gab es im ganzen Land. Die Bundeswehr zieht sich derweil aus einem Feldlager zurück.
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© ReutersDemonstranten in Afghanistan skandieren anti-amerikanische Slogans in der Provinz Jalalabad

Die Koranverbrennung durch US-Soldaten hat am vierten Tag in Folge gewalttätige Proteste in Afghanistan ausgelöst. Mindestens neun Menschen starben am Freitag, Dutzende wurden verletzt. Erstmals waren Tote auch in Westafghanistan zu beklagen. In der Hauptstadt Kabul versammelten sich nach dem Freitagsgebet einige hundert Demonstranten und skandierten „Tod für Obama“. Verbalattacken gab es nicht nur gegen den US-Präsidenten, auch der Tod des afghanischen Präsidenten Hamid Karsai wurde gefordert.

Bundeswehr zieht sich aus kleinem Camp zurück

Wegen der Unruhen zieht sich die Bundeswehr vorzeitig aus ihrem kleinen Camp im nordafghanischen Talokan zurück. Der Kommandeur der Nordregion, General Markus Kneip, habe die rund 50 Soldaten vorübergehend in das große Bundeswehr-Camp in Kundus zurückbeordert, teilte das Verteidigungsministerium in Berlin mit. Wohl gegen den Willen der Provinzregierung. Ohne Vorwarnung seien die deutschen Soldaten abgezogen, sagte der Gouverneur Abdul Dschabar Takwa. „Wir wissen nicht, was wir tun sollen.


Kommentar: Wahrscheinlicher ist, dass einige ganz genau wussten, was sie taten, um diese Reaktionen innerhalb der Bevölkerung Afghanistans hervorzurufen.


Die Provinzhauptstadt Talokan zählt mit 200 000 Einwohnern zu den zehn größten Städten Afghanistans. Das Bundeswehrcamp befindet sich im Gegensatz zu den anderen deutschen Feldlagern in Afghanistan mitten in der Stadt und ist daher schwer zu sichern. Bereits am 15. Februar hatte die Bundeswehr ihre Arbeit vor Ort offiziell eingestellt, seitdem wird das Lager geräumt. Gouverneur Takwa zeigte sich „sehr besorgt“ über den aus seiner Sicht verfrühten Abzug. „Die lokalen Kräfte sind nicht gut ausgerüstet“, sagte er. „Sie sind noch nicht bereit dazu, die gesamte Sicherheitsverantwortung zu übernehmen.“

Demonstrationen in fünf weiteren Städten

Aus dem afghanischen Innenministerium hieß es, in mindestens fünf weiteren Städten im Land habe es am Freitag Demonstrationen gegeben. Sie seien zunächst weitgehend friedlich verlaufen. Am Donnerstag waren bei den Protesten mindestens acht Menschen getötet worden. Darunter neben sechs Demonstranten auch zwei Soldaten der Internationalen Schutztruppe Isaf, die ein Angehöriger der afghanischen Armee erschoss. Bereits am Mittwoch waren mehrere Demonstranten in Afghanistan ums Leben gekommen.

Auslöser der Proteste war die Verbrennung von Koranen auf dem US-Stützpunkt Bagram bei Kabul. Der Koran gilt den Muslimen als direktes Wort Gottes und die Verbrennung des Buches als Gotteslästerung. US-Präsident Obama bezeichnete den Zwischenfall in einem Schreiben an seinen afghanischen Kollegen Karsai als bedauerliches Versehen und bat um Entschuldigung. Karsai sprach von einem Akt der Ignoranz und Gedankenlosigkeit gegenüber dem Islam.

chw/dpa/Reuters