Ob der am 27. Februar startende Prozess zur »Deepwater-Horizon«-Katastrophe bis zu einem Urteil geführt werden wird, ist völlig offen.
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Es ist ein Mega-Prozess, der heute in New Orleans im US-Bundesstaat Louisiana beginnt. Das Zivilgericht befasst sich mit 535 gebündelten Einzelklagen von 120 000 Klägern, darunter der Regierung in Washington, mehreren Bundesstaaten und Gemeinden am Golf von Mexiko sowie einer Reihe von Unternehmen; 72 Millionen Dokumente sind auszuwerten. Der Umfang ergibt sich aus dem Anlass - die bislang größte Ölkatastrophe in der Geschichte der USA. Nach der Explosion der Ölplattform »Deepwater Horizon« im April 2010 waren in den darauf folgenden drei Monaten 780 Millionen Liter Öl aus der Ölquelle Macondo des britischen Konzerns BP ins Meer geflossen - dieser war offensichtlich nicht vorbereitet auf ein solches Ereignis und agierte beim Verschließen des Bohrlochs hilflos.

Der Ölriese BP hat bisher 20 Milliarden US-Dollar für einen Fonds bereitgestellt, aus dem rund 200 000 Einzelpersonen und Kleinunternehmer abgefunden werden. Bisher berappte der Konzern 7,5 Milliarden für Entschädigungen und Kosten der Aufräumarbeiten. Er rechnet für sich mit Gesamtkosten durch die Katastrophe von 40 Milliarden Dollar.

Bei dem jetzigen Prozess geht es im Kern um die verbleibenden Schadenersatzklagen gegen BP und andere beteiligte Unternehmen. Die US-Regierung kann sich in ihrer Klage auf die relativ strenge Umweltgesetzgebung in den USA berufen. Gemäß dem »Clean Water Act« stehen alleine dem Zentralstaat pro Barrel Öl, das ausgelaufen ist, mindestens 1100 Dollar zu. Kann BP & Co. grobe Fahrlässigkeit nachgewiesen werden, wären es schon 4300 Dollar - die Gesamtsumme beliefe sich auf 17,6 Milliarden Dollar, und das nur für die Gewässerverschmutzung. Dafür hat BP aber nur 3,5 Milliarden zurückgestellt.

Stark verkompliziert wird der Prozess durch die Verteidigungsstrategie des Ölkonzerns. Dieser will die Kosten nämlich am liebsten auf den seinerzeitigen Besitzer und Betreiber der Bohrplattform, die Schweizer Firma Transocean, abwälzen, war damit aber schon vor mehreren Gerichten gescheitert. BP hat auch die US-Firma Halliburton verklagt, weil diese das Bohrloch im Meer mit einer mangelhaften Betonmischung verschlossen haben soll.

Ob der von Richter Carl Barbier, einem Spezialisten für maritimes Recht, geleitete Prozess bis zu einem erst in einigen Jahren zu erwartenden Urteil dauern wird, ist unklar. BP versucht aufgrund der Unwägbarkeiten des Verfahrens, eine außergerichtliche Einigung zustande zu bringen. Hinter den Kulissen soll der Ölgigant um eine möglich niedrige Summe feilschen. Dabei hat man ausreichenden Verhandlungsspielraum: Vorstandschef Bob Dudley konnte, unter anderem wegen der stark gestiegenen Ölpreise, vor wenigen Tagen einen Nettogewinn von 23,9 Milliarden US-Dollar für das Jahr 2011 vermelden.