Stress
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Zum Schutz der Arbeitnehmer wird aus den Reihen der Gewerkschaften der Ruf nach einer Anti-Stress-Verordnung laut

Berlin - Immer Termindruck, ständig verschärfte Leistungsvorgaben, rund um die Uhr erreichbar: Stress am Arbeitsplatz wird von der Ausnahme zur Regel. Und nicht nur das, die Arbeit schwappt auch immer stärker ins Privatleben. Ein genereller Trend, klagen die Gewerkschaften. Sie wollen den wachsenden Stress am Arbeitsplatz verstärkt ins Visier nehmen. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) begrüßt das.

Der Arbeitsplatz gilt als Stressfaktor Nummer eins“, fasste gestern in Berlin DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach den Befund einer aktuellen Studie zusammen. Fast 6100 Arbeitnehmer aller Branchen wurden dafür von der „DGB Index Gute Arbeit GmbH“ befragt. Mehr als die Hälfte - 52 Prozent - gab an, sehr häufig oder oft gehetzt arbeiten zu müssen. 63 Prozent sind überzeugt, dass sie seit Jahren immer mehr in der gleichen Zeit leisten müssen.

Die Befragung zeigt zugleich, dass die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit mehr und mehr verschwimmen. Gut ein Viertel der Beschäftigten muss nach eigenen Angaben regelmäßig auch nach Ende der offiziellen Arbeitszeit erreichbar sein. Jeder Siebte (15 Prozent) arbeitet sogar häufig oder sehr oft unbezahlt nach Feierabend. Kein Wunder, dass mehr als ein Drittel (37 Prozent) der Befragten auch zu Hause an die Arbeit denken muss. „Die Daten zeigen: Arbeitshetze, eine steigende Arbeitsintensität und Entgrenzung der Arbeit gehören zum Alltag der Beschäftigten“, resümierte Buntenbach.

Für die Gewerkschaften ist es angesichts dieser Entwicklung kein Zufall, dass die Zahl der psychischen Erkrankungen stetig zunimmt. Seit 1994 seien die psychisch bedingten Fehlzeiten in den Betrieben um 80 Prozent gestiegen, rechnete Buntenbach vor. Und bei 40 Prozent der Frauen und 30 Prozent der Männer, die als vermindert erwerbsfähig anerkannt werden, sei eine psychische Belastung der Grund. Die Gewerkschaften wollen das stärker ins Blickfeld rücken. Beschäftigte sollen für das Thema interessiert, Betriebsräte und Unternehmensführungen sensibilisiert werden. „Wir müssen weg von einem ’wie werde ich wieder gesund' hin zu einem ’wie werde ich erst gar nicht krank'“ erläuterte Edeltraud Glänzer, Vorstandsmitglied der IG Bergbau, Chemie, Energie (BCE). So ist die BCE dabei, einen Stress-Check für Betriebsräte zu entwickeln, ein Verfahren, mit dem diese die Leistungsverdichtung in ihren Betrieben messen können. Den Beschäftigten will die Gewerkschaft einen Schnelltest zu Hand geben, damit sie ihre individuelle Belastungssituation ermitteln können. „Wir brauchen insgesamt ein Umdenken in den Unternehmen“, forderte Glänzer.

IG Metall-Vorständler Hans-Jürgen Urban machte sich für eine „Anti-Stress-Verordnung“ im Arbeitsschutzrecht stark. Ob Lärm oder Schadstoffe - alle physischen Belastungen seien im Arbeitsschutz geregelt, die psychischen Gefährdungen aber seien ausgeklammert. Diese „eklatante Schutzlücke“ müsse Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) endlich schließen, forderte Urban. Die Ministerin lobte die Kampagne der Gewerkschaften. „Ich begrüße, dass der DGB bei diesem Thema so aktiv mitgeht. Unsere Untersuchungen zeigen, dass viele Betriebe den Anforderungen des psychischen Arbeitsschutzes noch hilflos gegenüberstehen“, sagte sie gegenüber der MAZ.