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© colourbox/Montage: Matthias MichelSalamworld: Ein Netzwerk der Zensur?
Ein neues Netzwerk will Facebook 300 Millionen muslimische Nutzer abspenstig machen. Die sollen "sauber" ins Internet gehen können: "Unislamische" Inhalte wie etwa Madonna-Videos werden verbannt.

Seit langem fürchten Muslime, dass das Internet ihre Jugend korrumpieren könnte. In muslimischen Ländern wie Iran und Türkei sind bereits islamische Internetfilter entweder obligatorisch oder vom Staat empfohlen und angeboten, und es gibt Projekte für eine muslimische Suchmaschine.

Nun soll auch ein muslimisches Facebook entstehen: "Salamworld" soll, so das erste Ziel, mittelfristig 50 Millionen Mitglieder zählen. Aber man will mehr: Nach Angaben der Organisatoren gibt es derzeit 300 Millionen Facebook-Nutzer, und man erwartet, dass es in zehn Jahren doppelt so viele sein werden. Das ist der Markt, den Salamworld erobern will. Die Hoffnung ist dabei, nicht nur Nutzer anzulocken, sondern sie dazu zu bringen, Facebook ganz zu verlassen.

Millionenbeträge und teure Büros

Nur wie? Statt wie beim echten Facebook ohne Geld und Unterstützung zu starten und am Ende Hunderte Milliarden Dollar wert zu sein, startet man gleich mit Milionenbeträgen und teuren Büros in Istanbul, Kairo, sowie diversen zentralasiatischen Nachfolgerepubliken der Sowjetunion, und läuft Gefahr, am Ende trotz aller Mühen niemanden hinter dem Ofen hervor zu locken.

Das Ganze ist ein Projekt russischer und türkischer Geschäftsleute, mit Sitz in Istanbul, wo auch das Hauptquartier ist. Mitte Februar fand dort eine prunkvoll organisierte Gründerkonferenz mit 250 Teilnehmern statt. Auch das muss eine Stange Geld gekostet haben. Glauben die zentralasiatischen Geschäftsleute, die das Ganze finanzieren, dass sie auf diese Weise Profit einfahren werden?

Einer der Gründer ist Ahmed Azimow, ein Dagestaner, der in Moskau lebt und arbeitet. Ein anderer ist Abdulwehad Niyazow, ein russischer Islamfunktionär tatarischer Abstammung. Azimow deutet an, dass man auf Werbeeinnahmen zielt: Wenn etwa in Gaza wieder Bomben fallen, so sagte er jüngst, dann könnten zum Beispiel Hersteller von Palästinenserfahnen über Salamworld groß abkassieren.

Das gewählte Beispiel klingt sehr politisch dafür, dass Salamworld "unpolitisch" sein will. Experten sehen schon in der geldlastigen Struktur des Projekts ein Indiz, dass die türkisch-islamische Gülen-Bewegung dahinter stecken könnte. Niyazow lobt gerne den Reform-Muslimischen Prediger Fetullah Gülen, ebenso wie den verstorbenen Vater des politischen Islams in der Türkei, Necmettin Erbakan, der für einen weltweiten Sieg des Islam focht und sich durch vehementen Antisemitismus hervortat.

Der Gülen-Bewegung wird erheblicher Einfluss auf die türkische Regierung nachgesagt, sie hat viel Geld und ist in den zentralasiatischen Ex-Sowjetrepubliken sehr aktiv.

Wahrscheinlich automatische Filter

Sollte Salamworld eine verdeckte politische Dimension erhalten und tatsächlich Anklang finden, dann könnte sich die Plattform auch für die Mobilisierung von Muslimen in aller Welt nutzen lassen, um Proteste und politische Aktionen zu organisieren. User sollen im Übrigen Predigten und religiöse Vorträge posten können.

Salamworld will unislamische Inhalte wie "Madonna-Videos" verbannen, dafür aber eine "islamische Enzyklopädie nach dem Vorbild von Wikipedia" aufbauen, von Nutzern für Nutzer, sagt Niyazow.

Für die Islam-Verträglichkeit der Inhalte soll strenge Moderation auf drei Ebenen sorgen. Es wird wohl auch automatische Filter geben. Das Ziel ist es, Muslimen eine Möglichkeit zu geben, "sauber" online zu sein. Die Frage ist nur, ob sie das wollen: Die meisten sex-zentrierten Suchbegriffe auf Google kommen aus muslimischen Ländern wie Pakistan.

Er bedaure zwar, dass es "noch Atheisten auf der Welt gibt", sagte Niyazow, "aber wenn sie unsere Grundsätze akzeptieren, ist es auch für sie offen." Der Start ist für diesen Sommer geplant, zum Start des Fastenmonats Ramadan.