London - Selbst Wissenschaftler sprechen von einem «dreckigen Geschäft»: Das Bohren nach Öl und Gas im Meer birgt große Risiken, wie ein seit 21 Jahren sprudelndes Gasleck in der Nordsee zeigt. Es liegt nur gut 100 Kilometer von der jetzt geräumten Total-Plattform entfernt.

Es ist ein riesiger Krater am Meeresgrund. 50 Meter im Durchmesser, nach unten hin verjüngt er sich auf 15 Meter. Seit unglaublichen 21 Jahren strömt aus dem Loch in der schottischen Nordsee Gas an die Oberfläche. Im Gegensatz zum nur 100 Kilometer entfernten Leck der Elgin-Plattform interessiert sich kaum jemand für den Gas-Krater. «Ein Skandal», findet Jörg Feddern von der Umweltorganisation Greenpeace. Schließlich sei das ausströmende Gas 20 mal klimaschädlicher als der Klimakiller Kohlendioxid.

Der Konzern Mobil Oil hatte 1990 an der Stelle versucht, nach Öl zu bohren. Statt auf das zähflüssige «schwarze Gold» stießen die Ingenieure aber versehentlich auf eine Gasblase. Der Meeresboden riss auf und gab Unmengen Gas frei, vor allem das leicht entflammbare Methan - bis heute. «Der Gasstrom lässt ganz offensichtlich nach», sagt Peter Linke. Der Kieler Wissenschaftler forscht seit vielen Jahren an dem Leck und ist derzeit als Gutachter tätig.

Ob das neue Leck an der Elgin-Plattform des französischen Total-Konzerns oder der alte Krater nur hundert Kilometer entfernt - beide Fälle zeigen vor allem eins: «Öl und Gas ist ein dreckiges Geschäft», sagt der Wissenschaftler Christoph Gertler von der Bangor University in Wales. «Man sollte sich wirklich überlegen, wie weit man noch gehen will.»

Den Umweltschützern von Greenpeace spricht das aus der Seele. Derzeit sind allein in der Nordsee 450 Förderplattformen aktiv. Jährlich fließen nur durch den Förderalltag 10.000 Tonnen Erdöl ins Meer - auch ohne Pannen und Unfälle. Das ist ein Vielfaches der Umweltverschmutzung, wie sie nun bei der «Elgin»-Plattform vor Schottland bekanntwurde.

Die Konzerne sind bereit, immer tiefer zu bohren, immer höheren Druck und immer größere Temperaturen zu akzeptieren und vor allem immer weiter nördlich in arktische Gefilde zu gehen. Schon das Elgin-Feld von Total, wo die Förderung vor zehn Jahren begann, war wegen der Tiefen der Vorkommen fast 6.000 Meter unter dem Meeresgrund und des hohen Drucks eines der anspruchsvollsten Vorhaben in der Gasgewinnung überhaupt.

Die britische Regierung gab vor kurzem eine Bohrgenehmigung vor den Shetland-Inseln frei, Norwegen sucht in der Barentssee nach Öl und Gas. Shell will im Juli zu Probebohrungen in der Arktis nördlich von Alaska starten. «Sowas ist völlig unverständlich», sagt Jörg Feddern von Greenpeace. Er fordert einen politischen Stopp für Bohrungen in bestimmten Regionen der Erde, wie etwa der Arktis. «Das ist einfach viel zu gefährlich.» Auch Wissenschaftler Linke sagt: «Mir sagt schon der gesunde Menschenverstand, dass da irgendwann etwas schief gehen muss.»

Doch mit den Öl- und Gasquellen sprudeln für die Energiekonzerne die Milliardengewinne - und entsprechende Steuereinnahmen für die betroffenen Staaten. Das Beispiel des Kraters in der Nordsee zeigt, wie robust Regierungen mit dem Problem umgehen können. Das Gas spuckende Loch in der Nordsee wurde in den 1990er Jahren von Mobil-Oil-Nachfolger Exxon Mobil an den britischen Staat zurückgeben. Der müsste nun eigentlich Klimazertifikate für den Ausstoß von klimaschädlichem Methan kaufen - immerhin 0,4 Prozent des britischen Gesamtausstoßes.

Doch London blockt ab: Es sei ein natürliches Vorkommen auf See, für das so etwas nicht vorgesehen sei, heißt es. Immerhin wurde das Fischen in der Region um den Krater verboten. Das Rauchen auch.

dpa