Schon seit 2011 wird gegen den Verdächtigen im Mordfall Lena ermittelt. Der 18-Jährige hatte sich wegen des Besitzes von Kinderpornos selbst angezeigt. Die Behörden aber blieben untätig.

Ein Mord an einem Kind, Internet-Hetze und Aufrufe zur Lynchjustiz gegen einen falschen Verdächtigen und jetzt auch noch eine schwere Polizeipanne: Der Tod der elfjährigen Lena aus dem ostfriesischen Emden und neue Details hinter diesem Verbrechen erschüttern die Öffentlichkeit. Jetzt fragen sich viele Menschen, ob die Polizei versagt hat und ob sie die Tat hätte verhindern können.

Gegen den geständigen Verdächtigen werde bereits seit Ende 2011 ermittelt, räumt der stellvertretende Osnabrücker Polizeichef Friedo de Vries am Dienstag überraschend ein. Der 18-Jährige habe sich schon im vergangenen November in Emden wegen Besitzes von kinderpornografischem Material selbst angezeigt. Zudem habe er Fotos von einem unbekleideten Kind gemacht. Sein krankhaftes Verhalten ist ihm durchaus klar: Er gibt zu Protokoll, dass er seine Neigung aktiv bekämpfen wolle und sich bereits in Betreuung befinde.

Bei der Polizei klingeln offenbar keine Alarmglocken: Der Fall wird routinemäßig abgearbeitet - aber nur anfangs: Die Emder Polizei gibt den Fall zuständigkeitshalber an die Kollegen im Nachbar-Landkreis Aurich ab, wo der Verdächtige damals wohnt. Die zentrale Ermittlungsstelle der Staatsanwaltschaft Hannover beantragt eine Hausdurchsuchung. Dieser Beschluss landet Ende Dezember wieder bei der Auricher Polizei. Danach passiert - nichts.

Kopfschüttelnd hören Journalisten dieser Schilderung zu, bis einer Kollegin der Kragen platzt: „Was haben Sie denn so lange geprüft?“, will sie wissen. „Im Verlauf dieser Ermittlungen ist es in diesem Fall für mich zu nicht nachvollziehbaren Verzögerungen gekommen“, sagt de Vries. Jetzt sollen interne Ermittler die schwere Panne aufklären - voraussichtlich erfahrene Beamte aus dem Landeskriminalamt in Hannover.

Die Polizeispitze in Osnabrück will nicht weiter Öl ins Feuer gießen und versichert: Die Mordkommission „Parkhaus“ in Emden sei von dieser Panne nicht betroffen, sie habe von den früheren Ermittlungen ja nichts wissen können. Laut de Vries ermittelt die zuständige Polizeiinspektion Aurich/Wittmund in rund 150 Fällen im Jahr.

Jetzt mehren sich die Fragen, ob es nicht genug Alarmsignale im Vorfeld gab: Nach einem Fernsehbericht will der Stiefvater des verhafteten Verdächtigen diesen bereits im vergangenen Jahr wegen Kinderporno-Fotos auf dem Computer angezeigt haben. Die Behörden seien jedoch untätig gewesen. Und im November entging eine Joggerin knapp einem Vergewaltiger in den Emder Wallanlagen. Wenn die bereits genehmigte Wohnungsdurchsuchung auch wirklich erfolgt wäre, hätten vielleicht Gegenstände vom Tatort der versuchten Vergewaltigung gefunden werden können. Die damaligen Ermittler werden sich noch vielen Fragen stellen müssen.

mk/dpa