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© Dolce & GabbanaLionel Messi ist drei Mal der weltbeste Fußballer geworden. Forscher glauben, er habe einen Sechsten Sinn
Wissenschaftler untersuchen den außergewöhnlichen Spürsinn des Wunderstürmers Messi vom FC Barcelona und wollen künftig dessen Gedanken lesen.

Der israelisch-amerikanische Psychologe und Verhaltensforscher Daniel Kahnemann befasst sich mit Entscheidungsfindung und Kreativität beim Menschen. Er erhielt für seine Forschung 2002 den Nobelpreis. Nun hat der renommierte Wissenschaftler einen Fußballer und dessen Denkweise im Visier. Dabei geht es nicht um irgendwen, sondern um einen gemeinhin als Meister der Ballkunst anerkannten Kicker, den dreifachen Weltfußballer Lionel Messi.

Der 24-jährige Argentinier in den Diensten des FC Barcelona gilt als Wunderfußballer. Er verblüfft durch seine blitzschnelle Auffassungsgabe, das richtige Beurteilen von Situationen und Finden von Auswegen. Wenn er selbst nicht Tore schießen kann, bereitet er diese unnachahmbar vor. Sein Gehirn - so die Annahme des Forschers - scheint besonders fix bei der Signalübertragung auf Situationen zu reagieren und die Befehle an den Körper weiterzugeben.

Messis Spürsinn fasziniert Nobelpreisträger

Kahneman hat seine eigene Interpretation des Messi-Phänomens. Er beruft sich auf die Erfahrung von Feuerwehrmännern, die oftmals spüren können, wenn ein Haus kurz vor der Explosion stehe. Der Psychologe glaubt, dass bestimmte Menschen eine Art "Experten-Intuition" entwickeln können. Dabei handelt es sich um eine ausgereifte instinktive Methode zur Lösung eines speziellen Problems. Könnte man damit Messis außergewöhnliche Fähigkeiten beschreiben? Ein sechster Sinn, der nun erforscht wird?

Wunderfußballer Messi im Testlabor - sieht er mehr als Andere?

Es ist nicht das erste Mal, dass Messis Auffassungsgabe im Visier der Wissenschaft ist. Die Fähigkeiten des Barça-Stürmers wird schon länger von prominenten Psychologen untersucht. Das offizielle Magazin der UEFA, Champions, hat in seiner aktuellen Ausgabe vom Februar 2012 erste Erkenntnisse veröffentlicht. So haben deutsche Wissenschaftler in der Forschugnsgruppe von Professor Norbert Hagemann an der Universität Kassel die These entwickelt, dass bessere Spieler auch besser sehen können. Dazu wurde die visuelle Spannweite von Fußballspielern bei der Lösung von taktischen Entscheidungsaufgaben untersucht.

Spieler wie Messi besitzen die Fähigkeit, komplexe Probleme auf bestmögliche Art und Weise zu lösen

"Wir haben uns dafür interessiert, welche Mechanismen den Höchstleistungen im Sport zugrunde liegen", erklärt Hagemann. Danach seien Fußballspieler auf einer großen Fläche aktiv und müssten enorm viele Leute auf dem Platz wahrnehmen. Die Forscher nahmen an, dass der beste Spieler mehr Leute gleichzeitig wahrnehmen kann als andere, eher mittelmäßige Kicker. Doch in vielen Untersuchungen bei Amateurfußballern stellte man überraschend fest, dass die besten Spieler keineswegs über einen größeren Blickwinkel als schlechtere Spieler verfügen. Dafür gelingt es ihnen aber, mehr Informationen durch einen einzigen Blick aufnehmen. Manchmal scheint es, als würde Messi das Spiel anders wahrnehmen als die anderen Akteure auf dem Rasen. Genies wie Messi können ihren Blick länger fixieren.

Hagemann will so wie Kahnemann herausfinden, wie Messi mit seinem speziellen Blick Situationen antizipieren und lösen kann, ohne lange zu zögern. Denn das schnellere Denken verschafft ihm vor anderen Spielern einen enormen Vorteil. „Wir wollen den zugrundeliegenden Mechanismus finden", so Kahneman. Das Team um Hagemann vermutet, dass die Unterschiede zwischen den einzelnen "Blick-Strategien" helfen, Informationen effizienter zu beschaffen.

Bioinformatikerin aus Barcelona hält Hormone für verantwortlich

Die deutsche Bioinformatikerin und Pharmazeutin Jana Selent von der Pompeu Fabra Universität in Barcelona ist eine ausgesprochene Verehrerin von Messis Spielkünsten. Die selbst jahrelang als aktive Fußballerin und Triathletin tätige Professorin hat eine eigene Theorie. In ihrer Forschung untersucht sie in 3-D-Animationen die Erregungsleitung und Signalübertragungen von Molekülen und Rezeptoren im Gehirn. Wenn es die Zeit erlaubt, geht sie auch ins Camp Nou-Stadion und beobachtet die Spielweise der Barça-Kicker. Jana Selent glaubt, dass Messi ähnlich wie asiatische Kampfsportler eine ausgesprochen gut entwickelte Antizipation besitze. Normalerweise können auch normale Menschen blitzschnell reagieren, wenn es nötig ist, doch dies meist nur in Notsituationen. Dafür sorgt der Ausstoß des Stresshormons Adrenalin, das alle Prozesse anfeuert. Die forschende Sportlerin Jana Selent beobachtet das Phänomen schon länger selbst - sie habe den Eindruck, dass manche Menschen unter dem Einfluss von Adrenalin eine andere Zeitwahrnehmung entwickelten. Die reale Welt laufe wie in Zeitlupe ab und so gewinne man in Notlagen Zeit, das Richtige rechtzeitig tun zu können. „Ich glaube, dass Messi das einfach für sich perfektioniert hat."

Lionel Messi musste sich übrigens in seiner frühen Jugend wegen Wachstumsstörungen jahrelang einer Hormontherapie unterziehen. Böse Zungen und Anhänger vom Konkurrenzklub Real Madrid glauben deshalb, dass Messis Fähigkeiten ausschließlich eine Sache der Hormone seien.

Schwarmverhalten und Instinkt im Fußball

Vielleicht gibt es aber noch eine weitere Komponente, die das Wunder Messi erklärt? Der Dribbelkönig der spanischen Liga spielt in einer Mannschaft, wo der Teamgeist immer über die individuelle Leistung gestellt wird. Manche Experten behaupten, der FC Barcelona spiele deshalb so guten Fußball, weil die Spieler auf gespenstisch magische, ja beinahe telepathische Weise miteinander verbunden sind. Wie in einem Vogelschwarm werden Signale weitergegeben, erkannt und gemeinsam nach Lösungen gesucht. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Einzelwesen, die sich in Schwärmen organisieren - ob Vogel oder Fisch - zu besseren, vor allem schnelleren Leistungen fähig sind, als wenn sie ohne ihren Schwarm unterwegs sind.

Messi weiß es selbst: Ohne seine Mitspieler Xavi, Iniesta oder Alves ist er nur halb so gut. "Ohne meine Freunde bin ich nichts", sagte er bei der letzten Preisverleihung zum besten Fifa-Spieler beim Ballon D’Or in Zürich. Die Schwarmtheorie könnte auch deshalb ein Faktor für Messis Qualität im Trikot der Blaugrana sein, weil er ohne seinen „Schwarm“ in der argentinischen Nationalmannschaft weit erfolgloser agiert. Vielleicht sollte sich die Wissenschaft also mit allen elf Spielern und der kollektiven Intelligenz des FC Barcelona befassen?
Bild
© Louis M. Blank - BlankLouis M. Blank - Blank - Journalist auf Reisen
Quellen:

Fifa.com
Mundo Deportivo
Universität Kassel
Universitat Pompeu Fabra