Handy
© MZ
Halle (Saale). In Halle einen Notruf über die Nummer 110 abzusetzen, kann zum Geduldsspiel werden. Denn wenn viele Anrufer zeitgleich zum Telefon greifen, nimmt häufig am anderen Ende niemand ab. Das hat auch Simone Weber erlebt. Die Hallenserin wurde am 28. März an einem Imbiss am Hansering Zeugin einer Auseinandersetzung zwischen einer Kundin und einem Mitarbeiter, der dabei verletzt wurde. "Ich habe mehrfach versucht, die Polizei über den Notruf 110 zu alarmieren. Aber es hat niemand abgenommen", so Weber.

Schließlich sei sie zur Polizeiwache im Ritterhaus gerannt und habe den Vorfall über die Lautsprecheranlage geschildert. Die Antwort der Polizei: "Rufen Sie die 110 an. Ich habe hier niemanden, die sind alle unterwegs". Erst als die Hallenserin sagte, dass am Notruf niemand zu erreichen sei, habe der Beamte jemanden geschickt. Weber ist entrüstet: "Dass der Notruf nicht besetzt ist, kommt offenbar öfter vor, wie mir Bekannte berichteten. Ich habe das immer für einen makaberen Scherz gehalten."

Problem oder Einzelfall? "Es kann vorkommen, dass am Notruf ein Rufzeichen zu hören ist, aber der Eindruck entsteht, dass niemand abnimmt", räumt Polizeisprecherin Ulrike Diener ein. Dies könne passieren, wenn an allen Notrufplätzen im Lagezentrum Gespräche geführt werden. "Erst wenn ein Kollege auflegt, kann der nächsten Notruf entgegengenommen werden." Dies könne auch im Fall von Simone Weber der Grund gewesen sein.

Die Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Süd, deren Leitstelle derzeit wegen Modernisierungsarbeiten im Saalekreis-Revier in Merseburg untergebracht ist, habe den fraglichen Zeitraum am 28. März überprüft. "Innerhalb einer Stunde sind 20 Notrufe eingegangen. Zwei Anrufer waren weniger als zehn Sekunden in der Leitung und legten dann auf", so Diener. Ein weiterer habe nach 45 Sekunden Wartezeit aufgelegt. "Alle anderen Anrufe wurden entgegengenommen."

Doch warum werden Anrufer nicht durch eine Ansage auf die Überlastung hingewiesen? Dass dies technisch möglich ist, beweist die Leitstelle der Feuerwehr. Wer dort etwa nach einem Unwetter anruft, muss ebenfalls mit Wartezeiten rechnen Aber: In dem Fall weist eine Ansage darauf hin: "Momentan sind alle Abfrageplätze belegt. Bitte legen Sie nicht auf, der nächste freie Mitarbeiter wird ihren Anruf gleich entgegen nehmen!"

Was bei Feuerwehr und Rettungsdienst möglich ist, scheitert bei der Polizei am System. "Die Einrichtung einer Warteschleife ist eine technische Schwierigkeit, die es bisher nicht möglich machte, Ansagetexte für alle Notrufplätze einzuführen. Nicht alle Anlagen sind dafür ausgerüstet", sagte Pia Leson, stellvertretende Pressesprecherin im Innenministerium. Zudem wolle die Landes-Behörde Einheitlichkeit. "Auf die Einführung eines Ansagetextes wurde verzichtet, um nicht in Halle, Magdeburg und den Landkreisen unterschiedliche Regelungen zu haben", so Leson. Will heißen: Selbst dort, wo es bereits technisch möglich wäre, wurde bisher bewusst auf Überlastungshinweise für die Anrufer verzichtet.

Dass das nicht die endgültige Lösung sein kann, hat nun offenbar auch das Innenministerium erkannt - zumindest theoretisch. Derzeit wird das Leitstellensystem modernisiert. Viele kleinere Notruf-Stationen werden durch Zentralen ersetzt. So wird das Lagezentrum in Halle ab Herbst für den gesamten Landessüden Notrufe entgegennehmen. "In diesem Zuge wird das Thema Warteschleifen noch einmal erörtert, da dann theoretisch die Möglichkeit zur einheitlichen Einführung besteht", so Leson. "Das Für und Wider wird abgewogen, um dann über die Möglichkeit einer Einführung einer Warteschleife oder eines Ansagetextes zu entscheiden."

MZ