Ugandas Homosexuelle leben gefährlich: Die Kirche hetzt gegen sie, Medien rufen zu Lynchmorden auf, Politiker wollen die Todesstrafe.
Trauermarsch um ermordeten Menschenrechtler
© dapdDemonstranten der "Stop the Hate and Homophobia Coalition" auf einem Trauermarsch für den ermordeten David Kato, der seinen Einsatz für die Rechte von Schwulen und Lesben mit dem Leben bezahlen musste. Foto: dapd
Kampala - Mit den großen Blättern des Mukokowe-Baums fegt Edirisa den roten Staub vom Grab. Unter dem schlichten weißen Quader liegt David Kato, sein großer Bruder, sein großes Vorbild. Man hat ihn mit einem Hammer erschlagen. Weil er Männer liebte, sagt Edirisa. „Ich habe Angst, dass sie mich auch töten werden“, flüstert er. Er ist wie sein älterer Bruder schwul und lebt in Uganda, einem Land, das die Todesstrafe für Homosexuelle diskutiert. Wie Tausende andere Homo- und Transsexuelle lebt der 26-Jährige mit täglicher Diskriminierung und Angst.

Das Grab im Garten der Mutter musste Edirisa mit Hilfe von Freunden selbst ausheben. „Als die Totengräber erfuhren, dass mein Bruder schwul war, weigerten sie sich, ihre Arbeit zu tun.“ Edirisa hatte gebetet, man möge seinen Bruder, einen Aktivisten der ugandischen Schwulenbewegung, zumindest in Frieden ruhen lassen. „Doch während der Trauerfeier fing der Pastor plötzlich an, gegen Homosexuelle zu wettern. Er wollte gar nicht aufhören, bis wir ihm das Mikrofon entrissen. Wir mussten ihn im Haus einsperren. Es war schrecklich“, berichtet Edirisa.

Hunderte Freunde, Menschenrechtsaktivisten und Diplomaten waren zur Beerdigung gekommen. Unter den Trauergästen war auch Bischof Christopher Senyonjo. Während die meisten ugandischen Priester als homophobe Hassprediger Stimmung gegen gleichgeschlechtliche Liebe machen, stellt der 79-Jährige sich demonstrativ an die Seite der Verfolgten. Er ergriff schließlich das Wort und verhalf der Trauerfeier zu einem halbwegs würdigen Ende. Die Anglikanische Kirche Ugandas hatte ihm wegen seines Engagements schon zuvor untersagt, die Sakramente zu spenden, und ihn ohne Pension in Rente geschickt. „Nur in Notfällen darf ich predigen. Und der Tumult auf der Beerdigung war ein Notfall. Oh mein Gott! Ich habe mich so für meine Kirche geschämt“, erzählt der Bischof.

David Kato hatte sich seinen mutmaßlichen Mörder selbst ins Haus geholt. Er hatte den wegen Diebstahls eines Telefons verurteilten 22-Jährigen Enoch Sydney Nsubuga kurz zuvor aus dem Gefängnis befreit, ihm Unterkunft und Arbeit gegeben. Als der junge Mann nach der tödlichen Hammerattacke festgenommen wurde, gab er zu Protokoll, Kato erschlagen zu haben, nachdem dieser ihn zum Sex genötigt habe. Menschenrechtsaktivisten glauben ihm nicht. „Das war ein politisch motivierter Mord. Der Täter wurde von einflussreichen homophoben Kreisen engagiert“, sagt Frank Mugisha, Vorsitzender des ugandischen Schwulen- und Lesbenverbandes.

Zeitung titelt "Top-Homos: Hängt sie auf"

Knapp vier Monate vor dem Mord hatte die ugandische Boulevardzeitung Rolling Stone in riesigen Lettern getitelt: „100 Fotos von Ugandas Top-Homos.“ Auch ein großes Bild von David Kato war dabei. Die Überschrift lautete: „Hängt sie auf!“ Dennoch sagt Giles Muhame, Gründer und Chefredakteur des Hassblattes: „Zwischen unserer Kampagne und dem Tod David Katos besteht kein Zusammenhang. Wir haben schließlich dazu aufgerufen, die Homos zu hängen - Kato aber wurde mit einem Hammer erschlagen.“ Muhame macht keinen Hehl aus seinen Ansichten: „David Kato und seine homosexuellen Freunde haben unser Land und unsere Kinder terrorisiert. Ich habe mich über Katos Tod gefreut. Ich hatte ja auch kein Mitleid, als Osama bin Laden erschossen wurde.“

In der Welt des Giles Muhame breitet sich „die aus dem westlichen Ausland importierte Homosexualität unsichtbar, wie eine stille Epidemie“ in Uganda aus. Schuld sei - neben westlichen Menschenrechtsorganisationen, die Schwule für die „Rekrutierung unschuldiger Kinder“ mit Geld, Autos, Jobs und Visa belohnten - die Ignoranz der Bevölkerung, die nicht über die Gefahr der „Seuche Homosexualität“ Bescheid wisse. „Schwulsein verringert die Lebenserwartung um 24 Jahre, Rauchen hingegen nur um acht Jahre“, sagt Muhame. Er beruft sich auf obskure Wissenschaftler, die nachgewiesen hätten, dass Schwule als unschuldige Heteros geboren und später „rekrutiert“ würden.

Kaum Medikamente für HIV-Positive

In einer vierteiligen Serie wollte Chefredakteur Muhame 100 ugandische Lesben und Schwule „demaskieren“. Nach zwei Ausgaben konnte David Kato ihn gerichtlich stoppen und eine Entschädigung erstreiten. „Leider haben wir nur 33 Homos zeigen können, aber die Kampagne war dennoch ein großer Erfolg“, sagt Muhame. „Die Homos haben jetzt Angst, sie trauen sich nicht mehr aus ihren Häusern.“

David Bahati, Abgeordneter der regierenden NRM-Partei, will mit drakonischen Strafen gegen Homosexuelle vorgehen. In der vergangenen Legislaturperiode hatte er einen Gesetzentwurf ins Parlament eingebracht, der für Homosexuelle den Tod forderte. Zu einer Abstimmung kam es nicht mehr. Aber Bahati gibt nicht auf. Er hat eine neue Vorlage eingebracht, „diesmal allerdings ohne die Todesstrafe. Die kam bei der internationalen Gemeinschaft nicht gut an, und noch sind wir auf deren Geld angewiesen“, sagt er. Bahati beruft sich auf Bibel und Koran, die lehrten, dass Homosexualität Sünde sei. „Außerdem ist der menschliche Körper dafür nicht geschaffen“, erklärt der Politiker.

Steinigung und Todeslisten - Der Hass des Mobs

Auch ohne schärfere Gesetze ist das Leben von Homosexuellen in Uganda schwer genug. „HIV-Positive, die sich zu ihrer Homosexualität bekennen, bekommen kaum Medikamente, sie werden ohne Begründung aus Wohnungen, Schulen, Kirchen, Familien, Läden und Bars geworfen. Kinderlosigkeit gilt vielen in unserer Gesellschaft als Sünde“, sagt Frank Mugisha vom Lesben- und Schwulenverband. Auch sein Name tauchte im Rolling Stone auf. Sein Freund trennte sich daraufhin von dem 29-Jährigen. Zu groß war die Angst, mit jemandem zusammen zu sein, der auf der Todesliste stand.

Michelle Kagari von Amnesty International in Kampala sieht Ugandas Schwule und Lesben in akuter Gefahr. „Wir raten niemandem, sich zu outen“, sagt die Menschenrechtsaktivistin.

Der Mob wollte ihn steinigen

Auch Dennis und Samuel wagen es nicht, sich offen zu ihrer Liebe zu bekennen. „Ich war Lehrer für Mathematik und Englisch, ein geachteter Beruf. Doch als die Schule herausfand, dass ich schwul bin, wurde ich gefeuert. Angeblich hatten die Eltern Angst um ihre Kinder“, sagt der 31-jährige Dennis. Er arbeitet nun als Tagelöhner auf Baustellen. Seine Familie hat ihm Land und eine Kuh versprochen, wenn er endlich zur Vernunft komme.

Samuel wurde vor die Tür gesetzt, als sein Vermieter erfuhr, dass er homosexuell ist. „Mein eigener Bruder hat es ihm erzählt. Aber ich habe ihm verziehen“, sagt der fromme Christ. Als er noch Schüler war, hatte er einmal versteckt hinter einem Busch einen Jungen geküsst. Der Klassensprecher meldete es dem Lehrer. Samuels Schulzeit war beendet. Nun arbeitet auch er auf Baustellen oder als Mopedtaxifahrer. „Ich habe weniger Angst vor der Polizei“, sagt er. „Die brauchen immerhin noch Beweise. Angst habe ich, dass die Leute mich auf der Straße lynchen.“

Kirumira Mpagi hat den Hass des Mobs kennengelernt. Nachdem der 32-Jährige vor acht Jahren im Radio über Schwulenrechte gesprochen hatte, wollte eine aufgebrachte Menge ihn steinigen. „Öffentliche Verkehrsmittel sind für mich nicht mehr sicher. Ich habe einen Kredit aufnehmen müssen, um mir ein kleines Auto mit getönten Scheiben zu kaufen. Im Dunkeln traue ich mich kaum noch raus. In Restaurants habe ich Angst, dass mir jemand was ins Essen mischen könnte“, sagt Kirumira.

Bischof Senyonjo trifft sich jeden Sonntag mit Männern, die Männer lieben. Im religiösen Uganda sind auch viele Homosexuelle sehr gläubig - obwohl Pastoren gegen sie hetzen. Seit die Anglikanische Kirche ihm verbietet zu predigen, hält Senyonjo Gottesdienste in der St. Paul’s Versöhnungs- und Gleichberechtigungskirche, einer umfunktionierten Garage. Dort sind die Männer für eine Stunde in der Woche nicht Schwule, die sich verstecken müssen, sondern Gläubige, die gemeinsam beten.