Überraschung im Breivik-Prozess: Ein Schöffe wurde als befangen erklärt, weil er die Todesstrafe für den Angeklagten forderte. Danach durfte sich Breivik weiter erklären - und prahlte mit seiner Tat.
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© ReutersDer 33-Jährige Psychopath posierte zum Prozessauftakt mit provozierenden Gesten und sagte, er erkenne das Gericht nicht an. Viele Hinterbliebene fürchten, dass der Prozess ihre Wunden wieder aufreißt.
In Norwegen läuft der Prozess gegen den Neonazi Anders Behring Breivik. Zum Auftakt wiederholte er sein Geständnis, am 22. Juli vergangenen Jahres 77 Menschen getötet zu haben.

Mit Stolz hat der geständige Attentäter Anders Behring Breivik am zweiten Prozesstag über seinen Doppelanschlag von Oslo und Utöya im vergangenen Juli gesprochen. Er habe „aus Güte, nicht aus Boshaftigkeit“ gehandelt, um einen Bürgerkrieg zu verhindern, und „würde es wieder tun“, sagte der Angeklagte in einer vorbereiteten Erklärung vor dem Bezirksgericht in der norwegischen Hauptstadt.

Überlebende der Anschläge hatten sich bereits zuvor besorgt geäußert, dass Breivik den Prozess als Plattform für seine extremistische Sichtweise nutzen könnte.

Breivik lobte in seiner Erklärung auch die mutmaßlichen Täter anderer rechtsextremer Anschläge in Europa. Er erwähnte das Terror-Trio des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU), das in Deutschland für die Morde an zehn Menschen verantwortlich gemacht wird. Zudem bezog er sich auf einen Schweden, der 2012 mehrere Anschläge auf Einwanderer verübt haben soll.

Seine Tat sei „der spektakulärste politische Angriff eines Nationalisten seit dem Zweiten Weltkrieg“, sagte Breivik. Er spreche als Kommandeur einer antikommunistischen Widerstandsbewegung und Mitglied der antimuslimischen Gruppe „Tempelritter“. Am Montag hatte die Staatsanwaltschaft erklärt, eine solche Organisation existiere ihrer Einschätzung nach nicht.

Breivik sieht einen Kulturkampf in Westeuropa heraufziehen

Westeuropa werde Schritt für Schritt von „Marxisten und Multikulturalisten“ übernommen, sagte Breivik. Es fehle an einem starken antikommunistischem Führer wie dem ehemaligen US-Senator Joseph McCarthy. In den frühen 1950er Jahren hatte McCarthy eine Reihe von Ermittlungen gegen mutmaßliche Kommunisten eingeleitet und damit eine wahre Hexenjagd auf Andersdenkende entfacht. „Aber selbst McCarthy war zu moderat“, sagte Breivik.

Nach Angaben der Anwältin Mette Yvonne Larsen hegten einige der Opfer und ihrer Angehörigen die Befürchtung, Breivik könnten den Prozess zu einer Plattform für seine extremistischen Ansichten missbrauchen. Richterin Wenche Elisabeth Arntzen unterbrach den Angeklagten daraufhin wiederholt und forderte ihn auf, sich kurzzufassen.

Breivik drohte, sich überhaupt nicht mehr zu äußern, dürfte er seine Erklärung nicht abschließen. „Es ist äußerst wichtig, dass ich den Grund und das Motiv (für das Massaker) erklären kann“, sagte Breivik. So habe er in Notwehr gehandelt, um Norwegen vor Muslimen zu schützen.

Massenmord sollte "Präventivschlag" sein

Aus diesem Grund habe er die Mitglieder der linksgerichteten sozialdemokratische Arbeiterpartei angegriffen, der er eine zu liberale Einwanderungspolitik vorwarf.

In seiner vorab geschriebenen Stellungnahme geißelte er aber auch andere europäische Regierungen dafür, dass sie Einwanderung und Multikulturalismus förderten. „Die Angriffe vom 22. Juli waren ein Präventivschlag. Ich habe in Notwehr gehandelt, im Auftrag meines Volkes, meiner Stadt, meines Landes“, sagte Breivik zum Schluss seiner Aussage. Er fordere daher, für unschuldig befunden zu werden.

Vor Breiviks Aussage hatte das Gericht am Dienstag einen der am Prozess beteiligten Laienrichter wegen dessen Äußerungen im Internet von seiner Aufgabe entbunden. Der Schöffe Thomas Indreboe hatte in einem Chat-Forum einen Tag nach den Anschlägen mit 77 Toten im vergangenen Juli geschrieben, dass der Attentäter die Todesstrafe verdiene.

Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Verteidigung und die Anwälte der Opfer waren sich einig, dass der Laienrichter nicht weiter der fünfköpfigen Strafkammer angehören könne, und hatten einen Befangenheitsantrag gestellt. Indreboe wurde von der Schöffin Elisabeth Wislöff ersetzt.

Keine Todesstrafe in Norwegen

Das norwegische Rechtssystem sieht keine Todesstrafe vor. Im Falle einer Verurteilung droht Breivik die Höchststrafe von 21 Jahren Haft. Die Freiheitsstrafe könnte verlängert werden, wenn Breivik nach Ende seiner Haftzeit weiterhin als Gefahr für die öffentliche Sicherheit eingestuft wird. Sollte das Gericht dem Gutachten folgen, in dem der Angeklagte als psychisch krank beurteilt wird, dürfte Breivik in eine geschlossene psychiatrische Anstalt eingewiesen werden.

Der Strafkammer im Breivik-Prozess gehören neben zwei Berufsrichtern auch drei Laienrichter an. Letztere werden für vier Jahre ernannt und befinden ebenso wie die Berufsrichter über Schuld und Strafmaß. Gleichwohl wird das Verfahren vom Vorsitzenden Richter geführt.

Breivik hatte sich bereits zum Prozessauftakt am Montag in Oslo kämpferisch gezeigt. Er wiederholte sein Geständnis, am 22. Juli vergangenen Jahres 77 Menschen getötet zu haben. Er ist wegen Terrorismus' und vorsätzlichen Mordes angeklagt. Die entscheidende Frage in dem auf zehn Wochen terminierten Prozess wird Breiviks Geisteszustand sein.

dpad