Es ist ein schrilles Alarmzeichen: Die Zentralbanker in Spanien und Italien müssen sich immer mehr und mehr Geld bei den anderen Notenbanken in der Euro-Zone leihen. Die geborgte Summe ist im März geradezu durch die Decke geschossen - mit gefährlichen Folgen.
Börse in Madrid
© APBörse in Madrid: Bankensystem unter Druck
Hamburg - Die Banken in Spanien und Italien müssen sich immer mehr Geld bei den europäischen Notenbanken leihen, um ihre angeschlagenen Volkswirtschaften mit Krediten zu versorgen. Das geht aus neuesten Zahlen hervor, die das Ifo-Institut am Mittwoch veröffentlichte. Demnach sind die Verbindlichkeiten der italienischen und spanischen Notenbank im sogenannten Target2-System von Juli 2011 bis Ende März 2012 um 483 Milliarden Euro gestiegen. Insgesamt belaufen sie sich nun auf 522 Milliarden Euro.

Das Target2-System ist ein Zahlungssystem zwischen den 17 Notenbanken der Euro-Zone, dessen Salden sich eigentlich ausgleichen sollten. Doch im Verlauf der Krise ist es aus dem Gleichgewicht geraten. Weil die Geschäftsbanken der Krisenländer am Markt kaum mehr Geld bekommen und zudem immer mehr Kapital aus diesen Ländern abfließt, müssen die jeweiligen Notenbanken Schulden bei den übrigen Notenbanken des Euro-Systems machen.

Zunächst waren es vor allem Griechenland, Irland und Portugal, die gewaltige Verbindlichkeiten im Target-System aufbauten. Seit Juli vergangenen Jahres steigen aber nun die Defizite von Spanien und Italien rasant an. Zuletzt hat sich dieser Trend wieder beschleunigt. Laut Ifo stiegen die Schulden der italienischen Notenbank von Januar bis März demnach um 79 Milliarden Euro, allein 76 Milliarden Euro davon entfielen auf den März.

Bei der spanischen Zentralbank sieht es ähnlich aus. Hier wuchsen die Verbindlichkeiten im ersten Quartal um 77 Milliarden Euro. Mehr als die Hälfte davon - 41 Milliarden Euro - entstanden im März.

Lackmus-Test am Donnerstag

Die Bundesbank nimmt am Target-System teil. Sie hat im Laufe der Krise gewaltige Forderungen von mehr als 600 Milliarden Euro gegenüber den anderen Notenbanken angehäuft. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann ist selbst ein Kritiker des Systems. In einem Brief hatte er den Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, vor den Risiken gewarnt.

Auch in der aktuellen Diskussion über mögliche Hilfen für das krisengeplagte Spanien tritt Weidmann auf die Bremse. "Wir sollten nicht immer den Weltuntergang ausrufen, wenn die langfristigen Zinsen eines Landes zeitweilig über 6 Prozent steigen", sagte Weidmann.

Die Bundesregierung sieht das mit einem ausufernden Defizit und Problemen im Bankensektor kämpfende Spanien ohnehin nicht als Kandidat für Rettungshilfen. Die in Angriff genommenen Reformen seien überzeugend: "Es ist nicht zu erkennen, dass Spanien ein Hilfsprogramm braucht oder in Anspruch nehmen möchte", teilte das Bundesfinanzministerium mit. Das zuletzt an den Anleihemärkten unter Druck geratene Spanien steht vor einem Lackmus-Test am Donnerstag: Wenn das s üdeuropäische Land bei der geplanten Auktion genügend Abnehmer für seine zwei- und zehnjährigen Staatsanleihen findet, könnte es zumindest kurzfristig aus der Schusslinie spekulativer Anleger herauskommen. Spanien hat etwa die Hälfte seiner geplanten Schuldenaufnahme über mittelfristig und langlaufende Anleihen in diesem Jahr bereits geschultert.

In den vergangenen Tagen haben die Renditen für zehnjährige Anleihen jedoch kurzzeitig sechs Prozent erreicht, was als kritische Marke gilt. Mit Blick auf die Auktion am Donnerstag warnen Experten, die Emission überzubewerten. "Die Probleme sind weiterhin da und keiner der langfristigen Kernpunkte ist gelöst", sagte Anlagestratege Marc Ostwald von Monument Securities. "Daher löst eine erfolgreiche Auktion die Probleme lediglich solange, bis die nächste Platzierung folgt." Deutschland profitiert am Rentenmarkt von seinem Status als sicherer Hafen. Bei der Versteigerung von zweijährigen Bundeschatzanweisungen fielen die Renditen auf das Rekordtief von 0,14 Prozent.

Bundesbank will Spanien nicht mit der Notenpresse helfen

Dass Staaten an den Anleihe-Märkten unterschiedlich bewertet werden, hat laut Bundesbank-Präsident Weidmann auch sein Gutes: "Das ist auch ein Ansporn für die Politik in den entsprechenden Ländern, ihre Hausaufgaben zu machen und durch eine Fortsetzung des Reformkurses Vertrauen zurückzugewinnen." Es könne nicht Aufgabe der EZB sein, Spanien mit der Notenpresse zu helfen - zum Beispiel durch die Wiederaufnahme ihrer umstrittenen Staatsanleihenkäufe oder durch neue langfristige Kredite für die Banken.

Spanien hatte in Brüssel ein weniger ehrgeiziges Defizitziel durchgesetzt und damit Vertrauen der Anleger verspielt. Durch Reformen und Einsparungen soll jedoch 2013 das Maastricht-Kriterium von 3 Prozent der Wirtschaftsleistung wieder eingehalten werden. Spanien kämpft auch mit massiven Problemen in seinem Bankensektor, der nach dem Platzen einer Immobilienblase milliardenschwere Abschreibungen in den Bilanzen vornehmen muss. Einige Kreditinstitute haben laut Zentralbank möglicherweise Probleme, die staatlich verordneten Kapitalanforderungen zu erfüllen.

Da sich kaum private Anleger finden, um den akuten Kapitalbedarf der Institute zu decken, könnten sie theoretisch zum Fall für den europäischen Rettungsfonds EFSF werden. Voraussetzung ist allerdings, dass der Staat selbst die Geldhäuser nicht mehr retten kann. Spanien hat zuletzt allerdings sowohl staatliche Hilfen für Banken als auch einen Antrag an den EFSF abgelehnt.

Die Bundesregierung sieht trotz der akuten Probleme im spanischen Bankensektor auch keinen Anlass, die Regeln der Euro-Rettungsschirme zu Gunsten des Südlandes zu verändern. Eine direkte Verbindung von EFSF und ESM zu einzelnen Banken eines Landes sei in den gemeinsamen Verträgen der Euro-Länder nicht vorgesehen, sagte ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums: "Eine Diskussion, die Verträge zu ändern, gibt es nicht." Damit reagierte er auf einen Bericht der "Süddeutschen Zeitung", die berichtet hatte, in einer Reihe von Euro-Staaten gebe es Forderungen, die Kriterien für die Vergabe von EFSF- und ESM-Mitteln für Länder zu lockern, in denen das Hauptproblem nicht im Staatshaushalt, sondern im Bankensektor liege. In diesem Falle solle der EFSF Geld direkt an Institute überweisen können, ohne den Umweg über den Staat zu gehen.

kst/stk/rtr