Pläne von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) zur Vorratsdatenspeicherung gelangten am gestrigen Mittwoch in die Hand kritischer Blogger. Aus dem Dokument geht hervor, dass Friedrich sehr große Datenmengen verdachtsunabhängig speichern will. Kritiker sprechen von einer "umfassenden Generalüberwachung".

Friedrich schickte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) am vergangenen Montag ihren Vorschlag zu einer Alternative zur Vorratsdatenspeicherung ("Quick Freeze Plus") mit erheblichen Änderungswünschen zurück. Das entsprechende Schreiben wurde den Bloggern der Seite "Netzpolitik.org" zugespielt und von diesen in Auszügen veröffentlicht. Friedrich, so geht aus dem Dokument sowie aus den Äußerungen des Ministers in Diskussionen hervor, setzt sich für eine vollständige Umsetzung der umstrittenen EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung ein.

Konkret will Friedrich bei Telefongesprächen und SMS speichern, wann wer mit wem kommuniziert hat, welche Geräte dabei genutzt wurden und in welcher Funkzelle sich die Beteiligten dabei aufhielten. Für jede verschickte E-Mail sollen die Provider speichern, wer die Mail wann an wen verschickt hat, welche IP dabei genutzt wurde und welche IP bei jedem einzelnen Abruf eines Postfachs genutzt wurde. Bei jeder Nutzung des Internet soll gespeichert werden, welche IP-Adresse dabei zugewiesen wurde.

Obwohl keine Kommunikations-Inhalte, sondern lediglich Verbindungsdaten gespeichert werden, sehen Kritiker diese Pläne als bedenklich an. Aus den von Friedrich aufgelisteten Daten lassen sich nicht nur umfassende Rückschlüsse auf das soziale Umfeld einer Person ziehen, sondern auch - zumindest bei Viel-Nutzern - ganze Bewegungsprofile erstellen.

Zudem, so kritisiert Blogger Andre Meister von Netzpolitik, sei der Straftaten-Katalog, bei dem auf die Vorratsdaten zugegriffen werden darf, in Friedrichs Entwurf sehr weit gefasst. "Die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung wurde mal mit dem internationalen Terrorismus begründet. Der taucht nur noch in einem Absatz zum Verfassungsschutz auf, zusammen mit Extremismus. Ansonsten dürfen die Datenberge nicht nur für den riesigen Katalog in § 100 a Abs. 2 der Strafprozessordnung verwendet werden, sondern auch bei 'mittels Telekommunikation begangenen' Straftaten. Insgesamt sportliche 33 Straftaten umfasst die Auflistung. Dazu kommen noch Gefahrenabwehr und die Aufgaben der Geheimdienste. Und sogar Ordnungswidrigkeiten!," kritisiert der Datenschützer. Insbesondere die Einbeziehung von "mittels Telekommunikation begangenen Straftaten" - beispielsweise Urheberrechtsverletzungen oder "Hacker-Delikten" - in den Straftatenkatalog sorgte bereits bei der ersten Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland für massive Kritik von Bürgerrechts-Aktivisten und zahlreichen Juristen.

Mit dem Urteil, so Meister, fordere der Minister "die äußerste Grenze des verfassungsmäßig Zulässigen, die das Bundesverfassungsgericht in seinem eher schwachen Urteil aufgezeigt hat." Das oberste deutsche Gericht hatte die bis dahin gültige Umsetzung der EU-Richtlinie im März 2010 unter anderem wegen unklarer Regelungen beim Zugriff auf die Vorratsdaten sowie aufgrund des Fehlens von Vorschriften zur Absicherung dieser Daten für verfassungswidrig erklärt. Die Richter machten dabei umfassende Vorgaben, wie eine verfassungsmäßige Umsetzung aussehen würde. Seitdem wird diskutiert, ob eine derartige Umsetzung politisch erwünscht ist.

Auch die der Vorratsdatenspeicherung zugrunde liegende EU-Richtlinie selbst ist alles andere als unumstritten. Sie wurde in einem Evaluationsbericht als äußerst unzulänglich eingestuft - es wurden mangelnder Schutz der Bürgerrechte, aber auch mangelnde Rechtssicherheit für Betroffene und Provider kritisiert - und soll überarbeitet werden.