FDP und SPD sind empört über die Idee Deutschlands und Frankreichs, wieder die eigenen Grenzen zu kontrollieren. Beide Parteien sprachen von billiger Wahlkampfhilfe für Nicolas Sarkozy.
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Der Plan Deutschlands und Frankreichs, an den eigenen Grenzen wieder Kontrollen einzuführen, stößt auf heftige Kritik. Die FDP wirft Paris und Berlin einen Rückfall in nationalstaatliche Egoismen" vor.

"Alle Fortschritte in Europa werden gefährdet", warnte der FDP-Europaabgeordnete Alexander Alvaro. Am Sonntag findet in Paris die erste Runde der Präsidentschaftswahl statt, und die Begrenzung der Zuwanderung ist eines der Kernthemen für den bedrängten Amtsinhaber Nicolas Sarkozy.

"Dieses Art von Wahlkampfhilfe finde ich alles andere als gut", sagte auch der Vorsitzende der FDP-Gruppe im Europaparlament, Alexander Graf Lambsdorff, Spiegel Online.

"Bundesinnenminister Friedrich und sein französischer Kollege legen aus durchsichtigen Gründen die Axt an eine der wichtigsten Errungenschaften des europäischen Einheitsprozesses - die Reisefreiheit. Der populistische Vorschlag, zur Abwehr von illegaler Einwanderung die Grenzen in Europa wieder schließen zu können, ist nichts weiter als Stimmungsmache im französischen Präsidentschaftswahlkampf für Sarkozy", sagte die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Christine Lambrecht Welt Online.

"Das ist eine Unterstützung Sarkozys bei seinem Versuch, vor der Wahl am rechten Rand zu fischen, zu Lasten Europas." Vielmehr müssten die wahren Probleme beseitigt werden, sagte Lambsdorff, Spiegel Online. "Und die liegen in den Außengrenzen, in Griechenland, auf der Insel Lampedusa, in Italien."

Auch Martin Schulz (SPD), neuer Präsident des Europaparlaments, kritisierte den Vorgang auf Spiegel Online scharf. Er sprach von einem "durchsichtigen Wahlkampfmanöver", wofür allein schon der Umstand spreche, dass der Brief fünf Tage vor dem ersten Urnengang in Frankreich geschrieben worden sei.

Deutschland und Frankreich wollen ihre Binnengrenzen wieder dichtmachen können, wenn ein Schengen-Staat seine Außengrenzen nicht ausreichend sichert.

Die Möglichkeit zum Stopp der Reisefreiheit fordern Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und sein französischer Kollege Claude Guéant in einem gemeinsamen Brief an die dänische EU-Ratspräsidentschaft, wie ein Sprecher in Brüssel am Freitag auf Nachfrage bestätigte.

Der Vorstoß geht weit über den Vorschlag zur Schengenreform der EU-Kommission hinaus, über den seit einem Jahr gestritten wird.

EU will als letzte Instanz entscheiden

Derzeit ist es den 25 Mitgliedsländern erlaubt, bei terroristischen Bedrohungen oder Großereignissen wie Fußballweltmeisterschaften oder G-8-Gipfeln die Schlagbäume für fünf Tage wieder herunterzulassen. Das Brüssel dabei künftig mitentscheiden wolle, sei "nicht verhandelbar", heißt es in dem Brief.

Konkret forderten die Innenminister in dem Schreiben vom 17. April, nationale Regierungen sollten "die Möglichkeit einer auf 30 Tage befristeten Wiedereinführung der Binnen-Grenzkontrollen haben". Ob die Voraussetzungen dafür vorliegen, sollten die nationalen Regierungen selbst bestimmen.

Dieses Entscheidungsrecht ist ein Knackpunkt in der bisherigen Debatte. Gegen Widerstand aus den EU-Staaten will die Europäische Kommission künftig als letzte Instanz über die Wiedereinführung von Grenzkontrollen entscheiden. Bereits in der Vergangenheit hatten unter anderem Deutschland, Frankreich und Spanien auf die nationale Souveränität in dieser Frage gepocht.

Die Kommission lehnt eine Stellungnahme bisher ab

Die Kommission selbst lehnte am Freitag eine Stellungnahme zunächst ab. Friedrich und Guéant wollen das Thema auf dem Innenministerrat am Donnerstag ansprechen, eine substanzielle Debatte werde es aber erst im Juni geben, sagte ein Sprecher der dänischen Ratspräsidentschaft.

Im Juni hat Frankreich womöglich einen neuen Präsidenten. Der Sozialist Francois Hollande ist haushoher Favorit und weniger an einer Abschottung interessiert als der konservative Amtsinhaber Sarkozy.

Nach dem 1985 ins Leben gerufenen Schengen-Abkommen werden heute in 25 Ländern Europas die Grenzen - außer in Ausnahmefällen - nicht mehr kontrolliert.

Im Vorjahr hatte Frankreich vorübergehend seine Grenze zu Italien kontrolliert, um Flüchtlinge aus Nordafrika an der Einreise zu hindern. Als Dänemark im vergangenen Sommer kurzzeitig die Grenzen nach Deutschland und Schweden kontrollierte, war dies noch auf Protest der Bundesregierung gestoßen.

dapd/WON/pku