Es ist ein Krimi, wie er in den Studios von Hollywood nicht besser hätte entworfen werden können: Der US-Präsidentschaftswahlkampf 2012. Von »Hookergate« ist jetzt die Rede, nachdem ein Prostituiertenskandal in Kolumbien das Innerste des US-Geheimdienstes Secret Service erschütterte. Viele Fragen gibt es zu klären: Was hat der israelische Geheimdienst Mossad damit zu tun, welche Rolle spielen der israelische Premier Netanjahu und der republikanische Präsidentschaftskandidat Mitt Romney? Ein halbes Jahr vor den Wahlen zum Weißen Haus geht es in den Vereinigten Staaten hoch her.
Amerikanische Flagge
© Unbekannt
Zwei Aspekte sind jetzt wichtig: Zum einen gewinnt der republikanische US-Politiker Mitt Romney deutlich an Stärke: Er erscheint nicht nur als der Spitzenreiter seiner Partei bei den Vorwahlen, sondern er ist der wahrscheinliche Kandidat der Republikaner bei den Präsidentschaftswahlen im November 2012. Andererseits gab es vor Kurzem plötzlich einen Skandal um den Secret Service. Das ist der amerikanische Geheimdienst, dessen Aufgabe es ist, den Präsidenten höchstpersönlich zu schützen. Hintergründe:

In der New York Times lasen die Amerikaner am 7. April 2012 einen Artikel mit dem folgenden Titel: »Eine Freundschaft von 1976 findet im Jahr 2012 ihren Ringschluss«. Es geht um die Freundschaft zwischen Mitt Romney und dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu. Laut diesem Artikel arbeiteten die beiden schon im Jahr 1976 zusammen, und zwar in der Firma The Boston Consulting Group, BCG. Die beiden Mitarbeiter Netanjahu und Romney waren Kollegen, später Verbündete und Freunde.

Netanjahu und Romney haben sich im Laufe der zurückliegenden Jahrzehnte gegenseitig beraten. Netanjahu war Berater für Romney in der Politik. Romney wiederum war Berater für Netanjahu in Wirtschaftsfragen, besonders in der Frage der wirtschaftlichen Kriegsführung gegen den Iran. Beide Politiker sind erzreaktionär, Romney bewundert die »Weisheit« von Netanjahu.

Es geschieht nur selten in der neueren Politik, dass zwei Politiker aus verschiedenen Ländern derartig übereinstimmen und sich so gut verstehen. Romney behauptet, er würde keine bedeutende Entscheidung über die Nahostpolitik ohne vorherige Absprache mit »Bibi« Netanjahu vornehmen. In einer Debatte der Republikaner vor mehreren Monaten sagte Romney, in entscheidenden Fragen würde er »Bibi« stets anrufen und diesen fragen, was er tun solle und was etwa hilfreich oder schädigend sei? Ganz anders als sein republikanischer Kollege Newt Gingrich, der einmal gesagt hatte, die Palästinenser seien ein erfundenes, ein künstliches Volk. Romney hatte diese Aussagen verurteilt.

Beobachter fragen sich schon, ob Romney möglicherweise die gesamte Nahostpolitik als Unterauftrag an Netanjahu erteilen wolle?

Und Benjamin Netanjahu will jetzt etwas für Mitt Romney tun. Netanjahu ist für einen Nahostkrieg, er befürwortet eine baldige Attacke gegen den Iran. Doch was könnte Netanjahu für seinen Freund Romney überhaupt tun, um die Ausgangssituation des republikanischen Kandidaten zu verbessern? Natürlich gibt es eine Fraktion im Mossad, dem israelischen Geheimdienst, die für Netanjahu eintritt und ihn unterstützen könnte. Der Mossad ist nicht allmächtig, aber sicherlich kann er eine ganze Menge initiieren und erreichen, vor allem in bestimmten Krisengebieten und Weltteilen, zum Beispiel in Lateinamerika. Ist es möglich, dass Netanjahus Freunde in den israelischen Geheimdiensten etwas gegen US-Präsident Barack Obama und für den republikanischen Kandidaten Mitt Romney tun wollen?

Dazu kommen noch die Spannungen, gemeint ist der Zwist zwischen Obama und Netanjahu. Angelegenheiten, die die Weltöffentlichkeit erst kürzlich erfahren hat, lassen aufhorchen: In Cartagena in Kolumbien haben im April zwei Dutzend US-Funktionäre und Beamte aus dem Secret Service, aus dem Militär und sogar aus dem Weißen Haus, aus der White House Communications Agency, WHCA, ihre Zeit mit Prostituierten verbracht, unter reichlichem Whisky-Einfluss, wie bekannt wurde. Die Angelegenheit hat sich inzwischen zu einem Riesenskandal entwickelt.

Hier stellt sich natürlich die Frage, ob es sich um einen Ausnahmefall handelt oder ob dieser Vorgang zur gängigen Praxis gehört? Die Antwort: Der Secret Service soll seit Langem für solche Vorkommnisse bekannt sein. Damit haben wir ein »Hookergate«. Die Quelle für diese Skandalinformationen heißt Ron Kessler. Er ist US-Journalist und Autor, und er hatte am Freitag, den 13. April 2012 von besagtem Skandal erfahren. Daraufhin informierte er seine Freunde bei der Washington Post, und schon einen Tag später, am Samstag, den 14. April 2012, stand der Eklat in allen Einzelheiten bereits in der Zeitung.

Das dürfte ein schlechtes Zeichen für US-Präsident Obama sein. Es könnte bedeuten, dass die herrschende »Elite«, die eigentliche Oligarchie der USA, sich gegen ihn wendet. Doch das kann man nicht zu hundert Prozent genau sagen. Kessler schreibt auch für Newsmax.com. Hauptaktionär von Newsmax ist der Milliardär und Medienunternehmer Richard Mellon Scaife. Er hatte schon 1998 eine Schlüsselrolle im Fall des damaligen Präsidenten Clinton eingenommen, dem eine Affäre mit seiner Praktikantin Monica Lewinsky nachgesagt wurde.

Sollte auch der Mossad hier eine Rolle spielen? Das zumindest behauptet Wayne Madsen, Journalist, Autor und ehemaliger Mitarbeiter beim militärischen Geheimdienst National Security Agency, NSA. Madsen behauptet, der Mossad habe seine Finger im Spiel, weil dessen Mitarbeiter aufgrund des Drogenhandels, in den sie verwickelt sein sollen, in Kolumbien umfangreich vertreten sind.

Es lohnt sich außerdem ein Blick auf die kolumbianische Regierung: Normalerweise müsste diese als Marionettenstaat der USA, also aufgrund ihrer »treuen«, engen Verflechtungen zu den USA, eher dafür sorgen, dass die Machenschaften des Secret Service streng geheim gehalten werden. Dieses Mal war das allerdings nicht der Fall. Warum?

Es gab am Vorabend des Amerika-Gipfels vom 14. April 2012 in Cartagena/ Kolumbien, ziemlichen Ärger zwischen den USA und Kolumbien. Dabei ging es um die Einladung an Raúl Castro, den starken Mann aus Kuba. Die USA waren strikt dagegen, sie hatten diese Einladung schließlich blockiert. Der kolumbianische Präsident Juan Manuel Santos wollte sich jedoch dadurch profilieren, dass er Raúl Castro als Gast einlud. Der Zwischenfall und die arrogante Haltung von US-Außenministerin Hillary Clinton haben Santos so verärgert, dass er eigentlich nicht mehr mitmachen wollte und wütend gesagt haben soll: Sollen doch die Gringos dafür sorgen, dass die US-Secret-Service-Leute aus der Affäre herauskommen, ich rühre dafür keinen Finger mehr.

Am Ende der Analyse haben wir also zwei Hypothesen:

Es könnte sein, dass die gesamte Prostituiertenaffäre ein gewolltes Eigentor des Secret Service darstellt. Die Erklärung dafür liefert eventuell der ehemalige CIA-Analyst Larry Johnson. Dieser sagt, Secret-Service-Agenten seien Geheimnisträger. Die Geheimnisse, die sie tragen, seien in diesem Fall Geheimnisse des Obama-Haushalts. Die Agenten hätten den Präsidenten, die First Lady und alle, die dazugehören, praktisch drei Jahre lang beobachtet. Sie wüssten alles und könnten eine ganze Menge erzählen. Wenn einige jetzt jedoch gefeuert würden und rausflögen, und das ist ja bereits der Fall, so würden diese Mitarbeiter natürlich stocksauer, denn sie könnten ihre Karriere abhaken. Es wäre durchaus möglich, dass solche verbitterten Individuen sich sogleich an die Medien wendeten und Dinge ausplauderten, die die Wiederwahl Barack Obamas ernsthaft in Gefahr bringen könnten.

Die andere Hypothese lautet, dass die Israelis dem republikanischen Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney einen Gefallen tun wollten, indem sie dazu beitrugen, dass der Prostituiertenskandal bekannt wurde.

Der Secret Service ist ein nicht zuverlässiger Geheimdienst. US-Präsident John F. Kennedy wurde 1963 ermordet, US-Präsident Gerald Ford geriet zweimal unter Beschuss, US-Präsident Ronald Reagan wurde bei einem Attentat 1981 verwundet. Das ist nicht gerade eine Serie glanzvoller Erfolge. Der Secret Service ist heute nicht mehr eingegliedert im Staatsministerium, sondern in das Ministerium für Heimatschutz. Die sehr umstrittene Heimatschutzministerin ist Janet Napolitano.

Was den erwähnten Amerika-Gipfel in Cartagena im April 2012 angeht, so geriet dieser zu einem Fiasko, er scheiterte. Am Ende gab es kein Kommuniqué, keine gemeinsame Erklärung, und es ist nicht einmal sicher, ob ein solcher Gipfel in Zukunft je noch einmal stattfinden wird, und zwar wegen des Widerstands der lateinamerikanischen Länder gegen die arroganten Methoden des State Departement.

Die Frage, die sich jetzt mit Blick auf den Präsidentschaftswahlkampf stellt, lautet: Hat Barack Obama eigentlich Geheimdienstleute um sich herum, die kompetent und loyal sind und die ihn schützen werden? Das wird sich vielleicht schon in nächster Zukunft herausstellen. Bis dahin allerdings bleibt diese Frage völlig offen.

Das Video zum Thema sehen Sie hier.