Die meisten Eltern sind ängstlich bis sehr ängstlich, wenn es um die Sicherheit der Kinder geht

Vielen Eltern treibt die Angst, ihren Kindern könne etwas schlimmes passieren. Die Kleinen müssen einen Fahrradhelm tragen, die Tische werden mit einem Kantenschutz versehen und die Pflicht zum Anschnallen ist allgegenwärtig. Viele Eltern vergessen anscheinend dabei ihre eigene Kindheit. Obwohl es vor zwanzig bis dreißig Jahren wesentlich weniger Sicherheitsbestimmungen gab, haben sie trotzdem die Kindheit meist gut und ohne größere Zwischenfälle überlebt.

Mehrheit der Eltern ängstlich

Laut einer gemeinsamen Umfrage der Zeitschrift Eltern sowie des Versicherers „Allianz“ bezeichnet sich eine Mehrheit der Eltern in Deutschland (51 Prozent) als „eher ängstlich bis sehr ängstlich“. 49 Prozent der Befragten sehen es etwas pragmatischer und sagen von sich, „eher nicht oder überhaupt nicht ängstlich“ in Sachen Kindersorge zu sein. 52 Prozent der Eltern gaben an, auch bei 38,2 Grad Celsius Fieber mit ihrem Kind zum Arzt zugehen, auch wenn weitere Beschwerden wie Husten oder Bauchschmerzen überhaupt nicht vorhanden seien.

Die Chefredakteurin des Magazins Eltern Marie-Luise Lewicki erläuterte den Sinn der Studie: "Wir haben uns gefragt, wie wir eigentlich unsere eigene Kindheit überleben konnten, ohne Fahrradhelm, Kantenschutz und Anschnallpflicht". Viele Kinderärzte berichten, dass heute zahlreiche Eltern mit ihren Kinder wegen weniger ausgeprägten Symptomen bereits eine Konsultation einfordern. Wegen vieler vermeintlicher Beschwerden hätten zu damaliger Zeit kaum Eltern einen Kindermediziner aufgesucht. Anscheinend ist das Thema „Sicherheit“ heute gesellschaftlich stärker verankert. "Wir haben das Gefühl, dass Eltern heute ein höheres Sicherheitsbedürfnis haben“, sagt die Redakteurin.

Für die Durchführung der Studie wurde die „Gesellschaft für innovative Marktforschung“ beauftragt, an der rund 1000 Eltern unterschiedlichen Alters teilnahmen, deren Kinder allerdings nicht älter als vier Jahre alt waren. Die meisten Eltern sagen, sie haben Angst davor, ihren Kindern könnte etwas schlimmes wie eine Krankheit oder Unfall passieren.

72 Prozent der Umfrageteilnehmer gaben demnach an, sie hätten Angst, ihre Kinder würden sterben. 67 Prozent sorgen sich, dass sich ein schwerer Unfall ereigne. 50 Prozent sagten, sie haben „eher oder viel Angst“ davor, dass ihre Kleinen eine schwere Krankheit oder eine Behinderung ereile.

Entsprechend viele Eltern gehen ihrer Sorge aktiv nach und versuchen ihre Kinder vor den Alltagsgefahren zu schützen. Dabei werden eine Reihe von Sicherheitsutensilien verwendet, um Unfälle zu verhindern. 94 Prozent der Eltern schützen elektrische Steckdosen mit einer Schutzvorrichtung. Fast ebenso viele (93 Prozent) vertreten die Meinung, Kinder müssen auf dem Laufrad oder Rad einen Helm tragen. 75 Prozent der Eltern sichern Schubladen mit Scheren und Messern.

An der Bewältung von Negativ-Erlebnissen wachsen

Pädagogen und Entwicklungspsychologen sehen das übermäßige Sicherheitsbedürfnis der Eltern etwas kritischer. „Ohne die Erfahrung auch schmerzvoll zu stürzen, können Kinder nicht lernen Gefahren richtig einzuschätzen“, sagte Gritli Bertram, Sozialpädagogin aus Hannover. "Wir müssen unseren Kindern auch negative Erfahrungen zugestehen. An der Bewältigung solcher Erfahrungen wachsen sie", sagt auch Dr. Michael Schulte-Markwort von der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf. "Wenn ein Kind dagegen von klein auf lernt, dass überall Gefahren lauern, nimmt es die Welt in erster Linie als Bedrohung wahr und nicht mehr als spannenden Erfahrungsraum“, betont der Psychiater. Zwar sollten Kinder auch auf die Gefahren hingewiesen werden wie die Pädagogin erklärte, aber „Selbsterfahrungen haben in der Regel mehr kognitiven Wert“.

Sind Eltern heute ängstlicher?

Die Studie vermittelt zwar den Eindruck, Eltern seien heute viel ängstlicher als zu früheren Zeiten. Allerdings können die Ergebnisse nicht mit älteren Daten verglichen werden, weil es schlicht und ergreifend keine Vergleichsdaten existieren. Daher bleibe die Frage, ob Eltern heutzutage ängstlicher sind, weiterhin unbeantwortet, wie die Eltern-Redakteurin sagte.

sb