Bild
© Berit Roald/AFPDer Mann, der sich selbst in Brand setzte, wird ins Krankenhaus abtransportiert.
Dramatischer Zwischenfall am Rande des Prozesses gegen Anders Behring Breivik: Ein Mann hat sich vor dem Gericht angezündet und ist brennend auf das Gebäude zugelaufen. Drin brachten die Zeugen die Zuhörer mitunter zum Lachen.

Am Rande des Breivik-Prozesses in Oslo hat sich ein Mann angezündet und brennend versucht, in das Gerichtsgebäude einzudringen. Der Unbekannte sei mit schweren Verbrennungen an Rücken und Bauch ins Ulleval-Krankenhaus gebracht worden, teilte die norwegische Polizei am Dienstag mit.

Der Mann hatte sich bereits geraume Zeit vor den Absperrungen am Gericht aufgehalten, als er sich gegen 13.45 Uhr zwei Flaschen Flüssigkeit über den Pullover schüttete, sich anzündete und versuchte, durch die Absperrung zu gelangen. Polizisten und Sanitäter löschten das Feuer schnell mit Jacken und Wasser.

Keinen direkten Zusammenhang zum Prozess

Laut Augenzeugen soll er gerufen haben: "Erschießt mich, tötet mich." Andere wollen laut der norwegischen Zeitung Verdens Gang gehört haben, wie er gerufen hat: "Es tut so weh".

Laut Staatsanwältin Inga Bejer Engh hat die Aktion keinen direkten Zusammenhang mit dem Verfahren gegen Breivik. Die Polizei teilte mit, dass das Motiv des Mannes bislang unklar ist. Sie geht von einem Einzeltäter aus. Es soll sich um einen Norweger mit Migrationshintergrund handeln, der der Polizei bekannt ist. Laut der Internetseite der Zeitung Aftenposten war er kurz vor dem Zwischenfall bei einer Anwältin gewesen und habe dort mehrere Papiere hinterlassen - "für den Fall, dass ihm etwas zustoßen sollte". In dem Papierstapel soll sich ein abgelehnter Antrag für Sozialhilfe befunden haben.

Gelächter im Gerichtssaal

Im Gerichtssaal 250 sagten erneut mehrere Nachwuchspolitiker aus, die auf Utøya durch Breiviks Kugeln verletzt wurden. Erstaunlichweise wurde am 19. Prozesstag gelacht. Auch wenn die Schilderungen von Ina Rangønes Libak alles andere als spaßig waren.

Die 22-Jährige stand im Cafégebäude und wusch ab, als Breivik über die Insel zog. Zusammen mit anderen Jugendlichen rückte sie das Klavier von der Wand und hockte sich dahinter. "Ich dachte das sei ein Schulmassaker", sagt Ina im Zeugenstand laut des Wortprotokolls der norwegischen Zeitung Verdens Gang aus. Vier Mal wurde Ina getroffen, ein Streifschuss erwischte sie im Gesicht. Ina zeigt auf die Narben an den Armen, am Kiefer und im Gesicht. "Den hier sieht man ja ganz gut", kommentiert sie den Streifschuss im Gesicht. "Nein, der ist schwer zu erkennen", sagt Staatsanwalt Svein Holden. "Ich schminke das mittlerweile ziemlich gut über", antwortet Ina und grinst. Die Zuhörer im Saal lachen.

Ina kann sich an alle Schüsse erinnern, ist sich aber nicht mehr sicher, in welcher Reihenfolge. "Das kann man überleben", dachte sie, als sie in die Arme geschossen wurde. Dann traf eine Kugel sie im Kiefer. "Das ist gefährlicher", waren Inas Gedanken. "Das war ein Geschmack, den ich nicht kannte, sicherlich von der Kugel. Ich hatte viel Blut im Mund", berichtet Ina im Gericht. Beim Schuss in die Brust dachte sie: "Davon stirbt man."

"Davon stirbt man"

Breivik sah sie nicht. Sie dachte, dass der Attentäter von außen in das Gebäude schoss. Dabei hatte sich Breivik über das Klavier gebeugt und abgedrückt. "Nachdem ich getroffen wurde, habe ich die Hände vors Gesicht geschlagen." Und so blieb sie sitzen. "Ich kann mich nicht an die Toten erinnern, nur daran, wie sie kurz vorher aussahen." Sieben junge Menschen wurden allein in dem Raum, in dem Ina sich aufhielt, erschossen. Eine direkt neben ihr.

Diese Erlebnisse versucht Ina auszublenden. Detailliert und geradezu lebhaft erzählt die junge Frau von ihrer Flucht aus dem Gebäude, wie ihre Freunde sie zum Wasser schleppten, ihr mit Kleidung und Steinen die blutenden Wunden abbanden, sich mit ihr versteckten bis Breivik festgenommen war. Ina wurde per Boot von der Insel gebracht. "Meine Freunde haben versucht, mich zum Ufer zu tragen, aber sie sind ständig gestolpert, weil so viele Leiche im Weg lagen." Während des Massakers habe sie gedacht, dass sie sterben wird. Aber da ihre Freunde bei ihr waren, dachte sie: "So schlimm ist es gar nicht zu sterben."

"Ich finde es erstaunlich, wie klar sich diese Zeugen erinnern können", meinte Staatsanwältin Inga Bejer Engh. Sie sei persönlich stark beeindruckt. Versteinert und offenbar unbeeindruckt folgte Breivik den Leidens- und Überlebensgeschichten der jungen Leute aus dem sozialdemokratischen Sommerlager. Ina Rangønes Libak schloss ihre Aussage mit einer Erinnerung an "all die fantastischen, positiven, starken Menschen, die wir für immer verloren haben".

mit Agenturen