Der letzte Versuch einer Regierungsbildung in Griechenland ist gescheitert. Jetzt müssen die Griechen erneut wählen. Nach Umfragen werden die Euro-Gegner profitieren. Der Austritt aus dem Euro wird wahrscheinlicher.
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© Aris Messinis/AFP/Getty Images
Athen - Die Bemühungen um eine Regierungsbildung im krisengeschüttelten Griechenland sind gescheitert. „Es wird Neuwahlen geben“, kündigte ein Sprecher von Staatspräsident Karolos Papoulias an. Die Gespräche mit den Parteichefs über die Bildung einer Expertenregierung seien gescheitert. Bis dahin wird eine Übergangsregierung die Geschäfte führen, die von einem Präsidenten eines der drei obersten Gerichte geführt werde. Papoulias lud die Parteichefs nun für Mittwochvormittag zu Beratungen über die Übergangsregierung ein, die das Land bis zu den Wahlen im Juni führen würde.

Kurz nach Bekanntwerden der Nachricht stürzte der Leitindex der griechischen Börse auf 564 Punkte ab - der niedrigsten Stand seit fast 20 Jahren. Auch andere Börsen gerieten in Mitleidenschaft. Die Finanzkrise des Landes könnte sich nun dramatisch verschärfen - bis hin zu einem Zahlungsausfall. Griechenlands Solvenz hängt jetzt mehr denn je von den internationalen Geldgebern ab.

Politiker in Deutschland reagierten parteiübergreifend mit Sorge auf das Scheitern der Regierungsbildung in Griechenland reagiert. „Für das dringend notwendige Vertrauen in die Reformbereitschaft Griechenlands ist das ein herber Rückschlag“, erklärte Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP). Er sehe das Scheitern der Bemühungen um die Bildung einer Regierung „mit größter Sorge“. Der Außenminister forderte das Land auf, die geplanten Reformen umzusetzen, zu denen es „keine Alternative“ gebe.

Härtere Töne kamen aus der CSU. Der CSU-Finanzpolitiker Hans Michelbach zeigte sich "maßlos enttäuscht" über das Scheitern der Regierungsbildung. Den Griechen müsse nun ein "deutliches Zeichen gegeben werden, dass die Geduld der Partner zu Ende ist" und weiter Hilfen dürften nur im äußersten Notfall überwiesen werden. Auch Grünen-Chef Cem Özdemir äußerte sich besorgt über die Lage in Griechenland. Die anstehenden Neuwahlen seien eine „Volksabstimmung über Griechenlands Zukunft“, erklärte er. Es stehe zu befürchten, dass mancher Wähler den Radikalen seine Stimme gibt.

Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, warnte, ein Euro-Austritt der Griechen könnte "ziemlich chaotisch" werden. "Das hat Folgen für das Wachstum, das hat Folgen für den Handel, und das hat Folgen für die Finanzmärkte", sagte sie dem TV-Sender France 24. Daher sei es wichtig, sich darauf "technisch" vorzubereiten - auch wenn ein Abschied Griechenlands aus dem Währungsraum nicht wünschenswert sei. Lagarde betonte in diesem Zusammenhang, dass die Europäische Zentralbank (EZB) noch Spielraum habe, um die Zinsschraube zu lockern.

„Arroganz, engstirnige Parteiinteressen und Glücksrittertum“

Staatspräsident Papoulias hatte am Montag als letzten Ausweg zur Auflösung der politischen Blockade in Athen ein Kabinett aus Experten nach italienischem Vorbild vorgeschlagen, nachdem die drei größten Parteien innerhalb weniger Tage jeweils damit gescheitert waren, regierungsfähige Mehrheiten zusammenzubekommen. An den Gesprächen im Präsidentenpalast in Athen waren fünf Parteien beteiligt, die Kommunisten lehnten eine Teilnahme ab, die Neonazi-Partei Chryssi Avgi (Goldene Morgenröte) war nicht eingeladen.

Bei den Wahlen vom 6. Mai hatten die beiden griechischen Traditionsparteien, die konservative Nea Dimokratia und die sozialistische Pasok, die grundsätzlich an dem Konsolidierungspakt mit den europäischen Partnern und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) festhalten wollen, schwere Verluste erlitten. Gestärkt gingen aus der Wahl Parteien hervor, die den Sparkurs ablehnen, wie die ultra-nationalistischen Unabhängigen Griechen und das Bündnis der radikalen Linken (Syriza), die mit knapp 17 Prozent zweitstärkste Kraft im neuen Parlament wurde. Sie spielte eine Schlüsselrolle bei den achttägigen Marathon-Verhandlungen um eine Regierungsbildung. Syriza-Chef Alexis Tsipras lehnte jedoch jede Regierungsbeteiligung ab und weigerte sich auch, eine Technokratenregierung zu stützen. Die anderen Parteien wollten gegen das Syriza keine Regierung bilden, die es unter dem Druck der Straße wohl sehr schwer gehabt hätte.

Pasok-Chef Venizelos kritisierte das Linksbündnis Syriza mit scharfen Worten. „Arroganz, engstirnige Parteiinteressen und Glücksrittertum“ hätten die Bemühungen um eine Regierungsbildung scheitern lassen. Diese Worte richteten sich offenbar an den Syriza-Chef Tsipras, mit dem sich Venizelos nach Berichten aus Teilnehmerkreisen bereits während des Krisentreffens heftige Wortgefechte geliefert hatte. Auch Vertreter anderer Parteien warfen Tsipras vor, er habe offensichtlich von Anfang an auf Neuwahlen hingearbeitet.

Er hofft, aus einer weiteren Abstimmung gestärkt hervorzugehen. Meinungsumfragen sehen seine Partei bereits als stärkste politische Kraft. Damit wäre wohl ein Ende des Sparkurses besiegelt - mit ungewissen Konsequenzen für Griechenlands Mitgliedschaft in der Währungsunion und der EU. Der Chef der ultra-nationalistischen Partei Unabhängige Griechen, Panos Kammenos, erklärte, die Griechen müssten bei der bevorstehenden Wahl „zwischen der Politik von Angela Merkel und einem freien Griechenland“ wählen.

Papoulias: Gefahr einer Staatspleite ist real

In eindringlichen Worten hatte Staatspräsident Papoulias in den Krisentreffen der vergangenen Tage die Parteiführer an ihre Verantwortung erinnert. Die Differenzen der Parteien seien „klein und unbedeutend im Vergleich zu dem, was wir dem Land schulden“. Er habe sich in Gesprächen mit Ministerpräsident Lucas Papademos, dem Zentralbankchef und dem Finanzminister über die Lage unterrichten lassen, sagte Papoulias und warnte vor einem „Monat der Tragödie“, der dem Land drohe, wenn sich die Regierungsbildung weiter verzögere. Immer prekärer wird vor allem die Lage der griechischen Banken, weil viele Kunden aus Angst vor einer drohenden Staatspleite und einer Rückkehr zur Drachme ihre Gelder abheben. „Die Gefahr ist real“, sagte Papoulias: wenn sich angesichts der politischen Ungewissheit die Kapitalflucht fortsetze, drohe dem Bankensystem der Zusammenbruch, mahnte der Präsident.

Auch in den Staatskassen herrscht Ebbe, weil die Steuereinnahmen bereits in den Wochen vor der Wahl dramatisch eingebrochen sind. Nach dem Scheitern der Verhandlungen sehen griechische Banker dem heutigen Mittwoch mit Unbehagen entgegen. In der Branche fürchtet man, dass sich nun der Run auf die Einlagen verstärken könnte. Verschärft wird die Lage des Landes dadurch, dass die EU angesichts des politischen Vakuums die Überweisung weiterer Raten der bereits zugesagten Hilfskredite vorerst storniert.

Nach inoffiziellen Informationen hat das Finanzministerium inzwischen einen weitgehenden Zahlungsstopp verhängt. Lieferanten werden bis auf weiteres nicht bezahlt, auch alle Überweisungen an Staatsunternehmen und Behörden wurden eingefroren. Mit dem Ausgabenstopp versucht der Finanzminister sicherzustellen, dass er im Juni wenigstens Gehälter und Renten zahlen kann.


Mit Material von Reuters und afp