Der zurückgetretene Piratenchef hat zugegeben, seinem Landesvorstand gegenüber nicht ehrlich gewesen zu sein. Das sei "unverzeilich".
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Der umstrittene Berliner Piratenchef Hartmut Semken ist zurückgetreten, weil er den Landesvorstand belogen hat. „Das ist unverzeihlich und der Rücktritt die einzig mögliche Konsequenz“, sagte Semken am Mittwoch. Nach Darstellung des Landesvorstands hat der 45-Jährige „in Bezug auf den Zeitpunkt des Versendens und den Inhalt einer E-Mail an den Spiegel-Redakteur Sven Becker die Unwahrheit gesagt“. Semken tritt nach nur drei Monaten im Amt ab.

Der 45-Jährige galt in der Berliner Piratenpartei schon länger als angezählt. In seiner kurzen Amtszeit hatte er mehrfach - vor allem mit Äußerungen zum Nationalsozialismus und Linksextremismus - für heftige Schlagzeilen gesorgt.

Nach Angaben des Landesvorstands hatte Semken dem Journalisten Becker unerlaubt während einer geheimen Vorstandssitzung eine E-Mail geschrieben. Später habe er behauptet, die Mail erst nach der Sitzung verschickt zu haben. Der Journalist habe die Lüge aufgedeckt.

Nicht zum Rücktritt gedrängt

Semken habe die Partei mit seinem Schritt völlig überrascht, sagte Sprecher Ben de Biel. „Das war nicht zwingend notwendig“, Semken sei auch nicht zum Rücktritt gedrängt worden. „Wir hatten Hartmut bis zuletzt unterstützt, begrüßen aber, dass er die Konsequenzen gezogen hat“, schrieb der Vorstand im Internet. Auch der Piraten-Bundesvorsitzende Bernd Schlömer erklärte, Semken habe mit dem Rücktritt die richtigen Schlüsse gezogen. „Ich hoffe, dass dieser mutige Schritt für Ruhe im Berliner Landesverband sorgen wird.“

Bei einem Treffen des Landesvorstands mit mehreren Mitgliedern zeichnete sich am Mittwochabend ab, dass ein neuer Vorsitzender erst auf einem Parteitag im September gewählt werden könnte. Bis dahin wollen die vier verbleibenden Vorstandsmitglieder die Arbeit übernehmen. Einen offiziellen Beschluss könne der Vorstand aber erst an diesem Sonntag treffen. Vom derzeitigen Führungsquartett erklärte sich einzig Schatzmeister Enno Park zur Kandidatur für den Vorsitz bereit.

Semken hatte zuletzt unter anderem gefordert, Mitglieder mit rechtsextremistischem Gedankengut dürften nicht einfach aus der Partei ausgeschlossen werden und damit parteiintern heftigen Protest ausgelöst. Später hatte Semken sich selbst als Linksextremisten bezeichnet. Daraufhin gab es Rücktrittsforderungen, die aber später zurückgenommen wurden. „Ich habe Mist gebaut, aber ich bleibe und stehe das durch“, hatte Semken gesagt. Der Streit schien beigelegt.

In der geheimen Sitzung hätten seine Vorstandskollegen Semken nahegelegt, nicht mehr mit persönlich gefärbten Aussagen in der Presse aufzutreten, berichtete Spiegel online. Durch die Mail mit dem Wortlaut „Der König ist nicht tot. Und weigert sich weiterhin, zurückzutreten“ hätten sie sich in ihrem Vertrauen betrogen gefühlt. Mit den Worten „Ich bin politisch tot, unhaltbar, raus“ sei der Berliner Landeschef um 3 Uhr nachts zurückgetreten.

Viele in der Partei hatte Semken mit diesem Schritt überrumpelt. Fraktionschef Andreas Baum schrieb auf Twitter, er sei in „Pöbellaune“.
#pöbellaune

- Andreas Baum (@rka) Mai 16, 2012
der Pressesprecher würde sich sehr freuen, wenn der Vorstand ihn auf dem Laufenden halten würde...

- ben de biel (@ben_de_biel) Mai 16, 2012
Das schöne ist ja, dass die @Piratenberlin keinen Vorsitzenden brauchen um zu arbeiten. Von Krise keine Spur.

- Martin Delius (@martindelius) Mai 16, 2012
@hase_berlin hätte man das nicht auch anders lösen können ??

- Deuterium (@RealDeuterium) Mai 16, 2012
Ich bin wach, habe Kopfschmerzen und übel ist mir auch. Irgendwas passiert seit 20:30 Uhr gestern ;-) ?

- Heiko Herberg (@heikoherberg) Mai 16, 2012
und, wer @hase_berlin bashen will, der soll selbst erst mal veratwortung und shitstorm kennen lernen. #feiglinge #lushen #steinigung

- Alexander Morlang (@alx42) Mai 16, 2012
@alx42 bei allem Verständnis, so kommuniziert man diese Entscheidung nicht. Das zu kritisieren, ist kein Bashing, so viel zu #Verantwortung

- Monika Belz (@Loreena1968) Mai 16, 2012
+1 “@alx42: wer @hase_berlin bashen will, der soll selbst erst mal veratwortung und shitstorm kennen lernen. #feiglinge #lushen #steinigung

- Oliver Höfinghoff (@UrbanP1rate) Mai 16, 2012
Well today sucks.

- Marina Weisband (@Afelia) Mai 16, 2012
Andere kommentierten schlicht mit „Endlich!!!“. Doch Semken hat auch Fürsprecher, die dem Vorstand vorwarfen, ihren Chef wenig solidarisch in die Ecke gedrängt und zerstört zu haben.

Und Semken reagierte mit einem letzten Tweet so, denn er verordnete sich selbst eine Twitter-Diät, möchte "mindestens einen Monat" offline gehen.
Also weils so schön war und alle bashen wollen: tut es. Haut es raus, Fühlt Euch dann besser. So muss das sein, bei Piraten, richtig?

- Hartmut Semken (@hase_berlin) Mai 16, 2012
dpa/sei