Zwei von drei Pressesprechern der Piraten sind binnen weniger Stunden enttäuscht zurückgetreten. Die Gründe: Spannungen mit der Parteispitze und ein Arbeitspensum an der Belastungsgrenze. Die engagierten Neu-Politiker leiden unter ihrem eigenen Erfolg - und den Amateur-Strukturen der Partei.
Christopher Lang, piratenpartei
© dapdChristopher Lang
Berlin/Hamburg - Binnen zwei Stunden verlor die Partei zwei Drittel ihres Pressestabs. Um 8.59 Uhr stellte Christopher Lang einen Eintrag ins Wiki der Piratenpartei: Er höre auf, kündigte der Bundespressesprecher an, er sei "müde, ausgepowert, erschöpft".

Um 10.52 Uhr schickte sein Stellvertreter Aleks Lessmann eine E-Mail - und kritisierte die aktuelle Pressearbeit der Piraten. "Unter der Umstrukturierung des Bundesvorstands" sei von der "bisherigen effektiven Arbeitsweise" nur wenig geblieben. Auch er tritt ab.

Die Begründungen sind symptomatisch für die Wachstumsschmerzen der Piratenpartei. Es geht um persönliche Erschöpfung, Konflikte untereinander. Zuletzt gab es Verstimmungen auf beiden Seiten. Bei den Presseleuten Lang und Lessmann, aber auch beim Bundesvorstand mit der Pressearbeit. Es ging auch um Persönliches, aber vor allem um Zeit und Geld, um Kritik und Respekt. Die Piraten müssen in diesen Wochen Dauerstress unter Amateur-Bedingungen aushalten.

Der Verlust eines Großteils des Pressestabs steht für die Wachstumsschmerzen der jungen Partei: Die Piraten ringen seit Beginn ihrer Erfolgswelle mit dem Aufbau professioneller Strukturen. Mehr als 30.000 Mitglieder zählt die Partei mittlerweile, sie ist in vier Länderparlamenten vertreten.

Demgegenüber steht das hartnäckig verteidigte Ehrenamtsprinzip der Führungsebene: Die meisten Vorstandsmitglieder erledigen ihren Piratenjob neben ihrem regulären Beruf, bekommen sporadisch Spesen-Zuschüsse. Dazu leistet man sich einige wenige professionelle und sehr gering bezahlte Mitarbeiter.

Die eisern verteidigte Nebenbei-Arbeitsweise stößt immer häufiger an ihre Grenzen. Ein Jahr vor dem Bundestagswahlkampf ist der Bundesvorstand nun zu dem Schluss gekommen, dass man die Öffentlichkeitsarbeit der Partei umbauen muss, sowohl personell als auch strukturell.

Persönliche Spannungen, Krisentelefonate

Das Ende April neu gewählte Vorstandsgremium hatte sich am vergangenen Wochenende zu einer Klausur in München getroffen, um über die Lage der Partei zu beraten. Mehreren Vorstandsmitgliedern zufolge diskutierten die neun Oberpiraten über die Eignung ihrer Mitglieder im Mitarbeiterstab. Demnach kam es zu einer Art Abstimmung, mit wem man künftig gern zusammenarbeiten würde - und mit wem nicht. Piraten-Chef Bernd Schlömer soll sich Vertrauten zufolge gegen Lang und Lessmann als Mitarbeiter im Presseteam ausgesprochen haben, mehrere Vorstandskollegen zogen nach. Schlömer war auf Anfrage von Spiegel Online zunächst nicht zu erreichen. Aus dem Umfeld des Vorstands wurde diese Darstellung aber bestätigt.

So viel ist in jedem Fall klar: Es gab "persönlichen Spannungen" zwischen Bundesvorstand und Pressestab, von mehreren Krisentelefonaten in den vergangenen Wochen ist die Rede. Lang soll um ein höheres Gehalt gekämpft haben, was von Seiten des Vorstands abgelehnt wurde. Über Lessmann bestand seit geraumer Zeit Unmut, berichten Vertraute, da er seine persönliche Meinung oft nicht von Parteibeschlüssen habe trennen können. Zwischen der im Frühjahr eingestellten Pressesprecherin Anita Möllering und Lessmann soll es häufiger gekracht haben, das Klima wurde als vergiftet beschrieben.

Lang seinerseits sagte zu Spiegel Online: "Die Pressearbeit hat unter der Umstrukturierung des Bundesvorstands gelitten." Es habe Differenzen über die Pressepolitik gegeben. "Zuletzt war die Kommunikation zwischen Bundesvorstand und Presseteam suboptimal."

"Jeder ist an der Belastungsgrenze"

Unabhängig vom Persönlichen erschweren die Umstände des Aufstiegs die Zusammenarbeit. "Jeder im Presseteam ist an der Belastungsgrenze, sie stehen von allen Seiten unter ständigem Beschuss", sagt Johannes Ponader, Politischer Geschäftsführer der Partei.

Die Piraten leiden unter Geldnot, Mitglieder bezahlen keine Beiträge, durch die Reform der Parteienfinanzierung sehen sich die Piraten benachteiligt. "Wenn wir mehr Geld hätten, wäre die Pressestelle das Erste, was wir professionell bezahlen würden", sagt Ponader.

Im März bekam Christopher Lang eine Kollegin zur Seite gestellt: Anita Möllering wurde Bundespressesprecherin, bekommt dafür 800 Euro im Monat. Ein großer Schritt für die Ehrenamtlichen-Partei. Lang firmierte weiter als Bundespressesprecher, mal hieß es, er solle Möllering einarbeiten, andere sagten, er bleibe - jedoch ohne Geld.

"Wenn Hauptamtliche und Ehrenamtliche im gleichen Arbeitsbereich auf Augenhöhe zusammenarbeiten, kann es natürlich zu Spannungen kommen", sagt dazu Ponader. Lang wollte Geld, zwischendurch kam die Idee auf, in den Landesverbänden zu sammeln, doch die Partei ist schlichtweg pleite.

Nun versuchen die Bundespiraten einen Neustart: Am Wochenende soll bei einem nicht öffentlichen Pressekongress die künftige Struktur der Öffentlichkeitsarbeit ausgelotet werden. Im Gespräch ist eine Erweiterung des Stabs auf fünf Pressesprecher. "Es wird normale Ausschreibungen für diese Jobs geben", sagte ein Mitglied des Vorstands. Ein Grundproblem dürfte jedoch bleiben: Angedacht ist, nur Pressesprecherin Möllering zu bezahlen - die anderen Pressepiraten arbeiten ehrenamtlich.