Berlin - Deutschland und Frankreich planen eine weitreichende Rüstungskooperation und wollen langfristig ihre Einkaufsmacht auf dem milliardenschweren Markt bündeln.

Auf der Messe Eurosatory unterzeichneten die Verteidigungsstaatssekretäre beider Länder am Donnerstag in Paris eine Absichtserklärung, die eine enge Abstimmung bei der Konzeption der nächsten Panzer- und Artilleriegenerationen sowie eine Vereinheitlichung laufender europäischer Projekte wie des Kampfhubschraubers Tiger und des Transporthubschraubers NH-90 anstrebt. Die beiden Staaten wollen zudem zusammen mit Großbritannien Möglichkeiten für die Entwicklung einer europäischen Drohne ausloten, an der sich Spanien, Italien und auch andere beteiligen könnten. Bei der Raketenabwehr soll ebenfalls eine Kooperation geprüft werden, wie aus der Reuters vorliegenden Absichtserklärung hervorgeht. Auch hier könnte Italien einsteigen, das bisher zusammen mit Deutschland am auslaufenden Meads-Programm beteiligt ist.

"Das Gesetz der Menge wird künftig fast durchweg gegen uns spielen", sagte der deutsche Verteidigungsstaatsekretär Stephane Beemelmans Reuters. "Die höhere Komplexität der modernen Systeme und die Bestellung kleinerer Mengen durch die einzelnen Staaten fressen das Rationalisierungspotenzial auf." Dies könne man entweder dulden, oder man könne sich mit einem Partner wie Frankreich zusammentun, um gemeinsam auf eine größere Menge zu kommen. Knapp 50 Jahre nach der Unterzeichnung des Elysee-Vertrags solle die neue deutsch-französische Achse eine frische Dynamik in die Rüstungskooperation bringen und die Basis für eine Zusammenarbeit bilden, an die auch andere Staaten andocken könnten.

Wie an anderen Stellen in der Europäischen Union könnten Deutschland und Frankreich auch hier der Motor sein, sagte Beemelmans. Langfristiges Ziel sei, dass beide Länder wie ein Einkäufer auf dem Markt aufträten.

In der Vergangenheit machten sich Deutschland und Frankreich dagegen häufig Konkurrenz, etwa mit den Kampfjets Eurofighter und Rafale, auf dem U-Boot-Markt und bei Fregatten. Auch die Entwicklung einer europäischen Drohne scheitert bisher daran, dass der europäische Konzern EADS einerseits und ein Bündnis aus französischer Dassault und britischer BAE Systems andererseits um das Vorhaben konkurrierten. Geld ist jedoch, wenn überhaupt, nur für eine Drohne vorhanden.

Selbst da, wo es wie beim Kampfhubschrauber Tiger oder dem NH-90 zu europäischen Kooperationen kam, entwickelten sich die nationalen Versionen so stark auseinander, dass sie kaum noch wiederzuerkennen waren. Beemelmans bemängelte: "Damit wurde aus der Serienproduktion eine Manufaktur gemacht." Dies verteuere nicht nur Bau und Entwicklung, sondern es mache auch den Betrieb komplizierter, weil die unterschiedlichsten Ersatzteile vorgehalten werden müssen. Diesen Wildwuchs wollen Deutschland und Frankreich nun stutzen: Die gemeinsam entwickelten Produkte sollen praktisch identisch sein.

Startschuss soll im Januar 2013 fallen

"Wir wollen wieder zu einem einzigen Produkt zurück, bei dem am Ende vielleicht nur die Hoheitsabzeichen und die letzten fünf Prozent der Ausrüstung voneinander abweichen", kündigte Beemelmans an. Dies könne auch Anpassungen laufender Projekte bedeuten. Details nannte der Staatssekretär nicht. In der Truppe wird aber beispielsweise immer wieder kritisiert, dass der Kampfhubschrauber Tiger nur in der Panzerabwehr-Variante des Kalten Krieges beschafft wird, die für den Einsatz in Konflikten wie in Afghanistan wenig geeignet und zu teuer ist. Beemelmans sagte, auch Erprobung und Zulassung sollten angeglichen werden, so dass künftig ein Partnerstaat für alle anderen die militärische Zulassung übernehmen könne.

Auch beim Kauf eines leichten Transporthubschraubers streben Deutschland und Frankreich eine Zusammenarbeit an. Beim Militärtransporter Airbus A400M sollen Möglichkeiten der gemeinsamen Wartung untersucht werden. Die enge Zusammenarbeit bei den Satellitensystemen wollen die beiden Länder intensivieren.

Der EADS-Konzern, der unter anderem den Tiger, den NH-90 und den A400M produziert und ein Drohnenprojekt betreibt, reagierte auf die Absichtserklärung gelassen. "Alles, was deutsch-französische Rüstungskooperation ist, das begrüßen wir", sagte EADS-Sprecher Alexander Reinhardt der Nachrichtenagentur Reuters.

Der CDU-Verteidigungsexperte Bernd Siebert sprach von einem wichtigen Schritt für die europäische Zusammenarbeit. "Wichtig ist jetzt, dass der politischen Absichtserklärung zügig Taten folgen und dabei keiner der Partner übervorteilt wird", sagte er.

Beemelmans erklärte, grundsätzlich würden Deutschland und Frankreich ihre Planungen so ausrichten, dass sie ihre Einkaufsmacht bündeln könnten. Für die Vision einer neuen Panzergeneration beispielsweise bedeute dies, "dass die Heeres-Experten beider Seiten sich zusammensetzen und nachdenken, wie ein Panzer der Zukunft aussehen könnte". Arbeitsgruppen sollen die Kooperationsmöglichkeiten ausloten und einen Zeitplan bis 2030 entwickeln. Erste Ergebnisse sollen noch vor der Sommerpause vorliegen, ein Abschlussbericht bis Dezember stehen. Der Startschuss für die ersten Projekte soll zum 50. Jahrestag der Unterzeichnung der Elysee-Verträge im Januar 2013 fallen.