fatawa, salafisten
© dpaBeamte tragen stapelweise Exemplare der „Fatawa für Frauen“ aus einer Solinger Moschee.
Innenminister Hans-Peter Friedrich zeigt Härte gegen radikalislamische Gruppen. Mit Verboten und bundesweiten Durchsuchungen versuchen die Behörden, die antidemokratische Hetze der Fundamentalisten zu stoppen.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hat sein Vorgehen gegen Salafisten in Deutschland massiv verschärft. Im Rahmen einer großangelegten Razzia in sieben Bundesländern hat das Ministerium einen Salafistenverein aus Solingen verboten und Ermittlungsverfahren gegen zwei Gruppen aus Hessen und Nordrhein-Westfalen eingeleitet.

Friedrich sprach von einer außerordentlich erfolgreichen Aktion. Es seien eine ganze Reihe von Rechnern, Festplatten, Laptops und Mobiltelefonen beschlagnahmt worden. Die Sicherheitsbehörden kündigten weitere Schritte an. Der Staat wolle zeigen, dass er nicht tatenlos zusehen wolle, wie der Salafismus sich hierzulande ausbreite, sagte Friedrich.

Mehr als 850 Polizisten hatten am Donnerstag um sechs Uhr früh 71 Räumlichkeiten in Schleswig-Holstein, Hamburg, Berlin, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Hessen und Bayern durchsucht, darunter auch Moscheen. Die Beamten stießen nicht auf Widerstand. Der Schwerpunkt der Aktion lag in Hessen und Nordrhein-Westfalen.

Ein Mann wurde festgenommen, weil gegen ihn ein britischer Haftbefehl erlassen worden ist. Zugleich wurden mehr als 100 ausländische Internetanbieter schriftlich aufgefordert, Webseiten der Gruppen aus dem Netz zu nehmen.

Im nordrhein-westfälischen Solingen ist die Vereinigung Millatu Ibrahim ansässig. Erst im vergangenen Herbst von dem aus Österreich stammenden Islamisten Mohamed M. sowie dem Berliner Denis C. gegründet, wurde die Gruppe nun mit Wirkung vom 29. Mai 2012 verboten.

Salafisten fordern, sich auf die ursprünglichen Quellen, den Koran und die Sunna, die Überlieferungen des Propheten Muhammads sowie das Islamverständnis seiner Gefährten zurückzubesinnen, die „salaf-as-salih“. Theologische Weiterentwicklungen lehnen die Salafisten ab.

Der Verfassungsschutz unterscheidet zwischen politischem und dschihadistischem Salafismus. Während die politische Strömung sich auf Missionierung beschränkt, glauben die Anhänger des „dschihadistischen“ Salafismus hingegen, ihre Ziele auch mit Gewalt umsetzen zu können.

In letzter Konsequenz fordern die Salafisten die Errichtung eines islamischen Gottesstaates und die Einführung der Scharia, des islamischen Rechts- und Normensystems.

In der 31-seitigen Verbotsverfügung heißt es, Millatu Ibrahim (MI) wende sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung, verstoße gegen den Gedanken der Völkerverständigung und zeige eine aggressiv-kämpferische Grundhaltung. Als Beleg führt das Innenministerium eine Reihe von Videobotschaften und Reden auf, die MI im Internet publiziert hat.

Der Verfassungsschutz hatte bereits seit einigen Wochen vor der Gruppe gewarnt, weil sie besonders radikal agitiere und zum bewaffneten Kampf gegen Demokratie und Grundgesetz aufrufe. Mit dem Verbot wird Millatu Ibrahim aufgelöst und das Vereinsvermögen beschlagnahmt. Der Besitz geht in Staatseigentum über.

Denn das Vereinsrecht bezieht sich nicht allein auf klassische eingetragene Vereine mit Vorstand, Mitgliedslisten und Kassenwarten, sondern ist auch auf „zweckgebundene Personenzusammenschlüsse“ anwendbar, wie es im schönsten Beamtendeutsch heißt, die hierarchisch strukturiert sind.

„Wir werden nicht aufhören“

Der Gründer von MI, Mohamed M., der sich nach seiner Ausweisung aus Deutschland gegenwärtig in Ägypten aufhält, verhöhnte die Beamten im Internet. „Wir werden nicht aufhören“, schrieb er im Netz. Entweder Sieg oder Märtyrertum. „Zwischen uns und Euch herrscht offensichtlich Feindschaft und Hass für immer, bis ihr an Allah glaubt.“ Man könne MI nicht verbieten, „denn Millatu Ibrahim tragen wir in unseren Herzen“. Demokratie sei Dreck und Schmutz, schmutziger als Schweinekot. „Wir lehnen sie ab und bekämpfen sie.“

In Hessen richtete sich das Gros der Aktion gegen das Missionierungsnetzwerk Dawa-FFM, dessen Anhänger vor allem in Frankfurt aktiv sind. Friedrich hat ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Laut Vereinsgesetz ist das eine Vorstufe zu einem Verbot. Der Verfassungsschutz hatte wegen womöglich mangelnder Beweise vor einem frühzeitigen Verbot gewarnt. Mit den Durchsuchungen hoffen die Behörden nun auf ausreichend Beweise.

Bundesinnenminister Friedrich zur Razzia

Ebenfalls ins Visier der Fahnder ist der Verein Die wahre Religion von Ibrahim Abou-Nagie aus Bonn geraten. Der Hassprediger ist vor wenigen Wochen durch die kostenlose Verteilung des Koran bundesweit bekannt geworden. Nach Ansicht des Innenministeriums, das gegen den Verein ein Verfahren eingeleitet hat, möchte die Gruppe in Deutschland einen Gottesstaat errichten und billige den Einsatz von Gewalt. Dabei wird auch aus einer ganzen Reihe von Videobotschaften zitiert.

Die Gefährdung, die von den drei Gruppen ausgeht, besteht nach Ansicht der Sicherheitsbehörden gerade in solchen Botschaften, die Anhänger radikalisieren sollen. Über Videobotschaften, Predigten im Internet und Auftritten in Moscheen würden die Salafisten ihr Gedankengut verbreiten und damit den geistigen Nährboden für Übergriffe in Deutschland schaffen. Konkrete Anschlagspläne unterstellt man den Gruppen hingegen nicht.

Die Durchsuchungen richteten sich gegen 71 Funktionäre von Millatu Ibrahim, DawaFFM und Die wahre Religion. Da sie hauptsächlich via Internet agierten, sei die Zahl ihrer Anhänger unklar. Insgesamt geht der Verfassungsschutz von etwa 4 000 Salafisten aus. Aber es sei die am schnellsten wachsende islamistische Gruppe.