Kairo - Nach der Stichwahl um das Präsidentenamt in Ägypten sehen sich beide Kandidaten als Sieger. Die Muslimbruderschaft erklärte, ihr Kandidat Mohammed Mursi habe etwa 52 Prozent der gültigen Stimmen erhalten.

Die Unterstützer seines Gegenspielers reklamierten am Montag dagegen den Sieg für den ehemaligen Regierungschefs Ahmed Schafik. Dieser habe die Wahl am Wochenende mit 51,5 bis 52 Prozent der Stimmen gewonnen. Unabhängig vom wahrscheinlich knappen Ausgang der Wahl zog der Oberste Militärrat mit einer neuen Verfassungserklärung die meisten Machtbefugnisse im Staat an sich. Der Militärrat hatte nach dem Rücktritt von Präsident Husni Mubarak im vergangenen Jahr die Kontrolle übernommen.

Die Muslimbruderschaft hatte Mursi schon wenige Stunden nach Schließung der Wahllokale am Sonntagabend zum Sieger ausgerufen. Auch die unabhängigen Medien Ägyptens sahen den Islamisten alle vorne. Ein paar tausend Anhänger Mursis zogen am Montagmorgen auf den Tahrir-Platz im Zentrum von Kairo, um den Sieg ihres Idols zu feiern. Im palästinensischen Gaza jubelten tausende Parteigänger der radikalislamischen Hamas-Bewegung. Die Hamas war einst aus der ägyptischen Muslimbruderschaft hervorgegangen.

Die Ergebnisse aus dem Großraum Kairo wurden erst am Montagnachmittag bekannt. Wie es aus Kreisen der Wahlkommission hieß, sollte ein endgültiges Bild erst am Montagabend vorliegen, da die Auszählung in einigen Bezirken wegen vermuteter Unregelmäßigkeiten wiederholt worden sei. Das offizielle Gesamtergebnis wollte die Kommission frühestens am Mittwoch bekanntgeben.

Der Oberste Militärrat veröffentlichte in der Nacht zum Montag eine neue Verfassungserklärung, die die Macht des Präsidenten deutlich begrenzt. Zugleich übertrug sie die Vollmachten des in der Vorwoche aufgelösten Parlaments auf die Militärführung. So darf der Präsident künftig nur noch nach Abstimmung mit dem Obersten Militärrat den Krieg erklären. Außerdem sollen die Generäle über die Belange des Militärs weitgehend autonom entscheiden.

Bis zur Wahl eines neuen Parlaments zogen die Militärs die Vollmachten der aufgelösten Volksvertretung an sich. Das bedeutet, dass der Militärrat Gesetze erlassen kann und über den Staatshaushalt bestimmt.

Das Gremium der Generäle behält sich zudem vor, selbst ein Komitee zu ernennen, das die neue Verfassung ausarbeitet, falls das noch vom aufgelösten Parlament eingesetzte Verfassungskomitee nicht binnen einer Woche seine Arbeit aufnimmt. Auch können die Militärs gegen einzelne Bestimmungen des Verfassungsentwurfs ihr Veto einlegen. Die Verfassung soll am Ende zur Volksabstimmung vorgelegt werden. Erst dann wird ein neues Parlament gewählt.

Formell werde die - ihm noch verbliebene - Macht dem neu gewählten Präsidenten wie geplant Ende dieses Monats übergeben, erklärte das Militärratsmitglied Mohammed al-Assar in Kairo. Der «Machtwechsel» werde im Rahmen einer großen Zeremonie erfolgen. «Ägypten ist ein modernes, demokratisches Land, das sich zu allen demokratischen Werten bekennt», fügte Al-Assar hinzu.

Der Militärrat hatte die Macht im Februar 2011 übernommen, nachdem durch Massenproteste der Rücktritt des Langzeitpräsidenten Mubarak erzwungenen worden war. Über die Jahreswende hatten die Ägypter ein neues Parlament gewählt, in dem die Muslimbruderschaft und andere Islamisten über eine Zweidrittelmehrheit verfügten. Das Verfassungsgericht hatte vergangenen Donnerstag das Unterhaus des Parlaments aufgelöst, weil ein Drittel der Abgeordneten ihr Mandat auf verfassungswidrige Weise errungen haben sollen.

Die Muslimbruderschaft protestierte vehement gegen die Machtkonzentration in den Händen der Generäle. «Der Militärrat hätte den freien Willen der Menschen respektieren müssen, der dieses Parlament hervorgebracht hat», erklärte Saad al-Katatni, der Präsident des aufgelösten Unterhauses.

Außenminister Guido Westerwelle verlangte derweil vom künftigen ägyptischen Präsidenten ein klares Bekenntnis zur Demokratie und zu weiteren Reformen. Das neue Staatsoberhaupt müsse «Repräsentant aller Ägypter» sein, sagte der FDP-Politiker am Montag in Berlin. «Das ägyptische Volk, das derzeit sehr zerrissen ist, muss wieder zusammengeführt werden.»

dpa