Tschechien wird vom größten Korruptionsskandal seit 1989 erschüttert: Ein prominenter Abgeordneter ließ sich 7 Millionen Kronen in einem Weinkarton übergeben - zu Hause hatte er noch mehr versteckt.

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© EPA FILEDavid Rath von den tschechischen Sozialdemokraten war der Paradiesvogel der Partei und Schattenminister für das Ressort Gesundheit. nun wurde er durch einen Korruptionsskandal ausgebremst
Die Prager Sondereinheit zur Korruptionsbekämpfung griff in den späten Abendstunden zu. Als David Rath, prominenter tschechischer Sozialdemokrat, am Montagabend das Haus einer befreundeten Klinik-Leiterin unweit der Hauptstadt verließ, trug er eine Plastiktasche mit einem Weinkarton in der Hand.

Gefüllt nicht mit Flaschen eines edlen Tropfens, sondern mit einem Haufen Bargeld: Sieben Millionen Kronen (knapp 300.000 Euro). Ehe Rath sich versah, war er von Beamten umzingelt, die die Handschellen klicken ließen. Im Haus selbst nahm die Polizei sieben weitere Personen fest.

Ein halbes Jahr standen Rath und seine Freunde unter Beobachtung. Ihre Telefone wurden abgehört, die Geldübergabe im Haus gar per Video aufgezeichnet. Die Vorwürfe gegen den 47-jährigen Rath waren so heftig, dass die Polizei den sozialdemokratischen Parlamentsabgeordneten und Chef des Bezirks Mittelböhmen festnehmen konnte, ohne die Genehmigung des Abgeordnetenhauses abwarten zu müssen. Es genügte ein Anruf bei der Parlamentspräsidentin. Die Immunität Raths wird in den kommenden Tagen problemlos aufgehoben werden.

30 Millionen Kronen unter den Bodendielen

Rath und seine mit ihm inhaftierten Kumpane haben sich mutmaßlich bei der von der EU subventionierten Sanierung eines Klinikums unweit von Prag bereichert. Als Chef des Bezirks, der die Krankenhäuser unter sich hat, soll Rath überteuerte Arbeiten veranlasst und dafür massiv kassiert haben.

Die 7 Millionen Kronen sollen nur eine kleiner Teil des Geldes gewesen sein, das sich Rath und seine mutmaßlichen Komplizen einverleibten. Weitere 30 Millionen Kronen (1,25 Millionen Euro) fand die Polizei in Raths Haus unter den Bodendielen. Sie musste eine Geldzählmaschine herbei schaffen; das Zählen des Geldes von Hand wäre für die Beamten wohl zu langwierig gewesen.

Der festgenommene Rath gehört zu den schillerndsten politischen Figuren Tschechiens. Der immer wie aus dem Ei gepellte Internist und glänzende politische Rhetoriker begann seine Karriere nach 1989 in der liberal-konservativen Demokratischen Bürgerpartei (ODS), landete aber schließlich bei den Sozialdemokraten (CSSD).

Bekannt wurde er als Chef der von ihm gegründeten Gewerkschaft der Ärzte. In den 1990er Jahren wandte die sich auch mit wilden Streiks gegen Reformen im Gesundheitswesen. Später wurde Rath Chef der Ärztekammer und Teilhaber einer Privatklinik. 2005 stieg er zum sozialdemokratischen Gesundheitsminister auf. Derzeit ist er "Schattenminister" für dieses Ressort.

Rath lebt abwechselnd mit Frau und Geliebter

Für einen handfesten Skandal sorgte er, als er einem führenden ODS-Politiker nachsagte, der sei jeder Frau nachgestiegen, "die nicht bei drei auf dem Baum war" und habe später seine Frau nur wegen ihres Geldes geheiratet. Später, auf einem Zahnärztekongress, wurde er dafür von besagtem ODS-Politiker vor Live-Kameras des Fernsehens geohrfeigt.

Rath selbst ist privat auch nicht eben ein Kind von Traurigkeit: er lebt abwechselnd mit seiner Ehefrau und seiner Geliebten zusammen, hat mit beiden Kinder.

Im Parlament war er der mit Abstand scharfzüngigste Sozialdemokrat. Wiederholt wurde er für seine giftigen Sprüche gerügt und zur Kasse gebeten. Gern rühmte er sich seines Reichtums und seines aufwendigen Lebensstils.

In einer Parlamentsdebatte griff er den amtierenden Premier Petr Necas als "neidisch" an: "Wenn Ihre Zeit als Premier vorbei ist, dann werden sie auf dem Arbeitsamt enden, weil sie nichts anderes können. Also, beneiden sie nicht Leute wie mich, die es zu etwas gebracht haben."

Lautstarker Gegner von Korruption und Klientelismus

Diese Worte erscheinen jetzt plötzlich in einem ganz anderen Licht. Ebenso paradox ist, dass Rath zu denen gehörte, die am lautesten die derzeit Regierenden wegen ihres angeblich zu laxen Vorgehens gegen Korruption und Klientelismus kritisierten.

Seine eigene Festnahme jedoch sieht er als Versuch eben dieser Regierenden, ihn und die Sozialdemokraten mit "manipulierten Beweisen" politisch zu erledigen. Angeblich sei in dem Weinkarton tatsächlich Wein gewesen und keinerlei Geld.

Die Polizei habe den Inhalt des Kartons ausgetauscht. Das Video der Polizei von der Geldübergabe unmittelbar vor der Festnahme spricht jedoch für sich. Sollte ein Gericht über den Fall entscheiden, der nach erstem Anschein der mit Abstand spektakulärste seiner Art seit 1989 ist, dann drohen Rath bis zu 12 Jahre Gefängnis.

Partei legt Austritt nahe

Raths Verschwörungstheorie mochte am Dienstag auch die Führung seiner eigenen Partei nicht glauben; sie ist rasch von ihm abgerückt. Sie legte ihm zudem dringend nahe, alle seine Funktionen und Ämter sowie die Parteimitgliedschaft bei den Sozialdemokraten umgehend aufzugeben.

Die CSSD hat gute Gründe dafür: im Herbst stehen in Tschechien Regionalwahlen an. Bislang war man von einem Erdrutschsieg der Linken ausgegangen. Die hatte in den letzten Wochen und Monaten vom Volkszorn darüber profitiert, dass das bürgerliche Regierungslager den Leuten eine soziale Kürzung nach der anderen zumute, gleichzeitig aber von einem Bereicherungsskandal in den nächsten stolpere. Jetzt könnte der Fall Rath dazu führen, dass sich auch die Sozialdemokraten ihre Gunst bei den Wählern verscherzen.

Die tschechischen Zeitungskommentatoren dagegen jubeln heute: "Zwar bestätigt der Fall Rath die allgemeine Meinung, dass die Politik im Land durch und durch korrupt ist. Es scheint jedoch Hoffnung zu geben, dass die Behörden jetzt gnadenlos und ohne Ansehen der Person gegen jeden Verdacht vorzugehen beginnen. Das könnte Tschechien endlich von seinem traurigen Image eines 'Balkan-Landes' befreien."