Starkregen, heftige Gewitter und Hagelschauer treffen Autofahrer, Hausbesitzer und Landwirte schwer. Der Klimawandel vernichtet Milliardenvermögen. Denn viele Deutsche sind schlecht versichert gegen die Wetterkapriolen.
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Düsseldorf - Diese Woche auf Rügen. Hühnereigroße Hagelkörner klatschen in Schaprode auf. Die knallharten Bälle zerstören Scheiben und schlagen Beulen in die Karosserie von rund 350 Autos. Dächer und Fassaden von Häusern werden beschädigt, Bootsplanen durchschlagen. Einige Enten und Hühner kommen um.

Kein Einzelfall. Auch wenn in diesem Jahr die ganz großen Schäden bisher ausblieben, heißt das nichts. In Österreich deuten erste Auswertungen darauf hin, dass sich die Hagelintensität im Vergleich zu den neunziger Jahren verdoppelt hat. Ähnliches befürchten Versicherungsexperten für Deutschland, zumal der Schaden an Häusern immer größer wird: „Energetisch sanierte Fassaden, die lediglich mit einer wenige Millimeter dicken Putzschicht geschützt sind, werden bei intensiverem Hagelschlag durchlöchert wie Schweizer Käse“, sagt Oliver Hauner vom Branchenverband GDV.

Typisch für Hagelstürme: Sie sind extrem tückisch. Schauern kommen urplötzlich und schlagen - kaum vorhersagbar - mal hier und mal da zu. In einem Dorf vernichten sie Häuser, Autos und die Saat der Landwirte. Wenige Kilometer weiter passiert dagegen nichts.

Das war im Mai zum Beispiel im Kreis Euskirchen bei Bonn so. In den Ortschaften Mechernich und Kommern lag der Hagel stellenweise bis zu 30 cm hoch. Da sich keine geschlossene Unwetterfront gebildet hatte, war in den Nachbarorten mitunter nichts von den heftigen Hagel- und Regenfällen zu spüren.

Hagel und Starkregen vernichten auf dem Land Zuckerrüben, Mais oder Getreide. In Städten wie Düsseldorf laufen dagegen oft die Keller, Garagen und Lagerräume voll Wasser. 188 Einsätze zu Wasserschäden seien gemeldet worden, teilte die Feuerwehr bei dem Starkregen im Mai mit. Mehrere Straßen und Unterführungen waren überflutet, weil Hagelkörner die Gullys verstopften. „Das lokale Auftreten der Schäden führt uns wieder einmal vor Augen, dass es so gut wie keine Region mehr gibt, die vor solch gravierenden Unwettern sicher ist", sagen Versicherungs- und Klimaexperten.

Die eiskalte Gefahr für Haus und Hof

Die meisten Deutschen haben das jedoch noch nicht verstanden. 90 Prozent der Hausbesitzer in Niedersachsen bekämen zum Beispiel keine finanzielle Entschädigung, wenn deren Häuser und Wohnungen durch Starkregen oder Hochwasser überflutet würden. Dabei seien nahezu alle Gebäude und Wohnungen problemlos versicherbar, erklärt der Branchenverband der Versicherer, der GDV.

„Die Niedersachsen schneiden damit noch schlechter ab als der Bundesdurchschnitt“, warnt Thomas Vorholt, Vorstand des Sparkassenversicherers VGH. Denn in Deutschland seien rund 70 Prozent aller Haushalte nicht ausreichend gegen die finanziellen Folgen von Naturgefahren versichert, stellen die Versicherer fest. Die meisten Eigentümer besäßen zwar eine Wohngebäudeversicherung, aber nur zehn Prozent der Niedersachsen haben sich für einen Versicherungsschutz vor Naturgefahren entschieden. Um sich vor Starkregen, Überschwemmung oder Hochwasser zu schützen, bräuchten Hausbesitzer und Mieter eine sogenannte Elementarschadenversicherung.

Viele Hausbesitzer scheren sich jedoch wenig um den Rat. In einer GDV-Umfrage sagten rund 40 Prozent der Befragten, dass Wissenschaftler, Politiker und Medien die negativen Folgen des Klimawandels übertreiben würden. Solche Lässigkeit könnte damit zusammen hängen, dass der Klimawandel im Detail schwer zu erkennen ist. Er bewirkt viele schleichende Veränderungen, die im Laufe der Zeit jedoch gewaltig wirken. Das ist beispielsweise am Bodensee schon so.

Seit den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts ist die Lufttemperatur in Konstanz nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes um durchschnittlich 0,04 Grad pro Jahr angestiegen. Die Wassertemperatur stieg in einem halben Meter Tiefe um 0,03 Grad, stellt Instituts für Seenforschung (ISF) fest. „Das klingt nicht gewaltig, hat aber spürbare Auswirkungen“, sagt der Institutschef, Heinz Gerd Schröder, der Nachrichtenagentur dpa.

So gerät der Temperaturhaushalt des größten Sees in Deutschland aus dem Gleichgewicht: Die Erwärmung des Oberflächenwassers am Bodensee beginne inzwischen rund einen Monat eher als in der Vergangenheit. Dadurch können sich planktonische Algen früher entwickeln. Diese Zeitverschiebung setze sich wiederum bei den Organismen fort, die vom Plankton lebten - bei Fischen oder auch Wasserflöhen. „Was das für Auswirkungen hat, wissen wir noch gar nicht so genau“, sagt Schröder.

Wie der Klimawandel wirkt

So sprachlos sind Forscher auch in anderen Bereichen, etwa wenn Naturschützer das Verhalten von Vögeln analysieren. Schon jetzt nähmen Vogelarten wie die Felsenschwalbe oder der Orpheusspötter, die eigentlich im Mittelmeerraum beheimatet sind, am Bodensee zu. Andere Vogelarten wanderten dagegen nach Norden ab. So habe der Bestand der Uferschnepfen seit 1980 um rund 84 Prozent abgenommen.

Aufgrund dieser und anderer Entwicklungen stellt der Umweltminister Baden-Württembergs, Franz Untersteller, von den Grünen fest: „Die Folgen des Klimawandels werden sich auf zahlreiche Lebensbereiche auswirken.“ So könne zum Beispiel die Land- und Forstwirtschaft sowohl durch Hitzeperioden als auch durch das Auftreten von bisher in unseren Breiten unbekannten Krankheitserregern und Schädlingen beeinträchtigt werden.

Wie sehr der Klimawandel im Lande schon Realität, erfassen die Versicherer akribisch. Einer davon ist der Spezialist Vereinigte Hagel, der vor allem landwirtschaftliche Flächen versichert. Die Schäden der Landwirte durch extremes Wetter summieren sich inzwischen auf viele Milliarden. Und jedes kommt mehr als eine halbe Milliarde hinzu.

Ein paar Zahlen, die Vereinigte Hagel für die Landwirtschaft gesammelt hat: In den vergangenen zwanzig Jahren haben Starkregen und Hochwasser Schäden von 1,458 Milliarden Euro verursacht oder 97,2 Millionen Euro pro Jahr. Bei Hagel ist es sogar noch etwas mehr: 1,66 Milliarden Euro insgesamt oder knapp 100 Millionen Euro im Jahr. Am heftigsten schlagen jedoch lange Trockenperioden zu: Auf 6,5 Milliarden Euro schätzen die Experten die Schäden seit 1991, das sind im Schnitt mehr als 300 Millionen Euro pro Jahr.

In Dörfern und Städten schlagen extreme Niederschläge meist noch stärker als Hagelkörner ein. „In den letzten Jahren überfluteten immer häufiger Regionen, die bislang davor verschont blieben“, warnt Bernhard Gause vom Branchenverband GDV. Das habe sich zum Beispiel in Osnabrück im Sommer 2010 gezeigt. Starke Niederschläge überschwemmten innerhalb kürzester Zeit Häuser und Autos; erstmals seit dem zweiten Weltkrieg sei der Katastrophenalarm ausgelöst worden.

Klimaforscher prognostizierten für Niedersachsen auch in Zukunft vermehrte Unwetter und intensive Niederschläge. „Der Klimawandel ist kein abstraktes Phänomen, das weit weg von uns passiert. Die Folgen erleben wir inzwischen direkt vor unserer Haustür“, sagt Gause. Umso wichtiger ist es, die Menschen gezielt in den Regionen aufzuklären und zu informieren. Entsprechende Kampagnen laufen daher überall im Lande an. Vorreiter sind Bayern und Sachsen.

Die Prognosen der Versicherer

Die Versicherer geizen dabei nicht mit Horrorprognosen. So kam eine GDV‑Klimastudie zu dem Schluss, dass extreme Hochwasserereignisse, die heute alle 50 Jahre wiederkehren, zukünftig alle 25 Jahre auftreten können. Auch einzelne, extreme Sturmereignisse würden in Zukunft öfter auftreten und deutlich größere Schäden an Gebäuden verursachen als heute.

In den Sommermonaten könnte künftig die Anzahl der Tage mit Temperaturen über dreißig Grad Celsius deutlich zunehmen. Verschiedene Klimamodelle sagten beispielsweise voraus, dass es 2100 in Süddeutschland bis zu dreißig Hitzetage mehr geben werden, sagen die Versicherer. Sommer wie der von 2003 würden dann wohl keine Seltenheit mehr sein. Damals starben in Europa mehr als 30.000 Menschen an den Folgen der Hitze. Gerade Alte und Kranke waren betroffen. Dagegen soll nun ein Hitzewarnsystem helfen. Das allein werde allerdings nicht reichen.


Kommentar: Es ist unwahrscheinlich genaue Prognosen über einen sol langen Zeitraum zu treffen. Dabei werden auch die letzten sehr harten Winter nicht erwähnt.


Auch die Bauweise der Häuser müsse sich ändern, meint Olaf Burghoff, der beim GDV für die Statistik der Sachversicherung zuständig ist. „Gebäude müssen so geplant werden, dass sie nicht überhitzen“, sagt er. Zudem sollten die Menschen ihren Tagesablauf entsprechend anpassen und körperliche Aktivitäten in der Mittagszeit unterlassen.

Da durch die steigenden Temperaturen die Verdunstung zunimmt, muss die Landwirtschaft im Sommer mit gravierenden Folgen rechnen. „Gerade in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern könnte es vermehrt zu Dürreperioden kommen“, warnt Olaf Burghoff vom GDV. Die Folgen seien Ernteausfälle, die deutlich über das hinausgingen, was bisher aufgetreten ist. Der Branchenverband habe dafür das Konzept der landwirtschaftlichen Mehrgefahrenversicherung entwickelt, die auch Starkregen und Dürre einschließe. Allerdings sei das Echo in der Bauernschaft verhalten. „Viele Landwirte glauben, die Folgen des Klimawandels mit der Rücklage eines Notgroschens aus eigener Kraft schultern zu können“, sagt Oliver Hauner vom GDV, „aber der Notgroschen allein wird wohl nicht ausreichen.“

Was eine Elementarversicherung kostet

Also bieten sich Versicherungen geradezu an. Wie teuer ein besserer Schutz gegen die Folgen des Klimawandels werden kann, hängt dabei vom Einzelfall ab. Grundsätzlich müssen Hausbesitzer aber keine Angst vor enormen Zusatzbelastungen haben. Hierfür kalkuliert der Sparkassenversicherer VGH einen Aufpreis von in der Regel fünf Prozent - bei einem durchschnittlichen Einfamilienhaus seien das etwa 14 Euro im Jahr. „Gut investiertes Geld, denn meist verursachen eindringendes Wasser und Schlamm gravierende finanzielle Folgen, nicht selten in fünfstelliger Höhe - etwa wenn eine überschwemmte Ölheizung Kellerräume und Umwelt kontaminiert“, stellt die VGH.

Je nach Lage und Risikobewertung kann der Schutz gegen elementare Gefahren jedoch auch deutlich teurer werden. Die Zeitschrift Finanztest stellte im August 2011 gewaltige Preisspannen in der Branche für die Elementarschadenversicherung fest. Das reichte im Extremfall von 23 Euro bis 1614 Euro.

Der Sparkassenversicherer Provinzial Rheinland nannte beispielhaft auf Anfrage folgende Zahlen:

Die Tabellen können dem Originalartikel entnommen werden.