Press TV gilt als Auslandssprachrohr der iranischen Mullahs, das üble Propaganda verbreitet. Jetzt droht dem Fernsehsender in Deutschland der Entzug der Lizenz. Noch ist nichts entschieden, doch Iran wettert bereits gegen den angeblichen "Akt der Zensur".


Kommentar: Wenn es darum geht, wer Propaganda verbreitet, stehen die "westlichen Medien" dem in nichts nach.

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© APIranische TV-Zuschauer: Die Bayerische Landeszentrale für Medien will jetzt prüfen, welche Standards für iranische Medien gelten.
München - Als der iranisch-kanadische Journalist Maziar Bahari nach 118 Tagen Haft heimkehrte, wirkte er schwer gezeichnet. Er war im Juni 2009 in Teheran festgenommen worden, nachdem er trotz Verbots über die Demonstrationen gegen die umstrittene Wiederwahl von Irans Präsident Mahmud Ahmadinejad berichtet hatte. Die meiste Zeit seiner Gefangenschaft hatte der für das US-Magazin Newsweek arbeitende Reporter in Isolationshaft verbracht, nach eigener Aussage wurde er dort gefoltert. Aber er wurde auch interviewt. Der iranische Auslandssender Press TV zeigte ein im Gefängnis gefilmtes Interview mit Bahari, das Iran ihm unter massivem Druck abgenötigt hatte.

Nach seiner Freilassung im Oktober 2009 beschäftigte sich daher die britische Medienaufsicht Ofcom mit dem Fall des mittlerweile in London lebenden Journalisten. Sie beurteilte die Ausstrahlung des erzwungenen Interviews seitens Press TV als Regelverstoß, verhängte gegen den englischsprachigen Nachrichtenkanal erst ein Bußgeld und entzog ihm im Januar 2012 die Sendelizenz für Großbritannien. Der Fernsehanbieter BSkyB musste Press TV aus seinem Angebot entfernen.

Latent israelfeindlich, mitunter antisemitisch

In Deutschland sendet der als israelfeindlich und mitunter antisemitisch geltende Sender dagegen weiter. Zwar untersagte die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) kurz nach der britischen Entscheidung einem im Großraum München sitzenden Satellitenbetreiber "mit sofortiger Wirkung", Press TV weiter via Astra auszustrahlen. Doch die Iraner zogen vor Gericht - und verbuchten mit einem Eilantrag einen Erfolg. Bis zur endgültigen Gerichtsentscheidung, die wohl in ein paar Wochen fallen wird, dürfen sie senden. Und auch im Kabelnetz geht's weiter.


Kommentar: Heutzutage zählt man schon als antisemitisch, wenn sich kritisch gegen die Politik der israelischen Führung geäußert wird, wie das Beispiel Günter Grass zeigte.


Laut BLM dürfte zumindest das Verbot der Satelliten-Verbreitung Bestand haben. "Für den Satelliten-Uplink eines nicht-europäischen Rundfunkprogramms benötigt man eine Rundfunkzulassung durch eine europäische Regulierungsaufsicht", sagt ein Sprecher. Und durch den Wegfall der Ofcom-Lizenz sei diese entfallen. "Die Rechtslage ist in diesem Fall eindeutig."

Ob jedoch auch die Verbannung aus dem hiesigen Kabelnetz folgt, ist offen. Wie ein BLM-Sprecher auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE bestätigte, prüfen die bayerischen Medienwächter seit kurzem, ob das Programm künftig weiter eingespeist werden darf: "Mit dem Entzug der Ofcom-Genehmigung ist zugleich die deutsche Kabellizenz erloschen."

"Akt der Zensur"

Nun hat Kabel Deutschland einen Weiterverbreitungsantrag gestellt. In den kommenden Wochen nimmt die BLM daher Press TV unter die Lupe und prüft etwa, inwieweit in Iran "mit Deutschland vergleichbare medienrechtliche Regeln gelten". Gibt es dort ein Recht auf Gegendarstellung? Müssen Veröffentlichungen "wahrheitsgemäß" erfolgen? Man prüfe das "ergebnisoffen", heißt es bei der BLM.


Kommentar: Darauf sollten andere Medienanstalten auch einmal untersucht werden.


Ein Sprecher von Kabel Deutschland kündigte derweil an, das Unternehmen werde das Votum der BLM akzeptieren. Einstweilen wolle man Press TV jedoch im Angebot behalten. "Wir als Plattformbetreiber prüfen nicht selbst die inhaltliche Gestaltung eines Programms", teilte der Sprecher mit.

Gespannt dürfte das Auswärtige Amt auf den Fall blicken. In Großbritannien hatte der Rauswurf des Senders aus dem TV-Angebot das ohnehin lädierte Verhältnis beider Länder weiter verschlechtert. Auch in Deutschland droht der Streit zum Politikum zu werden. Einen "Akt der Zensur" nennt ein Sprecher der iranischen Botschaft auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE das Satelliten-Aus für die Press TV. "Diese Maßnahmen sowohl in Großbritannien als auch vielleicht in Deutschland könnten nur aus dem Grund geschehen, dass man keine Kritik erträgt und unangenehme Meinungsäußerungen nicht erduldet", behauptet er. Schließlich betrachte Press TV die Weltpolitik "aus einem anderen Blickwinkel".

Ein Sprecher von Press TV attackiert Berlin ganz direkt: "Wir glauben, dass die Bundesregierung bei der rechtswidrigen Entscheidung der Regulierungsbehörde eine Rolle gespielt hat." Der Sender bestreitet zudem, je ein unter "Druck entstandenes Interview ausgestrahlt" zu haben. Haltlose Beschuldigungen seien das, um den wachsenden Einfluss des Programms in Europa zu stoppen, das tatsächlich vor allem in England eine große Fangemeinde hat.

Ein BLM-Sprecher weist Vorwürfe über eine politische Einflussnahme zurück. Es sei zu "keinem Zeitpunkt von irgendeiner Seite Druck ausgeübt worden." Auch Bayerns Staatsregierung und das Auswärtige Amt verwahren sich dagegen. Es handle sich um "eine ausschließliche Entscheidung der Bayerischen Landesmedienanstalt", versichert eine Sprecherin des Auswärtigen Amts.

Iranischen Oppositionellen ist "Press TV" schon seit seinem Start im Jahr 2007 ein Dorn im Auge. Sie sehen in ihm vor allem ein Sprachrohr der Mullahs für das Ausland. Klar ist: Kritik an der geistlichen - und damit auch politischen - Führung des Landes sucht der Zuschauer vergebens im Programm. Anders sieht es freilich bei der Berichterstattung über Regierungschef Ahmadinedschad aus. Hier sind die Redakteure weit mutiger und geißeln etwa dessen Misswirtschaft.

Press TV ist - wie der gesamte iranische Staatsfunk - dem obersten Staats- und Revolutionsführer Ajatollah Sayed Ali Khamenei unterstellt. Das Programm soll, so formulierte es Mohammad Sarafraz, Chef des iranischen Auslandsrundfunks bei dessen Start, "westlichen Zuschauern ein zweites Auge geben".