Während die Türkei mit weiteren Panzern an der syrischen Grenze anrückt, eskaliert die innenpolitische Lage in Syrien. Präsident Assad bezeichnete den Konflikt erstmals als Krieg.
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© dapdDie Gewalt in Syrien hält an. Präsident Baschar al-Assad verkündete in einer Ansprache, das Land befinde sich im Krieg. Kurz danach wurde ein regierungstreuer Fernsehsender angegriffen.
Nach der Androhung von Präventivangriffen gegen Syrien hat die türkische Armee offenbar damit begonnen, ihre Präsenz an der Grenze zum südlichen Nachbarn zu verstärken.

Nach übereinstimmenden Presseberichten wurden zusätzliche Panzereinheiten ins Grenzgebiet im südostanatolischen Nusaybin und Cizre verlegt. Dabei soll es sich um insgesamt 15 Patton-Panzer handeln.

Neben Panzern sei auch Artillerie ins Grenzgebiet verlegt worden. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hatte am Dienstag erklärt, jede syrische Truppeneinheit, die sich der Grenze nähere, werde ab sofort als militärisches Ziel gewertet und bekämpft.

Im östlichen Mittelmeer ging die Suche nach den Piloten des am Freitag von Syrien abgeschossenen Militärflugzeugs weiter. Verkehrsminister Binali Yildirim sagte nach Fernsehberichten, die Helme der vermissten Piloten sowie einige Wrackteile der Maschine seien inzwischen gefunden worden.

Erdogan hatte Syrien vorgeworfen, den unbewaffneten Aufklärungsjet absichtlich und im internationalen Luftraum abgeschossen zu haben. Syrien sei zu einer Bedrohung der nationalen Sicherheit geworden.

Anschlag auf syrischen TV-Sender

Auch im innerpolitischen Syrien-Konflikt spitzt sich die Lage weiter zu: Bei einem Anschlag auf den regierungsfreundlichen syrischen Fernsehsender Ichbarija TV wurden nach Regierungsangaben sieben Angestellte getötet und mehrere entführt. Bewaffnete seien am frühem Mittwochmorgen in zwei Gebäude der 20 Kilometer südlich von Damaskus gelegen Zentrale von Ichbarija TV gestürmt und hätten mehrere Sprengsätze gezündet, sagte Informationsminister Omran al-Soebi.

Er sprach von einem Massaker an der Pressefreiheit. Die Rebellen bestritten jede Verantwortung für den Überfall. Angriffe auf regierungsfreundliche Journalisten gab es bereits in der Vergangenheit, jedoch blieben sie die Ausnahme. Ein Mitarbeiter des überfallenen Senders erklärte, Kollegen seien verletzt worden.

Er selbst sei zusammen mit mehreren Wachen des Senders entführt worden. Die Täter hätten ihn schließlich freigelassen, die Wachen allerdings nicht, sagte er am Telefon. Wie viele Menschen sich noch in der Hand der Entführer befanden, blieb unklar.

"Wir leben in einem echten Kriegszustand"

Nach Angaben eines Fotografen der Nachrichtenagentur AP wurden fünf als Büro und Studio genutzte mobile Gebäude seien zerstört. Auf dem Boden habe es Blutspuren gegeben, Teile der hölzernen Strukturen hätten noch gebrannt. In den Wänden seien Einschusslöcher zu sehen gewesen.

Stunden nach dem Überfall sendete die TV-Station allerdings noch. Sie übertrug eine Demonstration aus Damaskus, deren Teilnehmer gegen den Überfall auf den Sender protestierten.

Die Gewalt in Syrien hat nach Angaben des stellvertretenden UN-Gesandten für das Land, Jean-Marie Guehenno, inzwischen das Niveau vor der Waffenstillstandsvereinbarung Mitte April "erreicht oder sogar überschritten", wie er vor dem UN-Menschenrechtsrat erklärte.

Der syrische Präsident Baschar Assad bezeichnete den Konflikt am Dienstag erstmals als Krieg. "Wir leben in einem echten Kriegszustand", sagte er. Bisher hatte Assad stets erklärt, ausländische Terroristen hätte die Gewalt im Land angezettelt.

Oppositionspolitiker - "Teil des Landes ist befreit"

Der im Exil lebende syrische Oppositionspolitiker und ehemalige Vorsitzende des Syrischen Nationalrats (SNC), Burhan Ghaliun, erklärte, er habe von Rebellen gehaltene Gebiete im Norden Syriens bereist. Dem Fernsehsender Al-Dschasira sagte er, er habe Gegenden in der Provinz Idlib besucht, die sich ohne Einfluss der Regierung aus Damaskus selbst regieren.

Ein "Teil des Landes ist befreit", sagte er, ohne Angaben darüber zu machen, wann und für wie lange er sich dort aufgehalten hatte.

Aktivisten berichteten auch am Mittwoch aus ganz Syrien von anhaltender Gewalt. Der in London ansässigen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge wurden bei einem Überfall in der Provinz Deir al-Sur mindestens zehn Regierungssoldaten getötet.

Außerdem sei es den Rebellen am Dienstag gelungen, einen Kampfhubschrauber der syrischen Regierungstruppen abzuschießen, teilte die Gruppe mit. Eine unabhängige Bestätigung dieser Angabe gab es nicht.