Uni-Absolventen in den USA haben zunehmend Mühe, ihre staatlichen Studienkredite abzuzahlen. Der Kongress hält die Zinsen niedrig, doch Experten sehen darin keine Lösung.
Obama
Amerikanische Studenten können aufatmen. Ein bisschen zumindest. Der US-Kongress entschied Ende der vergangenen Woche, die Zinsen auf staatlich geförderte Studienkredite ein weiteres Jahr niedrig zu halten. Es wurde auch allerhöchste Zeit: Am Sonntag wäre die Zinsminderung ausgelaufen, und die Rate hätte sich auf einen Schlag verdoppelt, von 3,4 auf 6,8 Prozent. Am Ende aber wussten Demokraten wie Republikaner, dass dies angesichts des kräftig steigenden Volumens von Studienkrediten in den USA nicht zu rechtfertigen gewesen wäre.

Spätestens seitdem der Schuldenstand der Studienkredite vor ein paar Wochen die Marke von 1.000 Milliarden Dollar überschritten hat, ist klar: Hier geht es längst nicht mehr um tragische Einzelschicksale unglücklich verschuldeter Hochschulabsolventen, die durch die Medien gejagt werden. Das Problem ist zu einem für die gesamte Volkswirtschaft, die größte der Welt, angewachsen und könnte weitreichende Konsequenzen haben, wenn die Politiker in Washington nicht endlich entschieden eingreifen. Daher hat auch Präsident Barack Obama die enormen Studienkreditschulden kürzlich zu einem seiner Hauptwahlkampfthemen gemacht.

Endlich ist das Thema auf die Agenda gelangt, meint US-Experte Mark Kantrowitz, der sich schon seit Jahren damit beschäftigt. Lange Zeit war er mit seinen Warnungen bei den Politikern im Kongress und in der US-Notenbank Federal Reserve auf taube Ohren gestoßen. "Eine Billion Dollar Schulden ist ein Meilenstein, das setzt die Gesetzgeber mächtig unter Druck", sagt er. Die Lage ist angespannt: In den vergangenen zehn Jahren ist der Schuldenstand um rund 500 Prozent gestiegen. Vor Kurzem erst hat er damit die Gesamtschuld der Kreditkarten überholt. Im Schnitt hat ein US-Akademiker rund 27.000 Dollar Schulden, bei Medizinern kann der Betrag aber schnell auch sechsstellig sein.

Abzahlen bis zur Rente

Das Dilemma: Angesichts der immer noch schwächelnden US-Wirtschaft haben amerikanische Uni-Absolventen zunehmend Schwierigkeiten, ihre Kredite abzuzahlen. Geringe Gehälter, Behelfsjobs oder Arbeitslosigkeit lassen dafür einfach nicht genug übrig. Darüber hinaus haben diese jungen Amerikaner aber häufig auch nicht ausreichend Geld für diverse andere Dinge wie Auto, Haus oder Altersvorsorge. Viele Studienkreditnehmer werden ihre Schuld nicht in den zehn Jahren tilgen können, die normalerweise für staatliche Kredite vorgesehen sind.

Vielmehr sieht es nach heutigem Stand danach aus, dass viele Schuldner - erst recht solche mit privaten Krediten - bis weit ins Berufsleben oder gar bis zu dessen Ende das Darlehen werden abzahlen müssen. Schon heute summiert sich die Studienschuld der Amerikaner im Alter von über 60 Jahren bei insgesamt 36 Milliarden Dollar. Und weil viele Eltern für die Studienkredite ihrer Kinder bürgen, ist auch ihre Kaufkraft gehemmt. So wächst sich das Problem der jüngeren Generation zu einer gewaltigen Last für die gesamte Wirtschaft aus.

Genau deswegen hatte die Regierung vor vier Jahren, mitten in der Krise also, die Zinsminderung für staatlich subventionierte Studienkredite beschlossen. Sie sollte ursprünglich zum 1. Juli auslaufen. Damit hätten 7,4 Millionen amerikanischer Studenten künftig höhere Zinsen zahlen müssen. Auf sie wären durchschnittlich Mehrkosten in Höhe von 1.000 Dollar zugekommen. Genau daran hakten auch die Verhandlungen im Kongress: Den Studenten diese Kosten abzunehmen, kostet den Staat sechs Milliarden Dollar. Die Parteien stritten bis zuletzt, wo diese Summe herkommen soll. Am Ende überwog aber die Sorge vor negativen Schlagzeilen. Der Mehraufwand wurde nun doch in Kauf genommen.

Weiter steigende Studiengebühren

Experten mahnen allerdings an, dass die niedrigeren Zinsen für staatliche Studienkredite nur ein Tropfen auf den heißen Stein sind. Damit verschlimmere sich das Problem lediglich nicht weiter, meint Patrick Callan, Leiter der gemeinnützigen Forschungseinrichtung Higher Education Policy Institute. "Das ist reine Schadensbegrenzung. Aber es macht die Colleges auch nicht bezahlbarer." Das wahre Problem sieht Callan in den immer weiter steigenden Studiengebühren.

Der US-Präsident, von der republikanischen Mehrheit im Kongress häufig in die Defensive gedrängt, kann bei diesem Thema wieder einmal mit seinem rhetorischen Talent glänzen. "In der heutigen Wirtschaft kann Hochschulbildung kein Luxus sein", sagte Obama vergangene Woche noch, als er die Gesetzgeber zu einem schnellen Kompromiss drängte. "Es ist eine ökonomische Notwendigkeit. Jeder sollte in der Lage sein, es sich leisten zu können."

Damit will Obama die wachsende Mittelschicht, vor allem aber die junge Wählerschaft erreichen, die ihm mit rund 20 Prozent Stimmenanteil schon vor knapp vier Jahren zum Wahlsieg verholfen hatte. Denn heute sind es gerade die jungen Amerikaner unter 30, die unter der schwächelnden US-Wirtschaft leiden - und desillusioniert von Obamas Versprechen von Hope und Change sind. Sie gilt es zurückzugewinnen.

Derweil haben auch Lokalpolitiker eine Chance ausgemacht, das Dilemma für sich zum Positiven zu wenden. Schrumpfende Gemeinden im ganzen Land versuchen sich an innovativen Ideen, wie sie junge Leute anlocken können. Einige Kommunen bieten ihnen nun an, die Studienkreditschulden zu übernehmen. So kam Seth Piccirillo, verantwortlich für die Entwicklung der 50.000-Einwohner-Stadt Niagara Falls im Bundesstaat New York, die Idee schlicht beim Zeitunglesen. Er brauche genau diese jungen Schuldner, um die Bevölkerungszahl auf einem bestimmten Niveau zu halten, das den Erhalt von Bundeszuschüssen gewährleistet, sagt Piccirillo. Und sowieso: "Qualifizierter Nachwuchs ist der Schlüssel zur einer modernen Wirtschaft."