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© KLESCHTSCHOWNach dem Unwetter musste das Dach am Haus von Familie Horn neu gedeckt werden.
Scheuder. Am 11. September 2011 hat ein verheerendes Unwetter Teile des Altkreises Köthen verwüstet. Besonders betroffen war Scheuder. Faustgroße Hagelkörner, angetrieben von einem Wirbelsturm, durchlöcherten hier innerhalb weniger Minuten Dächer, zerschlugen Fenster, beschädigten Häuserfassaden, zerstörten Gärten. Selbst heute, ein Jahr nach der Naturkatastrophe, sind immer noch Spuren davon zu sehen. Insgesamt aber macht das kleine Dorf einen guten Eindruck. "Wir sind aus dem Gröbsten raus", sagt Ortsbürgermeister Franz Riemer.

Riemer selbst war damals betroffen. Auf rund 35 000 Euro schätzte die Versicherung die Schäden an seinem Haus, die inzwischen Geschichte sind. "Insgesamt kann man sagen, dass die Versicherungen großzügig waren", meint der Ortsbürgermeister. Schlechter dran seien die gewesen, die nicht versichert waren. Doch für solche Fälle gab es günstiger Kredite.

Die Schäden an Haus und Wirtschaftsgebäuden von Helmut Horn waren doppelt so hoch wie bei Franz Riemer. Seine Dächer standen quer zur Windrichtung und glichen nach dem Hagelschlag einem Sieb. Regenwasser drang in die Räume, Hagelkörner lagen im Bett der Tochter Kornelia. Später musste der Fußboden erneuert werden: Darunter hat sich durch die Nässe Schimmel gebildet.

"Das Unwetter kam um 18.10 Uhr", nennt Helmut Horn genau die Uhrzeit. Die wird er niemals vergessen, obwohl sein Haus samt Nebengelass längst neue Dächer haben. Auch im Hof herrscht eine Idylle, Zierpflanzen gedeihen prächtig. Nichts erinnert an jenen schrecklichen Abend. Fast nichts. "Ein Raum muss noch gemacht werden", bemerkt Kornelia Horn.

Nach dem Unwetter sei mancher Handwerker bei der Beseitigung der Schäden angesichts der Riesennachfrage nicht schnell genug nachgekommen, so Helmut Horn. "Bis Dezember hat es gedauert. Nun sieht das Dorf aber ganz anders aus - viel bunter, jedes Dach hat eine andere Farbe."

Auf der anderen Straßenseite, rund 100 Meter vom Anwesen der Familie Horn entfernt, steht allerdings ein Haus, das alles andere als ein schmuckes ist. Kein neues Dach, fehlende Fenster. Das Lehmhäuschen gehörte der Oma von Silke Dölle. Die junge Frau wollte hier einziehen - und hätte dies getan, wenn nicht das Unwetter gewesen wäre. Das Haus war danach eine Ruine. Totalschaden. Das bescheinigt auch die Versicherung, die Geld für den Abriss zahlt. Demnächst wird das Haus abgetragen. Dahinter steht aber ein anderes - und leuchtet mit einem nagelneuen Dach. Auch das gehört der Familie und ist jetzt das Domizil von Silke Dölle. Dieses Haus sei zwar älter, habe aber den Hagel und den Sturm - bis auf das Dach - besser überstanden, sagt sie.

Mehr Sorgen hat dagegen Siegfried Gruneberg. Er betreibt einen "Tante-Emma-Laden" und die Gaststätte "Zur Ziethequelle". Die Gaststätte wollte er sanieren, doch das Unwetter brachte seinen Zeitplan durcheinander. Nicht nur, dass am Gebäude selbst Schäden zu beseitigen sind. Auch das Dach einer alten Scheune in der Nachbarschaft, die Gruneberg als Lager für Zement und andere Baumaterialien nutzte, mit denen er die Kneipe auf Vordermann bringen wollte, wurde vom Hagel durchlöchert. Das Ergebnis: Die Baumaterialien wurden nass und mussten entsorgt werden. Jetzt hofft Gruneberg, die Gaststätte wenigstens in diesem Jahr wieder zu öffnen.

Vor allem aber psychisch haben die Einwohner von Scheuder das Unwetter noch nicht überwunden. Sobald ein Gewitter aufzieht, hat Silke Dölle Angst. Genauso geht es Helmut und Kornelia Horn, Siegfried Gruneberg und anderen. Dienstagabend wird in Scheuder ein Fest veranstaltet. So nennen es die Dorfbewohner, obwohl es mehr eine Gedenkveranstaltung ein Jahr nach dem verheerenden Unwetter ist. "Wir haben uns spontan dazu entschlossen", so Silke Dölle. "Wir wollen einfach zusammen sein und darüber reden."