Ein freundlicher Empfang sieht anders aus: Eine Wahlkampfveranstaltung von Bundeskanzlerin Merkel in Stuttgart ist von lauten Buh-Rufen, Pfiffen und Sprechchören übertönt worden. Die CDU-Politikerin blieb dennoch gelassen.
angela merkel
© dapdKanzlerin Merkel in Stuttgart: "Es ist schön laut hier"
Stuttgart - Wenn es doch nur das miserable Wetter gewesen wäre. Es regnete am Freitag in Stuttgart in Strömen, als Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zusammen mit dem OB-Kandidaten Sebastian Turner auf der Bühne stand. Und dazu: dieser Lärm! Der Auftritt der beiden wurde von lauten Buh-Rufen übertönt.

Menschen, die zum Teil Plakate gegen das umstrittene Bahnprojekt Stuttgart 21 trugen, versuchten die Veranstaltung am Freitag mit Pfiffen, Sprechchören und Trommeln zu stören. Mehrere tausend Menschen hatten sich vor dem Rathaus versammelt.

Die Kanzlerin war nach Baden-Württemberg gekommen, um dem parteilosen OB-Kandidaten Turner den Rücken zu stärken. CDU, FDP und Freie Wähler unterstützen den Werbeprofi. Beim ersten Wahlgang am Sonntag war Turner mit 34,5 Prozent der Stimmen zwei Prozentpunkte hinter dem Grünen-Politiker Fritz Kuhn auf Platz zwei gelandet. Keiner der Kandidaten erreichte die absolute Mehrheit der Stimmen. Deshalb muss am 21. Oktober ein zweites Mal gewählt werden.

Für die Kanzlerin dürfte der Protest nicht überraschend gewesen sein. Schon in der Vergangenheit hatte sie den Zorn von S-21-Gegnern auf sich gezogen, als sie sich für das Projekt ausgesprochen hatte. Der Protest am Freitag richtete sich aber auch gegen Turner, der den Bahnhof ebenfalls befürwortet, sowie gegen den früheren Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU). Gegen diesen und weitere Ex-Kabinettsmitglieder laufen derzeit Ermittlungen im Zusammenhang mit dem umstrittenen Rückkauf von Anteilen des Energieversorgers EnBW durch das Land Baden-Württemberg im Jahr 2010.

In ihrer Rede empfahl Merkel Turner als nächstes Stadtoberhaupt. Von den Pfiffen ließ sie sich dabei nicht beirren. "Eines können wir sagen: Es ist schön laut hier", sagte die Kanzlerin. "Hier darf man demonstrieren. Hier darf man seine Meinung sagen", rief sie den Menschen auf dem Marktplatz zu. Aber wenn es um die Zukunft gehe, dann müsse man sich für jemanden entscheiden, der mehr könne als pfeifen. "Und das ist Sebastian Turner."

hen/dpa/dapd