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Eine Vorhersage ist möglich: Denn wie jemand nach einem belastenden Erlebnis schläft, verrät viel über sein Risiko, an einer Posttraumatischen Belastungsstörung zu erkranken

Feuerwehrmänner, Sanitäter und Soldaten werden bei Unfällen, im Katastrophen- oder Auslandseinsatz, häufig erschütternden Situationen ausgesetzt. Ob sie aufgrund traumatischer Erlebnisse, später selbst an einer Posttraumatischen Belastungsstörung leiden, verrät eine einfache Messung des REM-Schlafs nach einer Angstkoordinierung. Dies haben Wissenschaftler des Max-Planck-Institutes für Psychiatrie in München nun herausgefunden. (Journal of Psychiatric Research, 13. Mai 2010)

Nach einem traumatischen Erlebnis entwickeln acht bis 20 Prozent der Betroffenen eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). Die Patienten erleben in Flashbacks oder Albträumen die erschütternden Situationen immer und immer wieder. Zunehmend vermeiden sie alle Orte oder Situationen, die sie mit dem Ereignis verbinden. Da sie nicht in der Lage sind, die einmal empfundene Angst abzubauen, weiten sie ihre Furchtreaktion zunächst auf ähnliche Orte und Situationen aus. Die Folge: Sie werden generell ängstlich, leben zurückgezogen und können nicht mehr an einem normalen Leben teilhaben. Ein dauerhaft gestörter Schlaf zählt zu den Hauptsymptomen. Ärzte und Wissenschaftler diskutieren schon seit Längerem, ob dieser als möglicher Verursacher des Krankheitsbildes infrage kommt.

Um den Zusammenhang zwischen Schlaf und Angstgedächtnis genauer zu untersuchen, setzte die Arbeitsgruppe von Michael Czisch vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München junge, gesunde Versuchsteilnehmer einem Angst auslösenden Reiz aus und zeigte ihnen gleichzeitig verschiedene geometrische Figuren. Nach einem milden Stromimpuls auf den Handrücken, entwickelten die Probanden eine normale menschliche Furchtreaktion, die sich unter anderem in vermehrtem Schwitzen äußerte. Dadurch veränderte sich der Hautwiderstand, den wiederum die Wissenschaftler messen konnten. Parallel dazu wurde die Hirnaktivität der Probanden im Kernspintomografen aufgezeichnet. Die Wissenschaftler dokumentierten, ob die Testpersonen eine Furchtreaktion vor den Stromimpulsen entwickelten und spezifische Hirnregionen auf die Reizung reagierten. Das Gehirn verknüpfte dabei bestimmte geometrische Figuren mit der unangenehmen Erwartung eines Stromimpulses. In einer anschließenden Versuchsphase erschienen geometrischen Figuren, ohne dass Stromimpulse folgten. Die Testpersonen sollten hierdurch ihre vorher antrainierte (konditionierte) Furchtreaktion wieder verlieren.

Bevor jedoch der Erfolg dieser "Furcht-Auslöschung" am Ende der Studie untersucht wurde, durften die Testpersonen einen Mittagsschlaf von 90 Minuten halten. Dabei wurden die unterschiedlichen Schlafstadien jedes Probanden genau registriert. Erstaunlicherweise zeigten nur sieben der 16 Teilnehmer ein normales Schlafprofil. Besonders die Probanden, die stark und dauerhaft auf die elektrischen Impulse reagiert hatten und keinerlei Gewöhnung zeigten, fanden nur schwer in den Mittagsschlaf und konnten das REM-Schlafstadium nicht erreichen. "Wir waren schon sehr überrascht zu sehen, dass eine derartige, leichte Form der Angstkonditionierung bei vielen unserer Probanden von großen Veränderungen des Schlafs begleitet wurden", sagt Victor Spoormaker, Experimentalpsychologe am Max-Planck-Institut. "Interessanterweise zeigten diese Personen ohne REM-Schlaf am Ende des Tests eine deutlich erhöhte Angstreaktion."

REM-Schlaf, Trauma
© Max-Planck-Institut für PsychiatrieA) Abnahme der Schweißabsonderung auf die elektrischen Impulse während der Konditionierung. Testpersonen mit REM-Schlafphasen zeigten vor der Schlafphase eine deutlich höhere Abnahme ihrer Angstreaktion auf die elektrischen Impulse als Personen ohne REM-Schlaf. B) Farbliche Darstellung der Hirnaktivität während der Konditionierung des Furchtgedächtnisses. Das Gehirn reagiert auf die elektrischen Impulse mit erhöhter Aktivität (rötliche Regionen). Testpersonen mit späterem REM-Schlaf weisen in den blau markierten Regionen eine abnehmende Aktivität während der Konditionierung auf als Personen ohne REM-Schlaf. Interessanterweise liegt diese Region in unmittelbarer Nähe des postulierten REM-Schlaf-Zentrums.
Mit dem Blick ins Gehirn versuchten die Wissenschaftler den Ursachen dieses veränderten Verhaltens nachzugehen. Dabei entdeckten sie, dass die Probanden ohne REM-Schlaf während der Stimulierung mit elektrischen Impulsen eine dauerhafte Aktivität im Bereich des Hirnstamms aufweisen. Diese Hyperaktivität tritt in direkter Nachbarschaft des postulierten REM-Schlaf-Zentrums des Gehirns auf und führt wahrscheinlich dazu, dass diese Schlafphase völlig ausfällt. Diese Störung kann negative Auswirkungen auf Prozesse des Gehirns haben, die beispielsweise von REM-Schlafphasen abhängig sind, und die auftretenden Verhaltensänderungen erklären.

Die Wissenschaftler hoffen, dass ihre Ergebnisse ganz neue Möglichkeiten erlauben, eine posttraumatische Belastungsstörung vorherzusagen. Zukünftig könnte die Messung des REM-Schlafs nach einem einfachen Test mit elektrischen Impulsen als physiologischer Marker genutzt werden, um herauszufinden, ob Personen in der Lage sind, erlebte Angst dauerhaft zu löschen oder nicht. Diese Vorhersage würde Organisationen wie die Polizei oder das Militär in die Lage versetzen, zu entscheiden, wem es erlaubt werden kann, sich Tätigkeiten oder Situationen auszusetzen, die ein erhöhtes Risiko zum Erleben eines Traumas besitzen.

Originalveröffentlichung:

Victor I Spoormaker.; Anna Sturm; Katia C Andrade; Manuel S Schröter; Roberto Goya-Maldonado; Florian Holsboer; Thomas C Wetter; Philipp G Sämann; Michael Czisch
"The Neural Correlates and Temporal Sequence of the Relationship Between Shock Exposure, Disturbed Sleep and Impaired Consolidation of Fear Extinction" - The Journal of Psychiatric Research, 13. Mai, 2010