Am 19. Januar, einem Sonntag, kam es bei den seit acht Wochen andauernden Protesten und Demonstrationen gegen die Regierung von Präsident Wiktor Janukowytsch zu bisher nicht dagewesener Gewalt. Banden rechtsnationaler Aktivisten, die sich »Prawy Sektor« (»Rechter Sektor«) nennen, griffen ukrainische Polizisten an, die Regierungsgebäude schützten und versuchten, die Demonstranten in Schach zu halten.
Paramilitärisch ausgebildete Rechtsnationalisten in der Ukraine, die sich »Prawy Sektor« oder »Rechter Sektor« nennen, haben die Proteste übernommen und führen nun einen Guerillakrieg gegen die SicherheitspolizeiVom Dach des Dynamo-Kiew-Fußballstadions aus schleuderten Demonstranten Molotowcocktails auf Polizisten. Daraufhin setzte die Polizei Blendgranaten und Tränengas ein. Über 60 Polizisten wurden durch Steinwürfe und Molotowcocktails verletzt und mussten im Krankenhaus behandelt werden.
Die gewaltbereiten rechtsgerichteten Radikalen erklärten gegenüber Radio Free Europe, einem Sender der US-Regierung mit engen Beziehungen zu CIA und State Department, sie bereiteten sich auf einen blutigen Guerillakrieg gegen die Regierung vor. Andrij Tarasenko, Koordinator des Rechten Sektors, warnte: »Ich glaube, wenn sie angreifen und versuchen, den Protest blutig niederzuschlagen, wird es ein Massaker geben. In der Ukraine kommt es zum Guerillakrieg.« Tarasenkos Forderungen decken sich im Wesentlichen mit denen des ehemaligen Boxers und heute rechten Politikers Vitali Klitschko, dem offenkundigen Favoriten der Regierung Merkel in Deutschland, der sich für einen EU-Beitritt der Ukraine einsetzt.
Wie Tarasenko erklärte, bestehen die »Forderungen« des Rechten Sektors in der Absetzung der gegenwärtigen Regierung und im »Aufbau eines Nationalstaats« in der Ukraine. Außerdem verlangt er den Rücktritt von Janukowytsch, betont aber, ihm und seiner Familie würden »24 Stunden gegeben, um das Land sicher zu verlassen«.Über die Website Vkontakte ruft die Organisation zu Spenden von Dingen wie Steinschleudern, Stahlkugeln, Benzin, Laserpointern, Glasflaschen, Ketten und Feuerwerkskörpern auf.
Der nominelle Auslöser der jüngsten explosiven Proteste in der Ukraine waren Notstandsgesetze, die das Parlament am 16. Juni verabschiedet hatte, um die Unruhen unter Kontrolle zu halten. Unter anderem wurde das Demonstrationsrecht eingeschränkt, unabhängige Medien eingeengt und Aktionen von NGOs verboten. Dabei gibt es Hinweise darauf, dass die gesamte Protestbewegung von Washington-finanzierten NGOs wie dem National Endowment for Democracy und Neokonservativen aus dem Bush-Cheney-Lager, die noch immer im US-Außenministerium tätig sind, gesteuert wird. Die Schlüsselfigur ist Victoria Nuland.
Victoria Nuland vom US State Department
Es ist höchst aufschlussreich, sich die Erklärungen von Nuland, die Anfang Dezember persönlich mit Oppositionsführer Klitschko in Kiew zusammentraf, einmal genauer anzusehen. Sie belegen die extreme Einmischung Washingtons in die inneren Angelegenheiten der Ukraine. Nuland, die von Hillary Clinton zur Beauftragten des US-Außenministeriums für Europa und Eurasien ernannt wurde, will die Entscheidung der ukrainischen Regierung gegen einen EU-Beitritt nicht hinnehmen. Die Regierung hatte im November 2013 beschlossen, die von Brüssel aufgestellten Bedingungen für ein »Assoziierungsabkommen« zwischen der Ukraine und der EU nicht zu akzeptieren.
Danach hätte die Ukraine ihre Wirtschaft den Regeln des »freien Marktes« öffnen müssen, ohne dafür wesentliche Gegenleistungen zu erhalten. Als Janukowytsch der EU die Entscheidung seiner Regierung mitteilte, gab Nulands Sprecher die folgende Erklärung ab: »Wir unterstützen auch weiterhin den Wunsch der Menschen in der Ukraine, zu einer erfolgreichen europäischen Demokratie zu werden.« Es war eine wenig diplomatische Einmischung auf der Seite der Demonstranten, mit der die Opposition gestärkt werden sollte. Das gelang auch.
Am 5. Dezember 2013 erklärte Nuland nach dem Treffen mit Klitschko: »Es sollte keinen Zweifel darüber geben, wo die Vereinigten Staaten in dieser Frage stehen. Wir stehen auf der Seite der Menschen in der Ukraine, die ihre Zukunft in Europa sehen...« Ihrer Rede ließ sie eine Reihe von seltsamen Pressefotos folgen, auf denen sie zu sehen war, wie sie oppositionellen Demonstranten eine Plastiktüte mit Lebensmitteln übergab. Wenige Tage nach Nulands parteiischen Aussagen für einen EU-Beitritt folgte der Auftritt des republikanischen Kriegsfalken Senator John McCain, der sich Anfang Dezember an die Seite der Opposition stellte. McCain ist Vorstandsvorsitzender des vom National Endowment for Democracy unterstützten International Republican Institute.
Am 15. Januar 2014 kritisierte Nuland Russland dafür, dass es der Ukraine lebenswichtige Anleihekäufe in Höhe von 15 Milliarden Dollar gewährte. In diesem Zusammenhang legte sie praktisch das Standardvorgehen der US-Regierung zur Wahlbeeinflussung offen, das in zahlreichen »Farbenrevolutionen« seit dem Putsch des NED im Jahr 2000 gegen Miloševićs Jugoslawien zur Anwendung gekommen ist. Vor dem US-Senat erklärte sie: »Der Einsatz von Gewalt und Repression durch Sicherheitskräfte der Regierung und deren Surrogate haben uns dazu veranlasst, gegenüber der Regierung der Ukraine öffentlich und privat klarzustellen, dass wir über verschiedene uns zur Verfügung stehende Instrumente nachdenken, wenn Verantwortliche in der Ukraine Gewalt gegen die eigenen Bürger einsetzen oder dazu ermuntern.«
Anschließend appellierte sie direkt an Präsident Janukowytsch: »Wir fordern ihn auf, frühere Versicherungen durch konkrete Handlungen zur Wiederherstellung der Verantwortlichkeit der Regierung, der Rechtsstaatlichkeit und des Engagements mit EU und IWF glaubhaft zu machen.« Unter Bezug auf die für 2015 geplanten Wahlen in der Ukraine erklärte sie: »Teil der Unterstützung der USA im Vorfeld der Wahlen in der Ukraine werden wahrscheinlich Programme für die Aufsicht der Bürger über das Wahlkampfumfeld und die Durchführung der Wahlen, für unabhängige Medienberichterstattung sowie Aufklärung und Beteiligung der Bürgerschaft sein.« Und schließlich: »State Department und USAID prüfen, wie Zivilgesellschaft und Medien in der Ukraine bestmöglich unterstützt werden können.«
Victoria Nuland ist ein Überbleibsel des von neokonservativen Kreisen um Bush und Cheney versuchten Staatsstreichs in den USA. Sie war früher Assistentin von US-Vizepräsident DickCheney; verheiratet ist sie mit Robert Kagan, dem Guru der Neokonservativen. Sie wurde dabei ertappt, wie sie als Sprecherin des Außenministeriums unter Hillary Clinton die amerikanische Öffentlichkeit anlog. Nuland veranlasste ihre Vorgesetzten, zahlreiche Bezüge auf Extremisten, die in Bengasi und im Osten Libyens mit der al-Qaida zusammenarbeiteten, zu streichen. Außerdem überredete sie hochrangige Beamte, Informationen über mindestens fünf weitere Attacken nicht identifizierter Angreifer auf ausländische Interessen in Bengasi zu streichen.
Washington, zumindest aber die dortigen Neokonservativen, sind offensichtlich entschlossen, die neue ukrainisch-russische Wirtschaftszusammenarbeit zu destabilisieren, koste es, was es wolle.
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