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Gentechnik auf dem Tisch
Die Enthaltung der Bundesregierung bei der Zulassung von gentechnisch manipuliertem Mais aus den USA bewertet die deutsche Presse überwiegend als verantwortungslos. Zwar gebe es bei dem Thema auch viel Hysterie, doch biete das Übertragen der Entscheidung auf die EU keine akzeptable Alternative.

Die Enthaltung der Bundesregierung bei der Zulassung von gentechnisch manipuliertem Mais aus den USA bewertet die deutsche Presse überwiegend als verantwortungslos. Zwar gebe es bei dem Thema auch viel Hysterie, doch biete das Übertragen der Entscheidung auf die EU keine akzeptable Alternative.


Kommentar: 31. Januar 2014: Bundestag stimmt Genmais zu


Dezidiert gegen eine Zulassung der Genmais-Sorte 1507 in der EU spricht sich beispielsweise die Frankfurter Rundschau aus. Es verwundere sehr, "dass Kanzlerin Angela Merkel angesichts der heftigen Gegenwehr" hierzulande "eine dermaßen verbraucherfeindliche Entscheidung" passieren lässt. In ihrer 20-jährigen Geschichte habe die grüne Gentechnik nicht den Nachweis erbringen können, "wenigstens eine drängende Frage zu lösen". Sie bekämpfe weder den Hunger, noch verringere sie den Einsatz von Pestiziden. Stattdessen fülle sie "allein die Kassen der Agrarindustrie, schmälert die Sorten- und gefährdet die Artenvielfalt auf dem Acker".

Die Aachener Nachrichten sehen bei Merkel eine Taktik am Werk, die unpopuläre Entscheidung durch die Hintertür durchzusetzen. Denn sie wisse genau, "dass es durch die deutsche Enthaltung keine qualifizierte Mehrheit in der EU gegen den Anbau der neuen Genmaissorte gibt". Ebenso wisse sie, dass die nun mit der Entscheidung betraute EU-Kommission den menschlich manipulierten Pflanzen wohl grünes Licht erteilen wird. Merkel hoffe, damit "politisch fein raus zu sein". Den auf der einen Seite könne der Genmais so kommen, auf der anderen Seite könne sie die Verantwortung dafür nun jedoch nach Brüssel schieben. Statt sich zu einer "Handlangerin der Gentechnik-Industrie" zu machen, könne die Kanzlerin so ihre Hände in Unschuld waschen.

Ähnlich sieht es die Badische Zeitung, laut welcher sich die Große Koalition hinter dem EU-Zulassungsverfahren versteckt. Wegen der Uneinigkeit zwischen SPD und Union enthält sich Deutschland bei der Abstimmung, wobei die "Verlagerung grundsätzlicher politischer Fragen in Beamtenfachausschüsse schon lange ein Ärgernis" sei. Das EU-Parlament würde in diesem Zusammenhang lediglich angehört, während die Mitgliedsstaaten eine qualifizierte Mehrheit gegen die Kommission bräuchten. Im Lissabon-Vertrag hätte dies reformiert werden können - doch für die nationalen Regierungen sei es bequem, die Prozedur zur Verantwortung zu ziehen.

Die Zeitung Die Welt ist der Ansicht, dass es Europa beim Thema Genmais seit Jahren vermeidet, notwendige Entscheidungen zu treffen - und Deutschland insbesondere. Gestaltungswillen oder politische Verantwortung kann das Berliner Blatt dabei nicht erkennen, wobei die "Enthaltung beim Mais 1507 wenig Hoffnung auf Besserung" macht. Letztlich ginge es bei der Entscheidung um eine "Güterabwägung" - gentechnisch veränderte Pflanzen könnten "viele Insektenarten gefährden", doch "aus Sicht der Entwicklungsländer" sind dies Luxusprobleme. "Genmais ist kein Teufelszeug", befindet die Zeitung und ist überzeugt, dass die Gesetze des Marktes den Genmais früher oder später auch nach Deutschland bringen werden.

Die Frage nach der Ernährungssicherheit stellt auch die Schwäbische Zeitung. Allerdings könne "die Lösung kann nicht darin bestehen, immer mehr in die natürlichen Abläufe einzugreifen". Eine Ertragssteigerung müsse auch ohne Manipulationen am Erbgut möglich sein", findet das Blatt aus Ravensburg. Die deutschen Verbraucher gäben sich zwar mehrheitlich ernährungs- und qualitätsbewusst", doch spielten niedrige Preise für die meisten eine ebenso große Rolle - wodurch der Preisdruck für die Landwirtschaft steigt. Doch die Hektarerträge mit gentechnisch verändertem Saatgut zu steigern, sei "nur die Fortsetzung des Einsatzes von Pestiziden", mit allen dazugehörigen Risiken und Nebenwirkungen. Fortschritt könne daher "auch mal heißen, mit dem, was vorhanden ist, auszukommen".

Ebenso plädiert die Nürnberger Zeitung für mehr Augenmaß bei der Nutzung neuer Techniken. Denn "dem eher geringen Nutzen stehen gewaltige Risiken gegenüber". Auch wenn bislang keine negativen Folgen für die Umwelt hätten nachgewiesen werden können, ließe sich die Gefahr bei einer so komplexen Frage wie dem Nahrungskreislauf nicht ausschließen. "Generationenübergreifende Langzeitstudien gibt es nicht. Und Phänomene wie das Bienensterben zeigen, dass in der Umwelt viele Faktoren zusammenspielen" - einzelne Ursachen seien dabei schwer nachzuweisen.