Bild
Der Chefaufklärer des größten Nazi-Mordfalles der Geschichte der jungen deutschen Demokratie sammelt privat Bilder und Filmchen von nackten Jungen. Er bezahlt den keineswegs strafbaren Schund mit seiner Kreditkarte - ausländische Mächte benötigen nicht einmal die Werkzeuge von NSA und Co., um einen deutschen Spitzenpolitiker mit einem Karrierefahrplan, der günstigstenfalls bis in ein Ministeramt führen wird, in der Hand zu haben. Die Staatsanwaltschaft bekommt einen Tipp aus dem Ausland - der Chefaufklärer habe nichts Strafbares getan. Sie nimmt, so geht das hierzulande, Vorermittlungen auf, weil es, so sagt sie später, keinen Anfangsverdacht gab.

Dann die Durchsuchung, deren veröffentlichte Ergebnisse nach Schmierenkomödie klingen. "Das stinkt zum Himmel, er hat sich generalstabsmäßig auf die Durchsuchungen vorbereitet", zitiert die Bild einen Ermeittler. Edathy habe es geschafft, bis auf einen intakten Computer "alle anderen Rechner" zu "entfernen". Nicht geschafft hat er es, "Reste zerstörter Festplatten" (Bild) in einen Papierkorb außerhalb seines Grundstückes zu werfen.

Klingt logisch und nachvollziehbar und passt so genau zum übrigen Geschehen, wie es von hieraus weitergeht. Ein surrealer Film ohne Tonspur: Der Innenminister bekommt, unter Verletzung aller gesetzlichen Vorgaben, von seinen Staatssekretär mitgeteilt, dass da etwas gegen den Chefaufklärer im Busch ist. Etwas, das nicht strafbar ist. Sowas teilen sich die Herren da oben dauernd mit. Der Innenminister tratscht die Nachricht deshalb sofort weiter - er informiert über den SPD-Parteichef umgehend die komplette Parteispitze des künftigen Koalitionspartners. Wohl um zu verhindern, dass die den Sammler legaler Kinderbilder in ein Regierungsamt beruft und damit die Kanzlerin seiner Partei, die diese Regierung führen wird, in Schwierigkeiten bringt, wenn die Sache auffliegt.

Als es soweit ist, leugnen alle wie ein Mann, irgendetwas zu wissen. Nur „Die Harke“ wars, das Heimatblatt, ist das empörend, eine Verletzung der Privatspähe, unglaublich. Es schüttelt einen, wenn man Politiker ist. 24 Stunden später geben sie dann allerdings zu: Alle haben alles vorher gewusst, vom Vizekanzler bis zum letzten Vorstandsbeisitzerersatz. Nur die Kanzlerin, die ist von ihrem damaligen Innenminister hintergangen worden, denn sie, das versichert ihr Sprecher, sei nicht damals, sondern jetzt eben erst informiert worden.

Es ist wie in einer Slapstick-Komödie, in der auf jeden groben Scherz noch eine Sahnetorte geworfen wird. Berlin außer Rand und Band, eine Kamarilla aus miteinander über Parteigrenzen hinweg verkumpelten Rechtsverächtern regiert nach der gnadenlosen Moral des Machterhaltes. Es ist wie damals bei Wulff: Für die da draußen gilt das Gesetz, für uns hier drin, die wir das Land führen müssen, sind die Maßstäbe anders, flexibel, ganz am Nutzeffekt ausgerichtet. So geht das Lied, das sie nun singen müssen.

Ein Marschgesang, der sie in eine Bredouille geführt hat, die keinen Ausweg kennt: Entlässt Angela Merkel ihren nunmehrigen Landwirtschaftsminister Friedrich, weil er sie hintergangen hat, indem er ihr nichts gesagt hat? Oder würde Friedrich dann gestehen, dass er ihr ja doch alles erzählt hat - und erst danach und auf ihre Anweisung die SPD informierte? Hält Merkel also nur an Friedrich fest, damit er das nicht tut? Wäre Friedrichs Entlassung ein Beweis für Merkels Unwissen? Ist ihr Festhalten an ihm ein Beleg für das Gegenteil? Oder einer dafür, dass die Kanzlerin ihre Truppen nicht im Griff hat, weil die die politische Konkurrenz ins Vertrauen ziehen, wo sie ihr keinen Piep sagen?

Wer glaubt das? Glaubt es überhaupt jemand? Die Konsequenzen sind in jedem Fall alternativlos: Alle haben gelogen oder lügen oder müssen zumindest angestrengt leugnen, dass sie gelogen haben oder immer noch lügen. Eine „Staatsaffäre“ hat PPQ den Fall Edathy genannt, der in atemberaubender Geschwindigkeit ein Fall Friedrich, ein Fall politische Elite und damit ein Fall Merkel geworden ist. Das Handelsblatt schreibt das inzwischen ab, der Spiegel raunt von einer "Regierungsaffäre".

Morgen wird auch der Rest der Meute nachziehen. Dann wird der Name Merkel fallen. Sobald die Genehmigung kommt.

Im Moment steht der tapfere Heribert Prantl in der SZ vor einem Abgrund angeblicher Fragen - die interessante aber stellt er nicht: Ist es denkbar, dass Friedrich die SPD informierte, ohne zuvor seine Kanzlerin zu befragen?

Die Anmerkung zum Fall