Ohne Emotionen wären wir nicht lebensfähig, aber Angst, Scham oder Wut machen uns den Alltag oft schwer. Können wir lernen, sie in den Griff zu bekommen?

Sylwia Plaza drapiert ein paar Handtaschen und Rucksäcke auf einem Tisch. »Stellt euch vor, das sind Monitore«, erklärt sie und weist den umstehenden Personen ihre Plätze zu: »Du sitzt hier an diesem Schreibtisch, du stehst dort drüben.« Mit einem Mann geht sie einen Text durch und bittet ihn, diesen »so hart wie möglich« und »von oben herab« zu sagen. Es ist nicht die Probe einer Laienspielgruppe, die an diesem Nachmittag im Seminarraum der Hamburger Volkshochschule stattfindet. Die Büroszene stammt nicht aus einem Bühnenstück, sondern aus dem Leben - Sylwia Plazas Berufsleben. Das Rollenspiel ist Teil eines Konflikttrainings, »Mehr Mut im Alltag« verspricht der Kurs.

Mehr Mut - den hätte die Informatikerin Plaza gern gehabt, als der Mitarbeiter einer externen Firma vor einiger Zeit das Computersystem ihres Unternehmens im laufenden Betrieb zum Absturz brachte und ihr, der hausinternen IT-Fachfrau, die Schuld daran gab. »Das war ungerecht«, sagt Plaza. Aber gewehrt habe sie sich nicht. »Ich konnte nichts sagen, war erstarrt, wie das Kaninchen vor der Schlange.« Ihr Herz habe wild gepocht, ihre Kehle war wie zugeschnürt.

Situationen wie diese hat die 36-Jährige schon häufiger erlebt. Sie fürchtet Konflikte und lässt sich von dominanten Kollegen schnell einschüchtern - selbst wenn sie im Recht ist. Das möchte sie ändern. Sie will das schaffen, was sich viele vornehmen: emotionale Situationen besser meistern. Eine schwierige Aufgabe, denn unsere Gefühle haben große Macht über uns. »Sie beherrschen unseren Verstand mehr als umgekehrt«, sagt der Bremer Hirnforscher Gerhard Roth, der ein Buch darüber geschrieben hat, warum es so schwer ist, sich zu ändern. Emotionen steuern unser Verhalten, beeinflussen unsere Persönlichkeit und die Beziehungen zu anderen Menschen.

Doch wir sind ihrer Macht nicht hilflos ausgeliefert. Auch Erwachsene können sich noch ändern. Zwar wird niemand seine Persönlichkeit völlig umkrempeln können, aber wir können lernen, besser mit eigenen Emotionen und denen anderer umzugehen. Wer seine Angst oder Wut überwinden, seine Schüchternheit ablegen oder sich ein dickeres Fell zulegen möchte, kann das auch als Erwachsener noch schaffen. Er braucht allerdings, wie beim Erlernen einer neuen Sprache oder eines Musikinstrumentes, viel Geduld und Training.

Die Angebotsspanne ist groß, vom einwöchigen VHS-Kurs bis zur mehrjährigen Psychotherapie. Auch Sylwia Plaza hat schon einiges ausprobiert. Sie hat verschiedene Kurse besucht, zahlreiche Ratgeber gelesen, Hypnose-CDs gehört und sogar spezielle Massagetechniken gegen ihre Blockaden ausprobiert.

Am VHS-Konflikttraining gefällt ihr die praktische Übung. Nach jedem Rollenspiel setzen sich die Teilnehmer zusammen, analysieren die Situation und können beim nächsten Durchgang ausprobieren, anders zu handeln. Sylwia Plaza kann hier in einem geschützten Rahmen üben, auch mal den Mund aufzumachen. »Das war gut, weil es sich sehr echt angefühlt hat, ich hatte wieder richtig Herzklopfen«, erzählt sie im Anschluss. »Manche Menschen drücken bei mir einfach diese Knöpfe«, sagt sie, überlegt kurz und verbessert sich: »Ich lasse sie diese Knöpfe drücken.« Die Kursleiterin Renate Schröder nickt zufrieden: »Richtig, du lässt sie. Noch.«
Umgang mit den eigenen Gefühlen...

Auch wenn es mit zunehmendem Alter immer schwieriger wird, seine emotionalen Verhaltensmuster zu verändern, ist dies mit intensivem Training für viele Menschen möglich. Erwachsene bringen dafür meist sogar zwei wichtige Voraussetzungen mit, die Kindern häufig fehlen: Motivation und Leidensdruck. Wunder sollte aber niemand erwarten. Sein Temperament kann ein Mensch nicht ablegen, denn es ist auch genetisch bedingt. Man kann jedoch lernen, in emotional schwierigen Situationen besser zu reagieren. Wer zu Wutausbrüchen neigt, wird also wahrscheinlich sein Leben lang schnell ärgerlich werden, er kann aber in Präventionsprogrammen trainieren, seine Impulse zu kontrollieren. Generell hängen Aufwand und Aussichten von den jeweiligen Problemen ab. Einige erfordern lange Therapien, bei anderen helfen schon Entspannungsübungen oder einfache Techniken. Bei Prüfungsangst etwa kann es einer aktuellen Studie zufolge bereits helfen, sich kurz vor der Prüfung seine Gefühle von der Seele zu schreiben.

...und den Gefühlen der anderen

Um mit anderen Menschen rücksichtsvoll umgehen zu können, muss man ihre Gefühle zunächst einmal erkennen können. Diese Fähigkeit lässt sich trainieren, etwa mithilfe von Übungen, die auf dem Facial Action Coding System des amerikanischen Emotionsforschers Paul Ekman basieren. Er hat systematisch erfasst, wie sich etwa Wut, Trauer und sogar Neid in der Mimik und Gestik eines Menschen niederschlagen. In Anlehnung an Ekmans Arbeiten lernen etwa beim Heidelberger Gewaltpräventionsprogramm »Faustlos« Kinder und Erwachsene anhand von Fotos und Videos, ihren Blick für diese Details zu schärfen und den Ausdruck auch selbst zu imitieren. Darüber hinaus können Rollenspiele dabei helfen, sich in die Position anderer Personen hineinzuversetzen. Ob Menschen auch ihr Mitgefühl für andere gezielt trainieren können, wird im Augenblick noch von Wissenschaftlern untersucht. Erste Hirnstudien mit meditationserfahrenen Mönchen lassen vermuten, dass man empathischer werden kann.
»Ein Rollenspiel kann noch einmal alle Prozesse, die in der problematischen Situation von Bedeutung waren, aktivieren. Dadurch sind alternative Reaktionsweisen, die in Rollenspielen ausprobiert und eingeübt werden, auch in der problematischen, realen Situation leichter abrufbar«, sagt Matthias Berking, Professor für Psychotherapieforschung der Universität Marburg. So können Rollenspiele dabei helfen, alte Muster aufzubrechen und neue einzuschleifen.

Dass emotionale Muster oft tief sitzen, liegt daran, dass sie früh geprägt werden. Ob ein Mensch oft ängstlich oder zornig reagiert, zu Traurigkeit oder Frohsinn neigt, ist schon in seinen Genen angelegt. Auf 30 bis 50 Prozent schätzen Wissenschaftler den genetischen Einfluss auf das Temperament. Wie stark sich die Veranlagung tatsächlich ausprägt, hängt von den Erfahrungen in der Kindheit und sogar schon im Mutterleib ab. »Vor allem die Bindungserfahrungen der ersten drei Jahre sind wichtig«, sagt Roth.

Sylwia Plaza sagt, sie sei ein braves Kind gewesen, das nie Ärger provozieren wollte. »Konflikte auszutragen habe ich gar nicht gelernt.« Dass sie heute Angst davor hat, erklärt sie sich auch mit den strengen Erziehungsmethoden der polnischen Schule, an der sie die ersten Schuljahre verbrachte. Es kam vor, dass die Lehrerin das Mädchen vor der ganzen Klasse mit einem Holzlineal schlug. »Das sitzt offenbar noch tief.«

Eigentlich ist es sinnvoll, dass emotionale Muster sich früh festigen, denn Emotionen vor allem die negativen - sind dafür da, uns zu schützen. »Wir können schnell reagieren, ohne vorher lange nachdenken zu müssen«, sagt Gerhard Stemmler, Professor für Differentielle Psychologie und Persönlichkeitsforschung an der Universität Marburg. Angst lässt uns fliehen, Wut kämpfen, Schamgefühl sichert das Einhalten sozialer Regeln und schützt somit vor dem Ausschluss aus der Gruppe. »Emotionen sind ein Überlebensvorteil«, sagt Stemmler.

Im Alltag kann daraus jedoch ein Nachteil werden: Wenn man ständig in Tränen ausbricht oder an die Decke geht, eifersüchtig über die Bekanntschaften des Partners wacht oder jeden Vortrag mit flauem Magen hält. Langfristig können chronisch-negative Emotionen krank machen, die Psyche und sogar das Herz oder andere Organe belasten.

Zwar werden Menschen im Laufe des Lebens emotional stabiler und reagieren weniger heftig, wie Langzeitstudien zeigen. Zu sehr sollte man sich darauf aber nicht verlassen. Denn das Grundtemperament bleibt. Wer zu Wut, Angst oder Traurigkeit neigt, für den wird das wahrscheinlich immer ein Thema bleiben.

Die klinische Forschung zeigt aber, dass Menschen lernen können, damit umzugehen. »Mittlerweile zeigt eine kaum noch zu überblickende Anzahl an Psychotherapiestudien, dass sich emotionale Verhaltensweisen beeinflussen lassen, auch noch im fortgeschrittenen Alter«, sagt Berking.

Voraussetzung dafür ist die neuronale Plastizität: Die emotionalen Schaltkreise im Gehirn sind auch bei Erwachsenen noch formbar. Neue Nervenzellen können wachsen, Verbindungen zwischen Nervenzellen aufgebaut und bestehende Verbindungen gestärkt werden. »Es ist möglich, positiv wirkende Hirnareale gezielt zu stärken«, sagt Berking. Hirnscans zeigen zum Beispiel, dass Angsttherapien zu einer verstärkten Aktivierung von Strukturen im Vorderhirn führen, welche hemmend auf die Mandelkerne wirken jene Regionen, die bei Bedrohung aktiviert werden. »In einer beängstigenden Situation springen sie dann zwar erst einmal an, gleichzeitig werden aber auch die neu aufgebauten Areale aktiviert, die sie hemmen.« Solche positiv wirkenden Strukturen könne man »wie einen Muskel« trainieren.

Es ist jedoch nicht etwa damit getan, Emotionen herunterzuspielen und die Fassade zu wahren. »Zwar ist das Pokerface oft das einzige Instrument, das schnell zur Verfügung steht«, sagt Stemmler. »Aber oft wird es dadurch noch schlimmer.« Die physiologische Erregung werde dann noch größer, weil es Energie koste, das Erscheinungsbild zu kontrollieren. Langfristig könne das sogar gesundheitsschädlich sein, etwa zu Bluthochdruck führen.

Emotionsforscher sind daher überzeugt, dass es besser ist, Situationen, in denen negative Gefühle entstehen, anders zu bewerten, damit diese sich nicht so stark entfalten. Dazu gehört nach Ansicht von Matthias Berking auch eine positive Einstellungen den Emotionen selbst gegenüber. »Man sollte sie nicht als Gegner, sondern als Verbündete sehen«, sagt er. »Wenn ich vor einem Vortrag Angst spüre, will meine Psyche mir ja eigentlich helfen. Sie will mir zeigen, dass etwas auf dem Spiel steht, und erhöht kurzfristig meine Leistungsfähigkeit.« Die Kunst bestehe darin, diese Hilfestellung zu akzeptieren oder gar konstruktiv zu nutzen - etwa für einen besonders mitreißenden Vortrag.

Fähigkeiten wie diese lassen sich trainieren. Berking hat ein Buch darüber geschrieben und ein Lehrprogramm entwickelt, in das die Erkenntnisse der empirischen Psychotherapieforschung eingeflossen sind. Titel: Training emotionaler Kompetenzen . Demnach können in unangenehmen Situationen schon einfache Körperübungen helfen: etwa die Muskeln zu entspannen oder ruhig zu atmen. Ein weiterer wichtiger Schritt besteht darin, zu lernen, Gedanken, Empfindungen und Gefühle neutral zu beobachten, ohne sofort darauf zu reagieren. So kann man verhindern, dass sie sich aufschaukeln.

»Wenn wir uns darauf konzentrieren, wie es uns gerade geht, dann ist das ein erster wichtiger Schritt zur Emotionskontrolle. Die Gefühle können uns dann nicht einfach überfluten«, sagt Andreas Schick, Leiter des Heidelberger Präventionszentrums und Mitbegründer des Programms Faustlos. Er bringt Schülern, aber auch Lehrern bei, aggressive Impulse zu kontrollieren. Gerade bei Wut sei die Selbstbeobachtung und Reflexion sehr wichtig, denn oft stecke dahinter ein anderes Gefühl wie Verletzung oder Sorge.

Eine Möglichkeit, die Selbstwahrnehmung zu lernen, bietet die Achtsamkeitsmeditation. Sie folgt der buddhistischen Tradition. »Meditation nimmt der emotionalen Erregung die Spitze, sodass man nicht wie eine Reiz-Reaktions-Maschine in automatische Verhaltensmuster rutscht«, sagt der Psychologe Ulrich Ott, der die Wirkung der Meditation am Bender Institute of Neuroimaging der Universität Gießen erforscht. Ruhe ein Mensch mehr in sich, könne er gelassener in ein unangenehmes Gespräch gehen. Er lasse sich dann gar nicht erst provozieren oder verunsichern. Außerdem schärfe das mentale Training die Aufmerksamkeit. Meditierende lernen, ihre Gedanken zu beobachten und zu stoppen, bevor sie schlechte Gefühle auslösen. »Es entsteht eine Lücke, in der ich mich fragen kann: Was nehme ich wahr, und wie will ich darauf reagieren?«

Hirnstudien weisen darauf hin: Menschen, die seit Langem meditieren, weisen eine höhere Dichte an Nervenzellen im orbitofrontalen Kortex auf, einer Region oberhalb der Augenhöhlen, die mit dem Umlernen emotionaler Reaktionen in Verbindung gebracht wird.

Welche Rolle die eigene Haltung in Extremsituationen spielt, hat Ott mithilfe von Experimenten untersucht, bei denen er Probanden Stromschläge verabreichte. »Wer sie mit Gleichmut registrierte, ertrug sie viel besser als jemand, der sich in Erwartungsängste hineinsteigerte«, sagt der Psychologe. Auf emotional schwierige Situationen sei das gut übertragbar.

Martina Aßmann kann das bestätigen, sie meditiert seit vier Jahren regelmäßig, vor allem in der U-Bahn. Die 49-jährige Hamburgerin möchte ihre Ungeduld überwinden, die ihr selbst und ihren Mitmenschen oft das Leben schwer macht. »Wenn die U-Bahn mal länger im Tunnel steht oder jemand langatmig und umständlich erzählt, ist das für mich kaum zu ertragen«, sagt Aßmann. »Manchmal könnte ich dann an die Decke gehen.« Einmal ist sie sogar im Urlaub ausgerastet, weil das Ferienhaus bei ihrer Ankunft noch nicht frei war. »Wie eine Furie habe ich die Frau von der Zimmervermittlung angebrüllt«, erzählt sie. Der Tag ist ihr in schmerzhafter Erinnerung geblieben.

Heute würde ihr das vermutlich nicht so leicht passieren, dank der Meditation hat sie ihre Ungeduld besser im Griff. Zwar fährt sie immer noch nicht gern U-Bahn. »Aber ich kann mich jetzt bewusst für diesen Moment entscheiden und ihn ertragen.« Wird ihre Geduld heute strapaziert, beobachtet sie sich selbst. »Da drückt was im Bauch, nimmt mir den Atem, verspannt meinen Nacken«, erklärt Aßmann. Negative Gedanken kann sie jetzt einfach weiterziehen lassen. »Ach, jetzt bist du wieder ungeduldig, denke ich dann und versuche mir das auch selbst zu verzeihen.«

Manchmal konzentriert sie sich beim Meditieren auch bewusst auf liebevolle Gefühle anderen Menschen gegenüber. »Ich kann mich seitdem besser in andere hineinversetzen und mich von ihnen berühren lassen«, sagt Aßmann.

Bewiesen ist es bislang nicht, aber erste Studien deuten darauf hin, dass Menschen mit viel Meditationspraxis mitfühlender sind. Forscher der University of Wisconsin etwa zeichneten die Hirnaktivität von buddhistischen Mönchen und Laien auf, während diese affektive Geräusche etwa das Lachen eines Babys oder die Stimme einer traurigen Frau - hörten. Bei den Mönchen waren jene Hirnregionen, die Wissenschaftler mit Mitgefühl in Verbindung bringen, deutlich aktiver. »Sie waren offenbar besser dazu in der Lage, die Emotionen in sich selbst nachzuvollziehen«, sagt Ulrich Ott.

Ob auch Erwachsene, die zuvor nicht meditiert haben, durch ein mehrwöchiges mentales Training mehr Mitgefühl erlernen können, untersuchen derzeit Tania Singer und ihre Kollegen am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig. Erste Befunde, die jedoch noch nicht publiziert sind, deuten stark darauf hin.

Wie gut Meditation geeignet ist, den Umgang mit Emotionen zu verändern und ob sie dafür ausreicht, hängt von der Person und ihrem Problem ab. »Sie ist ein guter Einstieg, aber mehrere Werkzeuge zu beherrschen ist besser«, sagt Matthias Berking. Manchen Menschen lägen kognitiv-analytische Strategien eher. So könne etwa ein Manager, der es gewohnt sei, täglich eine Vielzahl von Problemen zu lösen, lernen, negative Emotionen ebenfalls als Problem zu definieren. Wie bei anderen Problemen gehe es dann darum, die Emotion erst einmal genau zu beschreiben und die Auslöser zu analysieren. Dann gelte es, eine konkrete und realistische Ziel-Emotion zu finden und Ideen zu sammeln, wie diese sich bewusst auslösen lasse. Andere Menschen müssen Veränderungen durch Taten schaffen: Wer Angst vor etwas habe oder unter starken Schamgefühlen leide, müsse sich langfristig mit solchen Situationen selbst konfrontieren, um korrigierende Erfahrungen zu sammeln, sagt Berking.

Die Angebote auf dem freien Markt sind zahlreich, aber nicht immer wissenschaftlich fundiert. Wer keine Therapie benötigt, sondern vergleichsweise kleine Probleme hat, hat es daher schwer, sich zu orientieren. Anders als bei Psychotherapien sind die Wirkungen von Selbsthilfeseminaren äußerst selten Gegenstand wissenschaftlicher Studien. »Das ist ein Problem«, sagt Matthias Berking, »es muss aber nicht heißen, dass diese Angebote schlecht sind.« Wer nicht allein auf Mundpropaganda vertrauen will, dem rät er, sich an einen zugelassenen psychologischen Psychotherapeuten zu wenden. »Die sind in der Regel sehr gut ausgebildet. Auch wer keine Therapie möchte, kann sich von ihnen hilfreiche Bücher empfehlen lassen.« Für besonders aussichtsreich hält er Ansätze, die sich an der kognitiven Verhaltenstherapie orientieren: »Die Verhaltenstherapie hat sich von Anfang an durch den Fokus auf messbare Erfolge definiert.«

Der Hirnforscher Gerhard Roth findet es vor allem wichtig, die Sache nicht allein anzugehen: »Man braucht eine Rückmeldung von außen, sonst betrügt man sich nur selbst.« Einen Therapeuten oder Coach brauche man dafür aber nicht gleich. Auch ein guter Freund könne bei der Umsetzung des eigenen Trainingsplans helfen.

Welchen Weg man auch wählt: Er kostet Mühe. Kurse, die schnelle Erfolge versprechen, sieht Roth kritisch: »Ein teures Wochenende, und am Montag ist man ein neuer Mensch - das ist unmöglich.« Nur durch stetes Training lässt sich das Gehirn umstrukturieren. Jemand, der depressiv sei, so Berking, müsse entsprechende Übungen regelmäßig und bestenfalls bis ans Ende seines Lebens machen, damit die Hirnstrukturen, die auf das limbische System wirken, sich nicht wieder zurückbilden. Es ist wichtig, diesen »Muskel« im Alltag zu trainieren - etwa durch kleine Rituale. Auch wenn das oft anstrengend und langweilig ist.