Sonnencreme
© ColourboxIn Sonnencreme werden Nanopartikel als effektiver UV-Filter eingesetzt
Die Zukunft ist nano: Die kleinen Teilchen versprechen die Materialwelt zu revolutionieren, die Regierung pumpt Millionen in die Technik. Doch über die Risiken ist noch viel zu wenig bekannt.

Krawatten, von denen der Rotwein von selbst abperlt. Socken, die nicht stinken. Ein Milchshake, der seinen Geschmack ändert, je nachdem wie stark er geschüttelt wird. Kratzfester Autolack und Medikamente, die ihre Wirkstoffe gezielt im Körper abgeben: Von Nanopartikeln versprechen sich Wissenschaftler und Unternehmer viel. Die kleinen Teilchen sollen die Welt der Materialien revolutionieren, Ressourcen schonen, zum Umweltschutz beitragen und die Medizin verbessern.

Mehr als 900 Unternehmen sind in Deutschland schon in diesem Bereich aktiv. Nano gilt als Zukunftstechnologie, und der Markt ist milliardenschwer. Zwischen einer und drei Billionen US-Dollar wird das weltweite Marktpotenzial für 2015 geschätzt. Die Mehrheit der Verbraucher hat von Nano hingegen noch nichts gehört. Und das, obwohl sich Nanomaterialien mittlerweile in zahlreichen Alltagsprodukten finden - in der Zahnpasta ebenso wie in der Sonnencreme, in Waschmitteln oder Textilien.

Über 600 Produkte listet die Nanoproduktdatenbank des Bundes für Umwelt und Naturschutz in Deutschland (BUND) mittlerweile auf. "Und es gibt mit Sicherheit noch mehr", sagt Jurek Vengels, BUND-Experte für Nanotechnologie. Nano dringt in immer mehr Bereiche des alltäglichen Lebens ein. Das Problem: Wie gefährlich die Produkte für den Verbraucher und die Umwelt sind, weiß noch niemand so genau. Und das bereitet Verbraucherschützern zunehmend Sorgen.

Kleine Teilchen, große Hoffnung "Nano" kommt aus dem Griechischen und heißt "Zwerg". Ein Nanometer ist ein Milliardstel eines Meters. Zum Vergleich: Ein menschliches Haar ist um die 80.000 Nanometer breit. Als Nanomaterialien gelten Stoffe, die bis zu 100 Nanometer groß sind. Doch bereits diese Definition ist umstritten. Manche Experten und Umweltschützer fordern, auch größere Stoffe mit einzubeziehen, da auch sie Eigenschaften wie Nanoteilchen zeigen. Für die amerikanische Lebensmittelbehörde FDA zählt alles zu Nanomaterialien, was unter 1000 Nanometer groß ist und sich einzigartig verhält.

Aber was unterscheidet die Winzlinge eigentlich von ihren größeren Chemikalienbrüdern? Da sie bei gleichem Volumen eine größere Oberfläche haben, sind sie kontaktfreudiger, sie reagieren schneller mit anderen Stoffen. Ihre physikalischen und chemischen Eigenschaften sind grundlegend verändert.

Nano-Teilchen schädigen die Lunge

"Aus Tierversuchen weiß man, dass einige Nanomaterialien giftig wirken können", sagt Vengels. "Über die Nahrung oder die Atemluft aufgenommen, können sie Entzündungen in der Lunge auslösen, die DNA schädigen oder die Hirnentwicklung beeinflussen." Da die Partikel so klein sind, ist es ihnen möglich, natürliche Barrieren wie die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden. Von Nanoröhrchen aus Kohlenstoff ist bekannt, dass sie bei Tieren ähnliche Erkrankungen auslösen können wie Asbestfasern.


Comment: Im Lichte dieser Information und der Tatsache, dass radioaktiver Fallout von Tausenden von Atombombentests weltweit -- die normale industrielle Luftverschmutzung und andere Faktoren gar nicht zu erwähnen -- zu unterschiedlichsten Gesundheitsproblemen führt, kommt natürlich die Frage auf, warum so viele Millionen in Anti-Raucher-Kampagnen investiert werden? Geht es vielleicht darum, die echten Risiken herunterzuspielen und die Schuld für Krankheiten von der Industrie und den Regierungen auf die normalen Menschen abzuschieben, obwohl bekannt ist, dass Nikotin viele positive Auswirkungen auf den menschlichen Organismus hat und sogar therapeutisch eingesetzt wird?


Allerdings sind viele Daten noch mit Unsicherheit behaftet. So ist zum Beispiel unklar, ob sich Ergebnisse aus Tierversuchen auf Menschen übertragen lassen. Zudem fehlen Langzeituntersuchungen. "Wissenslücken" ist ein Wort, das sich in den Studien und Berichten zur Nanotechnologie häufig findet.

Doch die kritischen Stimmen mehren sich: So schreiben das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und das Umweltbundesamt (UBA) in einer gemeinsamen Stellungnahme, dass es Hinweise auf eine möglicherweise krebsauslösende Wirkung einiger Nanomaterialien gibt. Befunde, die den Behörden zufolge "ernst zu nehmen sind". Erst kürzlich legte das BfR nahe, Nanosilber in Lebensmitteln und Produkten des täglichen Bedarfs solange nicht einzusetzen, bis mehr über die gesundheitlichen Risiken bekannt ist. Silberpartikel in Nanogröße wirken antibakteriell und werden daher bereits in der Medizin, in Kosmetikprodukten oder Textilien verwendet.

Bedenklich ist auch das Ergebnis einer vor Kurzem vom UBA veröffentlichten Studie, diesmal zu Nanopartikeln aus Titandioxid. Der Stoff wird bereits in Wandfarben eingesetzt, die besonders weiß strahlen sollen. Auch in Sonnencremes dient er als wirksamer UV-Filter. Wie die Studie an Ratten zeigte, überwinden die Nanopartikel aus Titandioxid - einmal eingeatmet - die Luft-Blut-Schranke, verteilen sich schnell im Körper und können sich in fast allen Organen anreichern. "Das sind alles besorgniserregende Hinweise", sagt Doris Völker vom UBA. "Wir müssen daher unbedingt weiterforschen."