Das Land Sachsen-Anhalt erwägt, ehemalige Gefängnisse als Flüchtlingsunterkünfte zu nutzen. Im Gespräch ist unter anderem die leerstehende JVA in Dessau.
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Bei der Unterbringung von Flüchtlingen beschreitet die Landesregierung immer ungewöhnlichere Wege. Während bereits vor Wochen das bisherige Maritim-Hotel in Halle für die Erstaufnahme von Asylbewerbern angemietet wurde, gibt es nun auch Überlegungen, ehemalige Gefängnisse zu nutzen. In Halle bestand gestern zum ersten Mal für die Medien die Möglichkeit, sich die Verhältnisse in dem früheren Maritim-Hotel anzusehen. In der Erstaufnahmestelle sind derzeit 640 Menschen untergebracht.

Unterdessen prüft die Landesregierung offenbar auch die Reaktivierung bereits geschlossener Gefängnisse. Im Fokus steht vor allem die einstige Justizvollzugsanstalt (JVA) Dessau.

Die Meinungen in der Landesregierung sind in diesem Punkt jedoch höchst unterschiedlich. „Es wird alles, was möglich ist, derzeit geprüft. Dazu gehören alle ehemaligen Justizvollzugseinrichtungen“, sagte Finanzstaatssekretär Jörg Felgner (SPD). Während das frühere Gefängnis in Naumburg aufgrund des baulichen Zustandes nicht in Frage käme, müsste in Magdeburg vor einer Reaktivierung die Brandschutzsicherheit überprüft werden. In Dessau könnten hingegen sofort Flüchtlingen einziehen. Das erst vor kurzem geschlossene Haus wird wegen des dort noch existierenden Offenen Vollzugs noch beheizt und mit Wasser versorgt. „Da wir nicht nach Geschlechtern trennen können, könnten in Dessau nur Männer untergebracht werden“, so Felgner. Es gebe eine Kapazität von 180 Personen. Entschieden sei aber noch nichts.

Justizministerin Angela Kolb (SPD) erklärte hingegen auf Anfrage: „Derzeit gibt es keine Pläne, Flüchtlinge in der JVA Dessau unterzubringen.“ Ihr Staatssekretär Thomas Wünsch (SPD) ergänzte: „Ich halte es für ein schwieriges politisches Signal, Flüchtlinge aus Krisengebieten in einem Gefängnis unterzubringen.“ Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) erklärte, das Gefängnis Dessau werde geprüft, habe aber „nicht die Priorität eins“. Die unterschiedlichen Signale erzürnten den Dessauer Landtagsabgeordneten Holger Hövelmann (SPD): „Es geht nicht um die Entscheidung an sich, aber das muss den Menschen vor Ort erklärt werden.“ Man dürfe sie nicht vor vollendete Tatsachen stellen.
Ministerpräsident Reiner Haseloff hatte gestern während seiner Regierungserklärung angekündigt, zur Bewältigung der Flüchtlingskrise einen eigenen Kabinettsausschuss einrichten zu wollen. Diesem sollen neben ihm die Minister für Inneres, Finanzen und Soziales sowie der Chef der Staatskanzlei angehören.