Unter dem Jubel der westlichen Mainstream-Presse und -Politik trat am 10. Dezember der Wirtschaftsliberale Mauricio Macri das Präsidentschaftsamt in Argentinien an. Seitdem regiert der neue Präsident nur noch per Dekret, verstößt beinahe täglich gegen die Verfassung und betreibt eine massive neoliberale Umverteilungspolitik. Protest aus Berlin oder Washington gegen das undemokratische Vorgehen bleibt aus. Denn dort gilt Macri als „unser Mann in Argentinien".


Kommentar: Kurz nachdem Macri an die Macht gekommen ist, haben wir folgendes gesagt:
Epochaler Wandel: Putin Unterstützerin nicht mehr Präsidentin von Argentinien:

Cristina Kirchner hat gute Beziehungen zu Russland und Putin gepflegt. Erst kürzlich hat Sie Putin als den "globalen Führer in der Terrorismusbekämpfung" gelobt. Und vor einiger Zeit, haben die beiden folgendes festgestellt: Nach dem Tod von Hugo Chavez sagte Sie: "Er war unser Einziger und bester Freund".

Wie wird die Zukunft ohne Kirchner in Argentinien aussehen? Wahrscheinlich nicht so rosig....

Argentinien Staatsstreich
© Reuters Beschäftig sich lieber nicht mit den Mühen der Ebene der Demokratie und regiert per Noststandsdekreten. Dafür wird er von westlichen Medien als "Mann der Mitte" und "demokratischer Erneuerer" gefeiert. Der neue Präsident Argentiniens Mauricio Marci
"Der Wirtschaftsliberale Mauricio Macri hat die Stichwahl in Argentinien gewonnen. Er steht für die Kraft der Mitte und die Vernunft des Konsenses und belegt: Rechte Putschisten und linke Diktatoren sind in Lateinamerika ein Fall für die Müllhalde der Geschichte."
So schrieb fernab von objektiver Berichterstattung und an der Grenze zum Propaganda-Pathos der Lateinamerika-Korrespondent der FAZ, Matthias Rüb, direkt nach dem Wahlsieg Macris. Doch danach findet sich im gesamten deutschen Mainstream kein Artikel mehr zu Macri und der neuen argentinischen Regierung. Und das hat einen guten Grund.

Denn entgegen dem westlichen Medien-Narrativ, dass Macri der „demokratische Erneuerer“ sowie „Mann des Konsens und der Mitte“ sei, zeigen bereits die ersten drei Wochen, dass sich Argentiniens neuer Präsident eher ungern an rechtsstaatlich-demokratische Regeln hält, die seinem Politikstil, der zudem eher an einen Rachefeldzug der Oligarchie gegen die sozialen Errungenschaften des letzten Jahrzehnts erinnert, nur im Wege zu stehen scheinen.

Die Regierung Macri nutzte die Ferienpause und die damit einher gehende Abwesenheit von Abgeordneten und Senatoren umgehend dazu aus, mit "Notstandsdekreten" zu regieren und diese auf gültige Gesetze, im Amt befindliche Funktionsträger, zu besetzende Richterposten am Obersten Gerichtshof und weitere staatliche Institutionen anzuwenden, ohne dafür die von der Verfassung vorgeschriebene Zustimmung des Senats einzuholen, indem sein Parteienbündnis Cambiemos! (Auf zum Wechsel!) jedoch über keine Mehrheit verfügt.

Sein Kabinett setzt sich hauptsächlich aus hochrangigen neoliberalen Unternehmensführern, Managern, Bankern und Technokraten zusammen. Beispielhaft sei auf den neuen Agrarminister Ricardo Buryaile verwiesen, der zuvor einen hochkarätigen Managerposten beim US-Agrarmulti Monsanto bekleidete.

Ein Teil des neuen Kabinetts war zudem schon zu Zeiten der letzten argentinischen Militärdiktatur in Amt und Würde.

Den Köpfen der argentinischen Militärdiktatur, die mit über 30.000 Opfern des Staatsterrors im Verlauf von 1976 bis 1983 als die blutigste des Subkontinents gilt, galt auch eine der ersten symbolischen Amtshandlungen. Die Porträts der Anführer der Militärjunta, Jorge Rafel Videla und Leopoldo Fortunato Galtieri Castelli, wurden nach Darstellung argentinischer Medien wieder in die Fotogalerie der ehemaligen Präsidenten im Casa Rosada, dem argentinischen Amtssitz, aufgenommen. Die Symbolpolitik der „politischen Mitte“ wie sie FAZ-Korrespondent so lobend erwähnte.

Die umgehend nach der Amtsübernahme erfolgte Freigabe des Wechselkurses hat zu einer Abwertung des Pesos um circa 40 Prozent und damit zu enormen Preissteigerungen geführt, die vor allem die Unter- und Mittelschicht zu spüren bekommen und die de facto einer direkten Umverteilung zugunsten der Gewinneinkommensbezieher vor allem im Agrar-Exportbereich entspricht.

Doch nicht genug mit dieser Art von neoliberalem Klassenkampf. Ebenso wurden mit sofortiger Wirkung die Exportsteuern abgeschafft oder massiv reduziert. Aus den Exportsteuern hatte die links-peronistische Vorgängerregierung zuvor einen signifikanten Teil des Sozialhaushalts finanziert.

Ein ähnliches Bild zeichnet sich im Bereich der öffentlichen Güter und Dienstleistungen ab. Tarif-Subventionen für Wasser, Gas, Elektrizität, öffentliche Verkehrsmittel werden sukzessive aufgehoben. Zudem propagiert die neue neoliberale Regierung einen umfassenden Stellenabbau bei Beamten, Beschäftigten des öffentlichen Rundfunks sowie in Kultureinrichtungen.

Das Mediengesetz, welches als eines der größten Errungenschaften der Kirchner-Regierung galt, und die Monopolstellung des privaten Medienkonzerns Grupo Clarín einschränken, regionale Radio- und Fernsehsendern den Zugang zu Lizenzen vereinfachen und die Autonomie der einzelnen öffentlich-rechtlichen Sende-Anstalten stärken sollte, wurde per Dekret und ohne die Zustimmung der Legislative einzuholen, außer Kraft gesetzt. In der Interpretation der FAZ wohl auch ein Symbol für „die Kraft der Mitte und die Vernunft des Konsenses“.

Die argentinischen Journalistin Stella Calloni übte gegenüber dem lateinamerikanischen Fernsehsender TeleSUR scharfe Kritik an dem Vorgehen des neuen Präsidenten. Laut ihrer Einschätzung gehe dieser wie nach einem Staatsstreich vor. Dabei verwies sie vor allem auf die zahlreichen Präsidialdekrete und insbesondere die Aussetzung des Mediengesetzes. Zahlreiche soziale Aktivisten und politische Analysten sprechen bereits offen von einem "schleichenden Staatsstreich".

Seit seiner Amtseinführung am 10. Dezember hatte Mauricio Macri innerhalb der ersten Woche ohne weitere Argumentation den Notstand ausgerufen und auf dieser Basis mehr als 34 Präsidialdekrete erlassen. Nach knapp einem Monat im Amt summieren sich die von Macri erlassenen Präsidialdekrete auf 261.

Passend schreibt dazu der Soziologe und Lateinamerikawissenschaftler Dieter Boris in einem Beitrag für das Onlineportal Amerika21:
„Es scheint, als ob Macri und seine Berater nicht nur die Fibeln des Neoliberalismus genau studiert haben, sondern auch Machiavelli, der bekanntlich den an die Regierung gelangten Fürsten geraten hat, dass mit den ärgsten Grausamkeiten bei den angestrebten Veränderungen möglichst früh und rücksichtslos begonnen werden müsste.“