Protest gegen Repression Argentinien Berlin 2016
© RT
Am heutigen Samstag haben Vertreter der argentinischen Gemeinde in Deutschland unter dem Motto „Stopp der Repression in Argentinien“ eine Protestveranstaltung am Brandenburger Tor durchgeführt. Hintergrund ist die zunehmende Unterdrückung zivilgesellschaftlicher Proteste seit Machtantritt des neuen Präsidenten Mauricio Macri. Die Teilnehmer riefen auch die deutschen Medien auf, „über die Vorgänge in Argentinien zu berichten, statt Macri unhinterfragt als demokratischen Erneuerer“ zu feiern.

Seit drei Monaten ist die neue rechtsliberale Regierung unter Präsident Mauricio im Amt. Von deutschen Leitmedien als „demokratischer Erneuerer und Mann des Konsenses“ gefeiert, zeigen sich mittlerweile selbst die Menschenrechtsorganisation Amnesty International und Papst Franziskus besorgt über die staatliche Repression der Macri-Regierung gegenüber sozialen und politischen Aktivisten.

Ein Kollektiv von in Deutschland lebenden Argentiniern hatte vor diesem Hintergrund zu einer Protestveranstaltung vor dem Brandenburger Tor aufgerufen. Begleitet wurde die Veranstaltung von einer Tangoperformance „Tango contra la represión“.

Die Veranstalter erläuterten gegenüber RT Deutsch ihre Beweggründe mit den Worten:
"Wir sind ein Kollektiv von in Deutschland lebenden Argentiniern, welche die Sorge um die aktuelle politische und soziale Situation in Argentinien eint. Wir haben uns zu dieser Protestveranstaltung entschlossen, um ein Zeichen zu setzen, gegen die wachsende Repression, die Kriminalisierung der sozialen Proteste, die Verhaftung der sozialen Aktivistin und Abgeordneten Milagro Sala, die Zensur und Unterdrückung der Rede- und Pressefreiheit seit dem Amtsantritt im Dezember 2015 des Präsidenten Mauricio Macri in Argentinien. Zudem wollen wir die deutschen Medien aufrufen, Mauricio Macri nicht mehr als „demokratischen Erneuerer und Mann des Konsens“ zu feiern, was er definitiv nicht ist, und endlich unvoreingenommenen über die Repressionswelle in Argentinien zu berichten, über die selbst Papst Franziskus und Amnesty International ihre Besorgnis zum Ausdruck gebracht haben."
Zuvor hatten bereits europäische Kultur- und Sozialwissenschaftler in einem gemeinsamen Aufruf die Einschränkung von Bürgerrechten und Pressefreiheit, Sozialabbau und das Ende der Aufarbeitung der Militärdiktatur in Argentinien nach Amtsantritt der neoliberalen Regierung unter Präsident Macri beklagt.

RT Deutsch dokumentiert im Folgenden die vollständige auf der Protestveranstaltung gehaltene Hauptrede:

„Die Regierung Macri nutzte nach ihrem Machtantritt die offizielle Sommer-Ferienpause, die in Argentinien von Januar bis Anfang März währt, und die damit einher gehende Abwesenheit von Abgeordneten und Senatoren umgehend dazu aus, mit "Notstandsdekreten" zu regieren und diese auf gültige Gesetze, im Amt befindliche Funktionsträger, zu besetzende Richterposten am Obersten Gerichtshof und weitere staatliche Institutionen anzuwenden, ohne dafür die von der Verfassung vorgeschriebene Zustimmung des Senats einzuholen, indem Macris-Parteienbündnis Cambiemos! (Auf zum Wechsel!) jedoch über keine Mehrheit verfügt.

Kaum zwei Monate nach dem Amtsantritt von Mauricio Macri als Präsident Argentiniens sehen wir mit großer Sorge, dass Wiederaufflammen staatliche Repression. Mehr als 30 Jahre nach der Wiederherstellung der Demokratie, stellt ein solcher Rückfall in die Unterdrückung einen für das demokratische Leben Argentiniens nicht hinnehmbaren Rückschritt dar, der uns an die dunkelsten Kapitel unserer leidgeprüften Geschichte denken lässt.

Innerhalb von nur zwei Monaten nahmen die Repressalien stark zu und betrafen beinahe alle gesellschaftlichen Bereiche: Arbeiter im privaten Sektor, Angestellte des öffentlichen Sektors, soziale und politische Aktivisten sowie die einfache Bevölkerung in ihrer Gesamtheit.

Werfen wir einen Blick zurück auf die Evolution der repressiven Maßnahmen. Zuerst betraf es die entlassenen Mitarbeiter der Firma „Cresta Roja“, der größten Geflügelfarm Argentiniens. Wenig später setzte die Polizei massiv Gummigeschosse gegen die gegen ihre Entlassung demonstrierenden Mitarbeiter der städtischen Gemeindeverwaltung in La Plata ein.

Einige Tage danach wurde die Abgeordnete und soziale Aktivistin Milagro Sala illegal in Gewahrsam genommen, nachdem der Gouverneur von Jujuy, GeradoMorales ihr eine angebliche „Aufstachelung zu Massenunruhen und Verletzung der öffentlichen Ordnung“ vorgeworfen hatte. Salas Vergehen war es, an einer friedlichen Kundgebung für die Wiederherstellung der vom Gouverneur gestrichenen Sozialprogramme teilzunehmen.

Nur wenige Tage danach wurde völlig grundlos und willkürlich die Kinder-Musikkapelle „Los Reyes del Ritmo“ im Armenviertel 1-11-14 gezielt von Polizeieinheiten mit Gummi- und Bleikugeln beschossen. Fast alle Kinder erlitten Schussverletzungen.

Argentinier mit Verletzungen von Gummigeschossen Januar 2016
© argentinaindependent.comAnwohner des Armuts­vier­tels Villa 1–11-14 in Buenos Aires mit Schuss­ver­let­zungen nach Polizei­über­fall im Januar 2016
Zum Schluss sei noch auf die staatliche Repressionen der Mitglieder der Gewerkschaft ATE während der Eröffnungssitzung des Kongresses verwiesen.

All diese beklagenswerten Tatsachen ereigneten sich im Kontext der Massen-Entlassung aus rein politischen Motiven von gut 20.000 Staats-Bediensteten, der Einschüchterung der noch im Dienst stehenden Staatsbeamten, der zum Schweigen gebrachten kritischen Journalisten in staatlichen wie privaten Medien, sowie die Aufhebung der richterlichen Unabhängigkeit und die Instrumentalisierung der dritten Gewalt als Züchtigungsmittel gegen oppositionelle, regierungskritische Kräfte.

Es mag heute sarkastisch klingen, aber im Mittelpunkt der ach so farbenfrohen Wahlkampagne des Präsidenten Mauricio Macri standen ausgerechnet Themen wie die Toleranz gegenüber kritischen Stimmen, der Respekt vor der Unabhängigkeit der richterlichen Gewalt und die berühmte „Einheit aller Argentinier“. Auf Basis dieser Versprechen wählten 51 Prozent der Bevölkerung den Präsidentschaftskandidaten Macri.

Aus den vorgetragenen Gründen fordern wir von Präsident Mauricio Macri - Milagro Sala unverzüglich freizulassen sowie der Polizeigewalt, der Kriminalisierung von sozialen Protesten, der Einschränkung der bürgerlichen Freiheitsrechte und der Medienzensur ein Ende zu setzen.


Abschließend rufen wir die deutschen Medien auf, Mauricio Macri nicht mehr als „demokratischen Erneuerer und Mann des Konsens“ zu feiern, was er definitiv nicht ist, und endlich unvoreingenommenen über die Repressionswelle in Argentinien zu berichten, über die selbst Papst Franziskus und Amnesty International ihre Besorgnis zum Ausdruck gebracht haben.

SCHLUSS MIT DER REPRESSION IN ARGENTIENEN!

BASTA DE REPRESIÓN EN ARGENTINA!

Kollektiv der Argentinier und Argentinierinnen in Deutschland“