Antibiotika-Verschreibung soll eingedämmt werden
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Laut einer Krankenkassenstudie verschreiben Ärzte ihren Patienten Antibiotika in den meisten Fällen auf Verdacht. Die Wirksamkeit der Medikamente könnte jedoch vorab durch einen Abstrich geklärt werden. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe will die leichtfertige Verschreibung von Antibiotika eindämmen.

Millionen unnötige Verschreibungen

Seit Jahren steigt die Zahl der Antibiotikaresistenzen. Die Wahrscheinlichkeit für solche Stämme resistenter Erreger erhöht sich immer weiter, da diese Medikamente viel zu oft eingesetzt werden. So zeigte eine US-amerikanische Studie vor kurzem, dass es noch immer zu einem massenhaften Einsatz von Antibiotika kommt. Wie die Mediziner in der Fachzeitschrift JAMA berichteten, werden alleine in den Vereinigten Staaten jedes Jahr etwa 47 Millionen unnötige Verschreibungen des Medikamentes ausgestellt. In Deutschland sieht es leider nicht viel besser aus.

Wirksamkeit wird nicht geklärt

Laut einer Krankenkassenstudie verschreiben Ärzte ihren Patienten Antibiotika fast immer auf Verdacht. So berichteten die Zeitungen der Funke Mediengruppe unter Berufung auf eine Erhebung der Betriebskrankenkassen (BKKen) Nordwest und Mitte, dass Mediziner in 95 Prozent der Fälle Antibiotika verordnen, ohne vorab durch einen Abstrich deren Wirksamkeit zu klären.

Den Angaben zufolge hatten die BKK-Landesverbände für ihre Erhebung die Daten von rund sieben Millionen Versicherten in 13 Bundesländern ausgewertet. Demnach wurde lediglich bei 3,6 Prozent der Patienten mit Infektionen vor der Antibiotika-Verschreibung ein Antibiogramm erstellt. Anhand eines solchen Abstrichs beim Patienten steht binnen 48 Stunden fest, welches Antibiotikum die Infektion ausschalten kann.

Antibiotika nur bei bakteriellen Infektionen

Die Deutsche BKK schreibt auf ihrer Webseite: „Patienten sollten nur dann mit einem Antibiotikum behandelt werden, wenn die Infektion bakteriell bedingt ist. Denn gegen virale Infektionen sind Antibiotika machtlos.“ Da die Mittel nicht nur gegen krankmachende Bakterien wirken, sondern auch die nützlichen Bakterien auf unserer Haut, den Schleimhäuten und im Darm „bekämpfen“, sollte bei der Verordnung von Antibiotika immer der Grundsatz „So viel wie nötig aber so selten wie möglich.“ befolgt werden.

Allgemeinmediziner setzen nur selten Antibiogramme ein

Das Antibiogramm wird laut BKK-Angaben in deutschen Praxen nur selten eingesetzt. Die größte Wertschätzung genießt es demnach in der Urologie: Bei rund 207.000 Infektionen veranlassten Urologen in annähernd jedem vierten Fall den Test. Bei den Internisten kamen auf fast 119.000 Infektionsfälle nur 30 Antibiogramme. Allgemeinmediziner setzen noch seltener auf das Verfahren. Unter mehr als 350.000 Infektionsfällen, die beim Hausarzt mit Antibiotika behandelt wurden, fanden die BKK-Prüfer lediglich 15 Fälle, die durch ein Antibiogramm abgesichert waren.

„Therapie mit der Schrotflinte“

Der Gesundheitsexperte Gerd Glaeske von der Universität Bremen sprach von einer „Therapie mit der Schrotflinte, breit gestreut statt zielgenau“. Er meinte: „Auf den ersten Blick hat das mit der Infektanfälligkeit von Kindern zu tun. Wenn man genauer hinschaut, zeigt sich, dass nur selten bakterielle Infektionen im Spiel sind. Nur gegen solche Infekte helfen allerdings Antibiotika““. Wie es heißt, würden viele Ärzte offen einräumen, dass es bei den Verschreibungen nicht um Therapie gehe, sondern um eine „Beruhigung der Eltern“.

Bundesregierung will leichtfertige Antibiotika-Verschreibung eindämmen

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) sagte gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe, er wolle „den zielgenauen Einsatz mit Antibiotika fördern“ und daher Regelungen zur Erstattung von diagnostischen Verfahren verbessern. Wie es heißt, hat der Minister dies bereits in einem neuen Gesetz zur Arzneimittelversorgung berücksichtigt, das derzeit innerhalb der Bundesregierung abgestimmt wird und demnächst vom Kabinett beschlossen werden soll. „Ärztinnen und Ärzten sollen so in die Lage versetzt werden, schnell und qualitätsgesichert in der Praxis festzustellen, welche Behandlung für den Patienten die richtige ist“, so Gröhe.

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