Trump Elite
© ReutersWird Trump etwas in Washington bewegen?
Wir wissen derzeit noch nicht, wie ernst es Donald Trump mit seinen Versprechen meint, mit der Korruption in Washington aufzuräumen. Und selbst, wenn es ihm ernst ist - wird er irgendetwas gegen den mächtigen Status quo, den neoliberalen Washingtoner Konsens, durchsetzen können? Zweifellos rütteln seine Pläne an den Grundfesten eines Systems, das man nur als imperialistische Oligarchie bezeichnen kann. Kann er wirklich etwas zum Guten verändern?

Wenn wir uns mit Trump und seinen Plänen beschäftigen, sollten wir unbedingt Schwarz-weiß-Denken vermeiden. Denn es geht allzu schnell, dass wir uns von der einen oder anderen politischen Position Trumps angegriffen fühlen und ihn dann komplett ablehnen. Das wäre zu kurzsichtig gedacht - dass er beispielsweise einige fragwürdige Positionen vertritt, heißt nämlich nicht, dass er ein Monster ist oder nicht vielleicht sogar in vielem Recht hat, mit dem was er sagt. Interessanterweise sind neben seinen im „liberalen“ Europa schwer vermittelbaren Einstellungen zu Abtreibung und Mauerbau einige seiner Positionen regelrecht links - zum Beispiel seine konsequente Ablehnung der Angriffskriege im Irak, in Afghanistan und Libyen oder sein Vorhaben, den Drehtür-Lobbyismus in Washington zu beschränken. Auch seine Ideen für die Gesundheitsreform könnten sich als besser herausstellen, als es oft dargestellt wird - er tritt für eine bessere und dabei günstigere Gesundheitsvorsorge für die Bürger ein, was doch in Europa eigentlich auf offene Ohren stoßen sollte. Sein Plan zur Korruptionsbekämpfung für den Beginn seiner Amtszeit lautet:
  1. Eine Verfassungsänderung, um allen Mitgliedern des Kongresses eine Begrenzung ihrer Amtszeit aufzuerlegen,
  2. Ein Einstellungsstopp für alle Bundesangestellten, um die Angestellten des Bundes durch natürlichen Abgang zu reduzieren (Ausnahme: Militär, öffentliche Sicherheit und Gesundheit),
  3. Für jede neue Bundesverordnung müssen zwei bestehende Regelungen beseitigt werden,
  4. Ein fünfjähriges Verbot von Funktionsträgern im Weißen Haus und Kongress, als Lobbyisten tätig zu werden, nachdem sie den Regierungsdienst verlassen haben,
  5. Ein lebenslanges Verbot der Lobbyarbeit im Auftrag ausländischer Regierungen für Mitarbeiter des Weißen Hauses,
  6. Ein vollständiges Verbot für ausländische Lobbyisten, Geld für amerikanische Wahlen zu sammeln,
  7. Annullieren der Milliarden-Zahlungen an U.N- Klimawandelprogramme und stattdessen Verwendung des Geldes, um Amerikas Wasser- und Umweltinfrastruktur wieder aufzubauen.
Ich finde ja, das klingt passabel. Immerhin dürfen wir nicht vergessen, welch dramatische Auswirkungen es hätte, gelänge es Trump den Korruptions-Sumpf in Washington trockenzulegen, wie er versprach: Monsanto & Co hätten es schwerer, der Welt ihre giftigen Produkte aufzuzwingen, die Pharmaindustrie könnte nicht mehr darauf bauen, dass jedes noch so zweifelhafte Medikament zugelassen wird und die Rüstungsindustrie und Ölkonzerne könnten nicht mehr so leicht auf immer neue Kriege drängen.

Trump Proteste
© AFPAnti-Trump-Proteste: Schwarz-weiß-Denken und ein ideologisch verzerrtes Bild der Realität
Gleichzeitig ist sein Programm auch eine Aufforderung an uns alle, uns vom Freund-Feind-Denken zu befreien: Trump weder als Monster zu brandmarken, nur weil er in manchen Punkten anderer Meinung ist als wir, ihn aber auch nicht zum Retter der Menschheit zu erheben. Auch tun wir gut daran, die aktuelle Situation im Detail zu analysieren und zu verstehen, was Trumps Prioritäten sein könnten und mit welchen Kräften er sich womöglich anlegt. Denn machen wir uns nichts vor: Die konsequente Umsetzung seines Wahlprogramms würde das Ende des US-Imperiums bedeuten (aber womöglich die Rettung des „Kernlands“ USA) und die gesamte Weltwirtschaft auf den Kopf stellen, die trotz der Krise 2008 immer noch auf den riesigen amerikanischen Absatzmarkt und den Zufluss ausländischen Kapitals an die Wall Street angewiesen ist. Doch so ein Monster - Yanis Varoufakis nennt es den „Globalen Minotaurus“ - beseitigt man nicht über Nacht. Die von Trump geforderten Einfuhrzolle für Waren aus China bedrohen dieses seit den 70er-Jahren gewachsene System an seinen Grundfesten, während der Abbau von US-Militärbasen auf der Welt und der Rückzug aus der NATO (ebenfalls Trump-Forderungen) das ganze imperiale Konstrukt in Frage stellen würden. Das alles kann, wenn überhaupt, nur sehr behutsam und strategisch angegangen werden.

Die Bekämpfung des Systems von innen ist nur strategisch möglich

Leider sind wir anfällig dafür die Dinge, die Trump sagt und tut, durch unsere ideologische Brille zu sehen - egal welcher Couleur - und dadurch die Realitäten zu verkennen, in deren Kontext das Trump-Phänomen stattfindet. Während Mainstream-Linke über tatsächliche oder vermeintliche Aussagen Trumps vor Wut schäumen, befürchten Einige aus der alternativen Nachrichtenszene bereits, dass Trump sie verraten hat. Ein Thema für Letztere ist zum Beispiel sein Schatten-Kabinett, von dem freilich noch nicht allzu viel bekannt ist. Klar ist aber, dass auch einige Washington-Insider Teil des Trump-Teams sein werden, darunter beispielsweise der gut vernetzte "Establishment-Republikaner" Reince Priebus, der wohl die mächtige Position des Stabschefs im Weißen Haus bekleiden wird. Rechtfertigt dies den Schluss, dass Trump vielleicht doch nur den Status quo aufrechterhalten und seine Wahlversprechen vergessen will? So, wie wir das bereits mit Obama erlebt haben?

Ich denke, es ist zu früh, diesen Schluss zu ziehen. Denn wir dürfen nicht vergessen, dass die wahre politische Macht in den USA (wie auch in Deutschland) in Netzwerken liegt, die quer durch alle Institutionen laufen - Weißes Haus, Geheimdienste, Konzerne, Medien, Rüstungsindustrie, Militär etc. - und die in vielen Jahrzehnten gewachsen sind. Möchte Trump wirklich etwas verändern, braucht er Leute, die das Hinterzimmer-Spiel perfekt beherrschen. Denn heutzutage gibt es wohl kaum jemanden im politischen Apparat Washingtons, der oder die nicht von Partikularinteressen abhängig oder selbst aktiver Lobbyist ist. Dies liegt im System begründet - ohne diese Netzwerke ist es wohl unmöglich, „mitzuspielen“. Vor diesem Hintergrund ist es interessant, dass Trump selbst in gewisser Weise ein Insider ist, der diese Netzwerke kennt und mit ihnen gearbeitet hat - als einer der berühmtesten Geschäftsmänner Amerikas kam und kommt er an diesen nicht vorbei. Trump selbst drückte es in seinem ersten Fernseh-Interview nach der Wahl so aus:
Jeder ist ein Lobbyist da unten, das ist das Problem mit dem System - das System. Wir werden es nun aufräumen. Wir werden Beschränkungen für ausländisches Geld umsetzen, das hineinfließt, wir werden die Amtszeit beschränken, was eine Menge Leute nicht glücklich macht, aber wir setzen Amtszeitbeschränkungen durch. Wir tun eine Menge Dinge, um das System aufzuräumen. Aber alle, die für die Regierung arbeiten, verlassen dann die Regierung und werden Lobbyisten im Wesentlichen. Ich meine, der ganze Ort ist ein einziger großer Lobbyist. Ich sage, dass sie es momentan sind, die das System kennen, aber wir werden das allmählich abbauen. Man muss das auslaufen lassen.
Trump scheint also das Problem zu erkennen, dass es unmöglich ist, ein derart festgefahrenes System zu verändern, ohne selbst darauf zurückzugreifen. Er braucht Leute, die das System kennen - das könnte im Augenblick wichtiger sein als sich mit Claqueuren zu umgeben, die in allem seine Meinung teilen. Dies deutet auf eine eher pragmatische Herangehensweise hin. Oder wie es Scott Adams, der Erfinder der Dilbert-Comics, beschreibt: Trump nutzt die im Geschäftsleben verbreitete Methode des A/B-Tests, um herauszufinden, was funktioniert und was nicht und passt seine Strategie entsprechend an. Vielleicht werden wir also einen wechselhaften Präsidenten erleben mit wechselnden Besetzungen seiner Mitarbeiter. Wenn es einem sinnvollen Ziel dient, ist diese pragmatische Herangehensweise durchaus zu begrüßen.

Trumps Prioritäten werden uns Aufschluss über seine Pläne geben

Was die kontroversen Meinungen Trumps angeht und die Prioritäten, die seine Administration setzt, so müssen wir uns wohl in Geduld üben. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass es in der Politik selten um die „reine Lehre“ geht, sondern um Strategie. Es ist also durchaus möglich, dass Trump manche Themen lediglich als Wahlkampf-Vehikel benutzt hat, da sie populär sind. Womöglich werden solche Themen auf die lange Bank geschoben und erübrigen sich damit - das betrifft zum Beispiel das Thema Abtreibung, zu dem er sich im Fernseh-Interview nach der Wahl sehr zurückhaltend geäußert hat. Auch ist nicht auszuschließen, dass Trump einige seiner Positionen, etwa zum Thema Israel, lediglich vertritt, um sich nicht mit zu vielen Establishment-Figuren auf einmal anzulegen - vielleicht weiß er, dass er die Schlachten sorgfältig auswählen muss, die er zum jetzigen Zeitpunkt austragen kann und deshalb Zugeständnisse an den Washingtoner Konsens machen muss.

Will Trump das System von innen verändern? Bis jetzt deutet vieles darauf hin. Kann er erfolgreich sein gegen ein Establishment, das spätestens seit der Ermordung Kennedys Jahrzehnte lang Zeit hatte, seine Macht zu konsolidieren? Unmöglich zu sagen. Zweifellos spüren aber viele Menschen, dass mit Trump im Weißen Haus eine Veränderung in der Luft liegt. Wir sollten also ganz genau hinschauen, die Entwicklungen von möglichst vielen Blickwinkeln und Standpunkten aus betrachten, uns nicht auf ideologischen Inseln einigeln und vor allem: wieder Einfühlungsvermögen gegenüber unseren Mitmenschen zeigen, nah und fern, egal, ob und wo sie ihr Kreuzchen gemacht haben. Eines jedenfalls ist sicher: Wir leben wahrhaft in spannenden Zeiten.