Donald Trump
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Außenpolitischer Egoismus „im guten Sinne des Wortes“ und Verzicht auf den Export von US-Werten - Experten skizzieren wahrscheinliche Schwerpunkte von Donalds Trumps Politik und prognostizieren einen erbitterten Widerstand der Eliten in Washington.


Konstantin Kossatschow, Chef des Auswärtigen Ausschusses im russischen Föderationsrat (Parlamentsoberhaus), schrieb in einem Gastbeitrag für die Tageszeitung „Iswestija“, die bisherigen Regierungen in Washington hätten sich nicht nur als Führung der „freien Welt“ gewähnt, sondern sich auch das Recht vorbehalten, die restliche - angeblich falsche und unfreie - Welt umzugestalten.

„Wenn man aber genau hinschaut, ist diese Logik fürchterlich. Denn ausgerechnet sie liegt den meisten Theorien von Rassen-, Ideen- oder Zivilisations-Überlegenheit zugrunde, die auf die grausamsten Kriege, Terroranschläge und Konflikte in der Geschichte hinausgelaufen waren“, so Kossatschow.

„In diesem Sinne sieht Trump paradoxerweise wie ein größerer Demokrat aus im Vergleich zu den scheidenden Predigern (aber nicht Anhängern, wenn man nach ihren Taten urteilt) der demokratischen Werte“, kommentierte der russische Parlamentarier.

Nikolai Zlobin, Präsident des in Washington ansässigen Center on Global Interests, sagte dem Blatt, mit seiner Vereidigungsrede eröffne Trump eine „Epoche des amerikanischen Außenpolitik- und Wirtschafts-Egoismus“: „Von nun an werden die USA vom Standpunkt ihrer nationalen Interessen aus egoistisch vorgehen - im guten Sinne des Wortes.“

„Dies löste natürlich negative Reaktionen bei politischen US-Eliten, die einen Teil der globalen politischen Klasse ausmachen und keineswegs vorhaben, ihren Einfluss zu verlieren. Auch die Verbündeten der USA reagierten auf Trumps Rede nervös. Falls Amerika nur seine Interessen berücksichtigt, wie Trump es ankündigt, werden die meisten US-Verbündeten dies als ernsthafte Bedrohung für sich selbst betrachten“, erläuterte Zlobin.

Eigentlich habe Trump dem Washingtoner Polit-Klub den Krieg erklärt: „Dabei muss man betonen: Es geht nicht um das amerikanische, sondern eben um das Washingtoner Establishment. Ausgerechnet deshalb löst Trump solche irritierten und etwas herablassenden Reaktionen bei den Eliten in der US-Hauptstadt und den Medien aus. Manche Präsidenten hatten zuvor bereits versucht, gegen das Washingtoner Establishment zu kämpfen, waren aber daran gescheitert.“

Eduard Losanski, Präsident der American University in Moskau, kommentierte für die Zeitung, die Schwerpunkte von Trumps Vereidigungsrede seien „die Rückkehr von Industriekapazitäten und Arbeitsplätzen ins Land; der Verzicht auf den Export von amerikanischen Werten; das Versprechen, dem radikalen islamischen Terrorismus ein Ende zu setzen; sowie der Aufbau freundschaftlicher Beziehungen mit allen interessierten Ländern.“

Eine Verwirklichung dieser Ideen setze aber kolossale Bemühungen voraus, um den Widerstand des Establishments zu überwinden: „Trump versprach, diesen von Alligatoren strotzenden ‚Sumpf‘ trockenzulegen. Die größten und bösesten Alligatoren sind Vertreter des US-Pendants der dahingeschiedenen sowjetischen Nomenklatura, das sich während der jahrzehntelangen Konfrontation zwischen Ost und Wert herausgebildet und etabliert hatte, aber auch während der Bewaffnung von Islamisten und des ‚Regimewechsels‘ im Irak, in Libyen und in Syrien.“