US-Soldaten, US-Militär
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Eine amerikanische Reality-TV-Show bot die Vorlage für eine Operation, um Sexualstraftäter unter US-Soldaten auf Okinawa ausfindig zu machen. In Tokio versucht die Regierung derweil, der boomenden Branche des Sex mit Minderjährigen entgegenzusteuern.

Wie jetzt bekannt wurde, kam es vor zwei Jahren zur Verhaftung von 36 US-Soldaten, die auf Okinawa stationiert waren. Sie alle hatten geplant, Sex mit Minderjährigen zu haben. Die Verhaftungen zogen sich quer durch alle Ränge des Militärs.

Eine Folge des Kulturschocks oder eines kulturellen Missverständnisses? Die Mehrheit der rund 25.800 Soldaten auf Okinawa sind junge Männer zwischen 18 und 25 Jahren, die sich in einer fremden Kultur wiederfinden, fernab der Heimat.

Ein Streifzug durch das heutige Tokio: In der überfüllten japanischen U-Bahn liest ein betagter so genannter Salary-Man, japanischer Ausdruck für Geschäftsmann, ein Manga-Comic. Bei näherer Betrachtung sind in diesem junge Schulmädchen in ihren typischen Uniformen abgebildet, die sich sexuell vergnügen.

Der Mann empfindet keinerlei Notwendigkeit, sein Schmuddelheft in irgendeiner Weise zu verbergen. Für den europäischen Betrachter gewöhnungsbedürftig, in Japan Normalität. In einer Ecke stehen Schulmädchen in ihren Seifukus, so genannten Segler-Kostümen, wie die Outfits genannt werden, die jenen im Manga-Comic ähneln.

Diese bestehen aus einer Bluse mit Kragen, kombiniert mit einem kurzen Faltenrock und langen Strümpfen. Inspiriert wurden die Seifukus durch die britische Marine und die Segler-Outfits der Sprösslinge blaublütiger Europäer. Sie kamen 1920 nach Japan. An den Decken der U-Bahn hängen Werbeplakate, die junge Mädchen der Mittel- und Oberstufe in Segler-Outfits darstellen, denn mit ihnen lässt sich jedes Produkt verkaufen. Sie gelten als "kawaii", niedlich und unschuldig, das Idealbild in der japanischen Kultur.

Nachmittags füllen sich die Straßen Tokios mit den Schülerinnen, in Porikura-Cafes lassen sie Sticker-Aufkleber von sich machen. Manchmal sind sie Seite an Seite mit einem älteren Mann zu sehen, der ihnen gegen Gefälligkeiten aller Art eine teure Markentasche kauft oder den Eintritt in ein Popkonzert ihrer Idole ermöglicht.

Eine ganze Industrie lebt von dem Image und prägt Stadtbild und Kultur. Die minderjährigen Mädchen begeben sich unwissentlich in Gefahr. In so genannten Joshi kokosei Reflexology, Reflexzonenmassage-Salons für Highschool-Mädchen, auch als JK Business bezeichnet, können sich Männer von jungen Frauen in Segler-Outfits die Füße massieren lassen. Auch weitere Dienste können sie erwerben.

Für die japanische Regierung sind diese Einrichtung der Einstieg in die Prostitution Minderjähriger. In einer Polizeirazzia 2016 wurden 42 unter 18-Jährige interviewt, die in JK-Geschäften tätig waren. Die Hälfte von ihnen hatte Sex mit ihren Kunden.

Von diesen offiziell als Zentren für Fußmassage geltenden Einrichtungen, gegen die die japanische Regierung nun vorgehen will, gibt es bis zu 400 an der Zahl. Aber die Schritte der Behörden gegen die Schuppen kommen nur langsam voran, da die Etablissements keinen Alkohol ausschenken und offiziell alle Angestellten die Volljährigkeit erreicht haben.

Razzien haben bislang nur geringe Erfolge gebracht. Ein neues Gesetz soll die dunklen Geschäfte nun ins rechte Licht rücken. Künftig besteht eine Meldepflicht, Vergehen werden mit einem Jahr Haft geahndet. Besonders im Stadtteil Akihabara, auch als Electric Town bekannt, bieten inmitten der neusten technischen Gadgets, Computerspiele, Roboter und Kultobjekte für Gamer auch die Joshi Kokusei ihre Dienste an.

Alle diese Dienste werden in aller Öffentlichkeit angeboten, die legalen Zuhälter beobachten das Geschehen. In Clubs performen die Ideale der Kultur auf der Bühne, umgarnt von Männern, die viel älter sind als sie selbst. Sie lesen aus der Hand oder beglücken ihre Begleiter mit einem so genannten Laufenden Date, was oftmals in einem der Stundenhotels endet. Hier können Kunden anonym ein Bett für kurze Zeit mieten und aus verschiedenen Erlebniswelten wählen.

Unter dem Titel "To Catch A Predator" führten nun Agenten des Naval Criminal Investigative Services (NCIS) Operationen durch. Sie sollen potenzielle amerikanische Straftäter, die im Dienst der Nation nach Japan entsandt wurden, in die Falle tappen lassen. Ihren Namen erhielt die Aktion durch die gleichnamige Reality-Fernsehshow.

Marine-Soldatinnen legten ihre Köder über die Webseite Craigslist oder eine App namens Whisper aus. Nachdem sie von Mitgliedern der US-Streitkräfte kontaktiert worden waren, gaben sich die Soldatinnen als gelangweilte Mädchen aus. Sie ließen sich zu einem erotischen Chat hinreißen, in welchem sie dann angaben, minderjährig und zwischen 14 und 15 Jahren alt zu sein. Bei anschließenden persönlichen Treffen griffen die Agenten zu, es kam zur Verhaftung.

Für die Betroffenen folgten zwei bis drei Jahre Haft in Militärgefängnissen, anschließend sollten sich die Verurteilten als Sexualstraftäter registrieren lassen. Doch zwei amerikanische Anwälte, die mit den Fällen betraut wurden, Timothy J. Bilecki und Stephen H. Carpenter Jr., kritisierten das Vorgehen der Justiz. Für den amerikanischen Anwalt Bilecki, der sich auf solche Fälle spezialisiert hat, stellt die Operation das Stellen einer Falle dar. Auf seiner Webseite schildert er einzelne Sachverhalte von US-Soldaten, die in die Falle der Catch-A-Predator-Operation tappten. Bilecki glaubt, dass die Dunkelziffer der US-Soldaten, die auf diese Weise festgesetzt wurden, um die 50 Mann betrifft.

Die Einheimischen Okinawas aber sehen die Schuld an der Misere nicht beim NCIS, sondern im Fehlverhalten der fremden Soldaten in ihrer Heimat. Sie werfen den Soldaten nach, die japanische Kultur nicht zu respektieren. Schlagzeilen von Trunkenheit am Steuer, Vergewaltigungen und Mord haben das Bild der Anwohner von den Fremden geprägt.

Der erste besonders extreme Fall ereignete sich 1995 mit der Vergewaltigung einer 12-Jährigen durch drei Soldaten. Die Folge waren Massendemonstrationen. Die Geschichte der amerikanischen Militärpräsenz ist nicht von Ruhmesblättern gezeichnet und die Täter sind durch das SOFA-Abkommen geschützt. Diesem zufolge ist nicht das Gastgeberland Japan, sondern die amerikanische Justiz für die Strafverfolgung zuständig.


Ein Dorn im Auge der Japaner. Die Japanische Zeitung Japan Times listete mit Blick auf die Operation "The Predator" besonders gravierende von Sex mit Minderjährigen durch amerikanische Soldaten auf.

So gab Anfang 2015 gab ein Marine-Vorsteher zu, Geschlechtsverkehr mit 18 Minderjährigen gehabt zu haben, von denen einige unter 12 Jahren waren. Die ursprünglich ausgesprochene Haftstrafe von ganzen 144 Jahren wurde durch ein Arrangement auf 20 Jahre verringert.

Der jüngste Fall aber, eine Vergewaltigung mit Mord, hatte sich erst im vergangenen April ereignet. Am 10. März wird die erste Anhörung zu den Verhandlungen stattfinden. Die japanische Öffentlichkeit wird genau verfolgen, inwieweit der Tatverdächtige Kenneth Franklin Shinzato von der amerikanischen Justiz geschützt werden wird. Der Mord hatte Tausende auf Okinawa gegen die US-Truppen protestieren lassen.